Deutschland — Maritime Sicherheit im Fokus der konzeptionellen Überlegungen

Von ein­er »Order Of Capa­bil­i­ties« zu ein­er »Order Of Bat­tle«
Das The­ma der diesjähri­gen HiTa­Ta war geschickt gewählt. Die Frage der sub­stanziellen Fähigkeit­en ein­er Marine wird uns dieses Jahr beson­ders beschäfti­gen. Es gilt näm­lich heute zu bes­tim­men, welche Fähigkeit­en zur Bewäl­ti­gung zukün­ftiger Auf­gaben im mar­iti­men Umfeld benötigt wer­den und wie und durch wen diese Fähigkeit­en abge­bildet wer­den kön­nten. Mit diesem Ansatz wollen wir einen Schritt weg von Flaggen­stock- und Nach­fol­ge­pla­nung tun und über einen fähigkeit­sori­en­tierten Ansatz die Zusam­menset­zung der zukün­fti­gen Flotte entwick­eln. Wir bewe­gen uns damit über eine »Order Of Capa­bil­i­ties« zu ein­er »Order Of Battle«.

Dabei ist jet­zt schon abse­hbar, dass unser Fuhrpark für hoch spezial­isierte Ein­heit­en zu klein sein wird. Wir kön­nen uns nicht mehr erlauben, Plat­tfor­men auf aktuelle Bedro­hun­gen maßzuschnei­dern und sie bei ein­er Verän­derung der Rah­menbe­din­gun­gen der Obsoleszenz anheim fall­en zu lassen. Daher wer­den wir uns zwangsläu­fig zu Plat­tfor­men hin entwick­eln, die ihr Fähigkeit­spro­fil mith­il­fe mobil­er Kom­po­nen­ten verän­dern kön­nen. Eine Fähigkeit, die auch ein Dauer­nutzungskonzept fern der Heimat zwangsläu­fig von uns verlangt.

Die aktuelle Ein­satzre­al­ität war vor 20 Jahren nicht vorher­sag­bar und dementsprechend sind unsere Mehrzweck­ein­heit­en am stärk­sten belastet. Wir haben neue Wege beschre­it­en müssen, indem wir hoch spezial­isierte Minen­ab­wehrein­heit­en und dem­nächst auch Flu­gab­wehrein­heit­en in Embar­go­op­er­a­tio­nen ein­set­zen. U‑Jagd-opti­mierte U‑Boote klären Han­delss­chiff­be­we­gun­gen im Mit­telmeer auf. U‑Jagd-Fre­gat­ten führen Seer­aumüberwachung und Board­ing-Oper­a­tio­nen am Horn von Afri­ka durch.

Ver­ste­hen Sie mich nicht falsch: Die klas­sis­chen War­fare-Areas bedür­fen weit­er­hin der Pro­fes­sion­al­ität. Wir müssen für sie rüsten, aus­bilden und üben. Darüber hin­aus bedür­fen wir aber der Flex­i­bil­ität, um bedarf­s­gerecht und durch­hal­te­fähig auch in niedri­gen oder noch nicht vorher­sag­baren Spek­tren der Ein­satz­in­ten­sität erfol­gre­ich sein zu kön­nen. Wir kön­nen heute noch nicht mit Bes­timmtheit sagen, was mor­gen am Rand oder im Fokus ste­ht. Die Möglichkeit­en, die Mod­u­lar­isierung und Flex­i­bil­ität hier bieten, müssen wir sorgsam bew­erten und ausschöpfen.

Marineforum - Djibouti-Marineverband in See (Foto: PIZ Marine)

Das gilt auch für unsere wichtig­ste und wertvoll­ste Ressource, das Personal.

»Mitar­beit­er kön­nen alles: wenn man sie weit­er­bildet, wenn man ihnen Werkzeuge gibt, vor allem aber, wenn man es ihnen zutraut.« Damit brachte es der deutsche Top­man­ag­er Hans-Olaf Henkel und ehe­ma­lige Präsi­dent des Bun­desver­ban­des der Deutschen Indus­trie auf den Punkt.

