Deutschland — Frankreich — Blick auf die École navale

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Die franzö­sis­che Mari­neschule (École navale) ist eine »Grande École«. Zwei Jahre Vorstudi­um in den soge­nan­nten Vor­bere­itungsklassen Zugangsvo­raus­set­zung zu dem sehr selek­tiv­en Auswahlver­fahren der Miltärakademien.

Die »class­es pré­para­toires« gibt es in vie­len franzö­sis­chen Städten. Die deutschen Offizier­an­wärter in Frankre­ich absolvieren Ihr Vorstudi­um am Lycée naval in Brest. Das Lycée naval wird von der franzö­sis­chen Marine betreut und bietet mit seinem Inter­nat Kindern von franzö­sis­chen Sol­dat­en und Beamten eine kosten­lose und qual­i­ta­tiv hochw­er­tige uni­ver­sitäre Aus­bil­dung und soll leis­tungsstarke Schüler frühzeit­ig für eine Kar­riere in der Armee gewin­nen. Die Schule befind­et sich auf dem Gelände der franzö­sis­chen Unterof­fizierss­chule. Die franzö­sis­chen Schüler tra­gen Schu­lu­ni­for­men. Nach zwei Jahren Vor­bere­itungsstudi­um nimmt man zum ersten Mal am Auswahlver­fahren (frz. Con­cours) für die Grandes Écoles teil.

Im Jahr 2005 haben am Auswahlver­fahren für die École navale 2.000 Schüler aus allen Regio­nen Frankre­ichs teilgenom­men. Von diesen Schülern wur­den immer­hin noch 495 Bewer­ber (davon 83 Frauen) zu mündlichen Prü­fun­gen nach Paris ein­ge­laden. Let­z­tendlich an der École navale angenom­men wur­den 70 Bewer­ber (davon 10 Frauen). Diese 70 Mann (und Frauen) wur­den, im Gegen­satz zum ganzheitlichen Prü­fungsver­fahren an der OPZ, nur nach rein wis­senschaftlichen Auswahltests und einem medi­zinis­chen Attest eingestellt. Sie haben mit der Auf­nahme an die École navale den Sta­tus eines Berufsoffiziers.

Diesem radikalen Auswahlver­fahren müssen sich die deutschen Schüler genau­so wie die franzö­sis­chen Schüler stellen. Beson­ders die schriftlichen Prü­fun­gen sind auf­grund der hohen Anforderun­gen in Math­e­matik und der schriftlichen Franzö­sis­cht­ests eine oft nicht auf Anhieb zu bewälti­gende Hürde. Wie die franzö­sis­chen Schüler auch haben die deutschen Offizier­an­wärter die Möglichkeit, das zweite Jahr der Vor­bere­itungsklassen zu wieder­holen, um noch ein­mal am Auswahlver­fahren für die École navale teilzunehmen. Dies war bish­er jedoch nur in 5 von 15 Fällen notwendig, wom­it die Erfol­gsquote der deutschen Offizier­schüler beim Auswahlver­fahren für die École navale, trotz aller sys­tem­be­d­ingten Nachteile, deut­lich über dem franzö­sis­chen Schnitt liegt. 

Nach erfol­gre­ichem Beste­hen der Auswahl­prü­fun­gen hat man sich den Wech­sel auf die andere Seite der Brester Bucht an die École navale erar­beit­et. Bis 1914 befand sich die École navale auf ver­schiede­nen Segelschif­f­en, welche in der Brester Bucht vor Anker lagen. Durch die physis­che Tren­nung zum Land sollte der Crewgedanke gefördert wer­den. Von 1914 bis 1940 befand sich die Ecole navale auf dem Gelände der heuti­gen Unterof­fizierss­chule in Brest. Nach dem Krieg hat man, wohl aus den gle­ichen Beweg­grün­den, aus denen die deutsche Mari­neschule 1910 aus Kiel ins prov­inzialis­che Flens­burg ver­legt wurde, die Ecole navale auf der gegenüber­liegen­den Seite der Brester Bucht auf dem Gelände ein­er ehe­ma­li­gen Wasser­flugzeug­ba­sis neu errichtet. Rund 60 km vom näch­sten Kino ent­fer­nt, ist die franzö­sis­che Mari­neschule die einzige Lan­dein­heit, auf der franzö­sis­che Sol­dat­en Bor­d­di­en­stzu­lage erhalten.

