Die Diplomarbeit wird im fünften Semester bewusst an zivilen Einrichtungen geschrieben. Hierdurch soll die Ingenieurausbildung an der Marineschule regelmäßig mit der Ausbildung an zivilen Universitäten verglichen werden. Das letzte Semester an der École navale dient der Vorbereitung der Ausbildungsreise mit dem Helikopterträger JEANNE D’ARC. In diesem Semester findet die erweiterte navigatorische Ausbildung statt und endet mit dem Erwerb des STCW konformen Wachoffizierpatentes.
Der Höhepunkt der französischen Offizierausbildung ist zweifelsfrei die Ausbildungsreise mit dem Schulschiff und Helikopterträger JEANNE D’ARC. Jedes Jahr bricht dieses Schiff gemeinsam mit dem Zerstörer GEORGES LEYGUES kurz vor Weihnachten zu einer 6‑monatigen Ausbildungsreise um die halbe Welt auf. An Bord findet die französische Fachausbildung (z.B. zum U‑Jagdoffizier, Artillerieoffizier oder Schiffstechnikoffizier) statt. Die Schulschifflösung bietet die Möglichkeit, theoretisches Wissen direkt in der Praxis zu erproben. Darüber hinaus werden die JEANNE D’ARC und die GEORGES LEYGUES während der Reise – wo möglich – einsatznah in laufende Missionen eingebunden, wie Kampf gegen den Drogenschmuggel in der Karibik, humanitäre Hilfe in Afrika oder seit mehreren Jahren gemeinsame Ausbildung mit dem deutschen Einsatz- und Ausbildungsverband (EAV) vorzugsweise im Mittelmeer.
Nach der Rückkehr nach Brest im Juni treten die französischen Offizierschüler direkt ihre erste Verwendung an Bord an. Auch für die deutschen Teilnehmer ist die Ausbildung in Frankreich nach der Reise beendet. Sie müssen jedoch, aufgrund unterschiedlicher Regelungen, noch einen Teil der deutschen Fachausbildung absolvieren. Seit 1993 haben 12 deutsche Teilnehmer die Ausbildung in Frankreich beendet. Sie sind heute in allen Bereichen der Deutschen Marine tätig: als WO auf Schnellbooten, als STO auf U‑Booten oder als SEO auf den Fregatten.
Die Offizierausbildung der französischen Marine ist eine hochwertige und aufwendige Akademieausbildung. Neben der ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung werden theoretische und praktische Seemannschaft sehr intensiv unterrichtet. In der Führerausbildung wird hoher Wert auf Sprachen sowie militärgeschichtliches und geopolitisches Verständnis gelegt. Da die Ausbildung an der École navale drei Jahre dauert, sind stets drei Crews auf dem Campus vertreten.
Durch Arbeitsgemeinschaften und gemeinsame Sportunterrichte hat man damit während seiner Zeit an der École navale die Möglichkeit, insgesamt fünf Crews kennenzulernen. Jeder Schüler des zweiten Jahres übernimmt außerdem eine Patenschaft für einen Schüler des ersten Jahres. Diese formellen Verbindungen in den so genannten »Traditionsfamilien« halten oft über viele Jahre und verbinden weit über den Rahmen der fünf Crews hinaus. Auch daher ist es verständlich, dass in der französischen Marine der Korpsgedanke unter den Offizieren stark ausgeprägt ist.
Ich fühle mich durch meine Ausbildung in der französischen Marine sehr gut auf meine Verwendung an Bord vorbereitet. Die Erfahrungen, die ich in den letzten 5 Jahren machen konnte, möchte ich auf keinen Fall missen.
Heute gibt es eine Vielzahl von Berührungspunkten zwischen den Offizierlehrgängen der Deutschen Marine und denen anderer Marinen. Jährlich treffen sich die Kommandeure der europäischen Marineschulen. Dabei werden auch neue Projekte angedacht – manchmal umgesetzt, wie die Teilnahme der deutschen Truppenfahne an der Vereidigung der französischen Schüler im Jahr des 40igsten Jahrestages der Unterzeichnung der Elysée-Verträge – oft jedoch aus national nachvollziehbaren Gründen verworfen, wie das französische Projekt eines europäischen Schulschiffes oder der deutsche Vorschlag, große Teile der französischen Crew in die Ausbildung auf der GORCH FOCK zu integrieren. Dies zeigt, wie groß der Schritt zur Schaffung des Austausches gewesen ist. Nicht umsonst bleibt der Austausch mit der französischen Marine in seiner Dauer und Konsequenz einzigartig.