Wir trauen unseren Sol­datin­nen und Sol­dat­en immens viel zu. Gle­ich­wohl sind die per­sön­lichen Belas­tun­gen, die sich aus den Zwän­gen der Ein­satzer­fordernisse ergeben, gravierend. Das, was von unseren Sol­datin­nen und Sol­dat­en durch lange Abwe­sen­heit­en und risikobe­haftete Ein­sätze abver­langt wird, stößt mit­tler­weile bei den Betrof­fe­nen und vor allem deren Fam­i­lien an spür­bare Gren­zen. Dessen bin ich mir bewusst. Gle­ich­wohl erfüllen unsere Sol­datin­nen und Sol­dat­en ihren Auf­trag mit großer Hingabe, Stolz und unter hohem inter­na­tionalem Anse­hen. Der Ein­satz im Rah­men der Oper­a­tion UNIFIL hat uns allen viel abver­langt. Unsere Marine leis­tet in den Küstengewässern des Libanon aus­ge­sprochen gute Arbeit. Sie erfüllt ihren Auf­trag ver­lässlich und pro­fes­sionell. Mit der Über­gabe der Führung der MTF an die EUROMARFOR unter ital­ienis­ch­er Führung Ende Feb­ru­ar wer­den wir unseren Beitrag erneut reduzieren können.

Aber auch die Beteili­gung bei Active Endeav­our im Mit­telmeer sowie in den Stand­ing Naval Mar­itime Groups hat uns im ver­gan­genen Jahr ordentlich beschäftigt.

Nun ist das The­ma der per­son­ellen Belas­tung ein Über­ge­ord­netes und nicht auf die Marine alleine zu beziehen. Dieses wird an zwei Zahlen sehr deut­lich: Die Marine leis­tet seit ger­aumer Zeit mit einem am PSM 2010 gemessen­em ca. 7,5‑prozentigen Per­son­alum­fang einen unge­fähr 15-prozenti­gen per­son­ellen Anteil an allen Ein­sätzen der Bundeswehr.

Diese Rela­tion kann man sich gut merken. Gle­ich­wohl führt uns dies jenes Missver­hält­nis vor Augen, das sich in ein­er über­pro­por­tionalen Aus­las­tung der Marine darstellt. Der tief­ere Grund liegt im Wesentlichen darin, dass der Bedarf nach mar­iti­men Fähigkeit­en offen­sichtlich gestiegen ist und – ich wage die Prog­nose – auch weit­er steigen wird.

Wir müssen daher prüfen, wie diesem Ungle­ichgewicht begeg­net wer­den kann und ob der tra­di­tionelle Pro­porz der Teil­stre­itkräfte zueinan­der vor diesem Hin­ter­grund noch sinnhaft ist. Hier ist eine umfängliche Neube­w­er­tung der Auf­gaben im Ver­hält­nis zu den ver­füg­baren Mit­teln und zum erforder­lichen Per­son­al notwendig. Dies ist eine selb­stver­ständliche und im Sinne der Trans­for­ma­tion per­ma­nente Auf­gabe der Stre­itkräfte. Grund­lage dafür seit­ens der Marine muss eine nach­drück­liche und in jed­er Hin­sicht überzeu­gende konzep­tionelle Her­leitung sein, die wir im Rah­men der Entwick­lung unser­er neuen Order of Bat­tle in 2008 vornehmen wer­den. Dabei geht es neben der Analyse von Fähigkeit­en und Plat­tfor­men vor dem Hin­ter­grund sich ständig verän­dern­der Auf­gaben und Rah­menbe­din­gun­gen ganz wesentlich um die Entwick­lung intel­li­gen­ter Personalkonzepte.

Auch hier gilt es, das Poten­zial von Mod­u­lar­ität und Flex­i­bil­ität zu bew­erten. Wir haben mit den Konzepten für die Per­son­alergänzung und für die Fre­gat­te 125 bere­its erste Schritte zur intel­li­gen­teren Nutzung von Plat­tfor­men und Per­son­al getan. Hier gilt es weit­er zu denken und aus den gemacht­en Erfahrun­gen Kon­se­quen­zen zu ziehen. Auch bere­its einge­führte Plat­tfor­men wie Unter­see­boote kön­nten durch Mehrbe­satzungskonzepte unstrit­tig bess­er genutzt wer­den. Allerd­ings nutzen sie sich dann auch schneller ab. Bekom­men wir dann Ersatz?

Unsere Attrak­tiv­ität als Arbeit­ge­ber, geset­zliche Vor­gaben aus der Vere­in­barkeit von Fam­i­lie und Beruf und der erhöhte Bedarf an Plat­tfor­men im Ein­satz erfordern solche Schritte. Nur wenn wir unsere eige­nen Mit­tel wirtschaftlich nutzen, kön­nen wir einen Mehrbe­darf auch glaub­haft vertreten. Wir müssen mit den anderen Teil­stre­itkräften ins Gespräch kom­men. Nicht, um zu kla­gen, son­dern um ggf. bei Zeit­en für struk­turelle Verän­derun­gen in den Stre­itkräften zu unseren Gun­sten und unser­er Ent­las­tung vor­bere­it­et zu sein.

Team GlobDef

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