Die begonnene wis­senschaftliche Aus­bil­dung wird an der École navale fort­ge­führt. Doch wird das Haupt­studi­um durch mar­itime und mil­itärische Anteile erweit­ert. Das erste Semes­ter an der École navale ist auss­chließlich der mil­itärischen und mar­iti­men Aus­bil­dung gewid­met. Im ersten Monat an der franzö­sis­chen Mari­neschule ist es den Schülern nicht erlaubt, die Kaserne zu verlassen.

Woch­enen­den wer­den hier genutzt, um unter Anleitung des älteren Jahrgangs durch gemein­same Sege­laus­flüge, Biwak und Marschieren den Zusam­men­halt in der neuen Crew zu fördern.

In diesem Zeitraum haben die deutschen Schüler zum ersten Mal inten­siv­en Kon­takt mit dem Tra­di­tionsver­ständ­nis der franzö­sis­chen Marine. Das Brauch­tum der École navale und der Wille, sich soweit als möglich in die franzö­sis­che Crew zu inte­gri­eren, ver­langt von den deutschen Offizier­schülern viel Durch­hal­tev­er­mö­gen und Ner­ven­stärke. Ab dem zweit­en Monat haben die Schüler des ersten Jahres an der École navale immer­hin am Woch­enende und mittwochs Aus­gang, welch­er jedoch bei unzure­ichen­den schulis­chen Leis­tun­gen auch ver­sagt wer­den kann.

Den Abschluss des ersten Semes­ters bildet eine zwei­wöchige Aus­bil­dungs­fahrt auf den franzö­sis­chen Schul­booten. Die »bâti­ments écoles« sind mit ihrer zweit­en Instruk­tions­brücke und ihrem »speziellen See­gangsver­hal­ten« extra für die Aus­bil­dung der Boots­mann- und Offizier­schüler gebaut wor­den. Bere­its bei geringer See fan­gen diese an, wie wild zu schlingern, sodass der ein oder andere Offizier­an­wärter nach dieser ersten Aus­bil­dungs­fahrt seine Begeis­terung für die Marine­fliegerei oder Marine­in­fan­terie entdeckt.

Im zweit­en Semes­ter begin­nt die wis­senschaftliche Aus­bil­dung. Da die Schüler in ver­schiede­nen Schulen die Vor­bere­itungsklassen besucht haben, gilt es, in diesem Semes­ter alle Schüler auf einen gemein­samen Aus­bil­dungs­stand zu brin­gen. Es wird jedoch deut­lich, dass eine Spezial­isierung auf Bere­iche, die die Marine betr­e­f­fen, stat­tfind­et. Zusät­zlich wer­den mar­itimes Englisch und Mari­negeschichte unter­richtet. Im drit­ten und vierten Semes­ter erfol­gt eine wis­senschaftliche Spezialisierung.

An der franzö­sis­chen Mari­neschule kann man sich in den Fachge­bi­eten Schiff­s­maschi­nen­bau, Elek­trotech­nik, Infor­matik und Unter­wasser­akustik spezial­isieren. In diesen Bere­ichen wird an dem der École navale angeschlosse­nen Forschungsin­sti­tut u.a. in den Bere­ichen alter­na­tive Schiff­santriebe, Ver­ar­beitung und Darstel­lung von Dat­en für Geoin­for­ma­tion­ssys­teme sowie Kav­i­ta­tion­slehre geforscht. Der mar­itime Bezug geht während der gesamten wis­senschaftlichen Aus­bil­dung nicht ver­loren. Regelmäßig find­en auch während der wis­senschaftlichen Semes­ter mil­itärische Übun­gen, Sprach- und Geschicht­sun­ter­richt sowie die zwei­wöchi­gen Aus­bil­dungsreisen auf den Schul­booten statt. 

Team GlobDef

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