Deutschland — F 124-Lessons Learned für F 125?

F 124 in der Ein­satzaus­bil­dung
Im Som­mer 2006 absolvierte Fre­gat­te SACHSEN ihre erste volle Ein­satzaus­bil­dungsphase gemäß Ein­satzaus­bil­dungs­plan (EAP) ein­schließlich eines 6‑wöchigen Ger­man Oper­a­tional Sea Train­ing (GOST) in Devon­port. Ich habe diese 6 Wochen auf meinem gegen­wär­ti­gen Dien­st­posten als Deutsch­er Verbindung­sof­fizier beim Flag Offi­cer Sea Train­ing (FOST) inten­siv begleit­et. Das aus dem Flugkör­per­schießen 2004 bewährte Dok­tri­nenset war noch immer aktiv, eine Anpas­sung der Dok­tri­nen an die Szenar­ien des GOST durfte wegen der »ungek­lärten Inter­de­pen­den­zen« nicht vorgenom­men wer­den. Ein­fach­ste Bedi­enere­in­griffe im Sim­u­la­tion­spro­gramm führten zu Sys­temab­sturz. Ca. 30 Prozent der OPZ-Crew hat­te keine Aus­bil­dung am Ein­satzsys­tem, da im »Jahr Vier« der CDS‑F 124-Aus­bil­dung noch immer keine aus­re­ichen­den Kapaz­itäten zur Ver­fü­gung standen. Über­rascht hat die englis­chen Aus­bilder auch, schiffs­bauliche Unzulänglichkeit­en wie fehlende Feuer­löschleitun­gen in den Trep­pen­schächt­en, die bere­its 10 Jahre zuvor bei F 123 nachgerüstet wur­den, auch auf F 124 wieder zu finden.

Im Herb­st 2007 fol­gte Fre­gat­te HAMBURG dem Schwest­er­schiff SACHSEN mit ein­er vollen 6‑wöchigen Ein­satzaus­bil­dungsphase beim FOST. Zwar trat Fre­gat­te HAMBURG diese Aus­bil­dung nicht mit dem aktuell­sten Soft­ware-Release an, bewies aber trotz­dem im Ver­gle­ich zum GOST des Typ­schiffes 15 Monate zuvor tat­säch­lich eine erhe­blich verbesserte Sys­tem­sta­bil­ität der Ein­satz­soft­ware, es kam zu kein­er­lei Sys­temab­stürzen mehr! Dies gibt deut­lich Anlass zu Opti­mis­mus in Bezug auf die durch die Marine in 2006 begonnenen Maß­nah­men zur Her­stel­lung der vollen Ein­satzfähigkeit der Fre­gat­ten der Klasse F 124.

Andere Waf­fen­sys­teme im Ver­gle­ich
Spanien (F 100) und Nor­we­gen (NANSEN-Klasse) haben sich bei ihren neuesten Flu­gab­wehrein­heit­en für die bewährte AEGIS-Vari­ante entsch­ieden, die Nieder­lande (LCF) und die Roy­al Navy (T45) gehen bei Ihren F 124-ähn­lichen Ein­heit­en im Bere­ich der Ein­satz­soft­ware eher kon­ser­v­a­tive Wege. Die Deutsche Marine besitzt mit F 124 das tech­nol­o­gisch wohl mod­ern­ste Kriegss­chiff der Welt in Bezug auf Net­zw­erkar­chitek­tur und Automa­tion. Mit dem Pro­jekt F 124 wurde bewusst ein hohes Risiko in Kauf genom­men. Anders als in der Ver­gan­gen­heit wurde nicht bere­its bewährte Tech­nik auf ein­er neuen Plat­tform inte­gri­ert, son­dern eine inno­v­a­tive Plat­tform gebaut, während ihre Unter­sys­teme sich noch in der Entwick­lung befan­den. Die Mehrzahl der dadurch zu erwartenden »Kinderkrankheit­en« der vie­len kom­plex­en Sys­teme an Bord ist in Bear­beitung, die Marine hat seit 2006 zusät­zliche Ressourcen aktiviert und ist auf einem guten Weg hin zur Ein­satzfähigkeit der drei Schiffe. Ich glaube aber, die Marine ins­ge­samt hat diese Ressourcen etwa fünf Jahre zu spät aktiviert, um die Ein­satzfähigkeit des in seinen Fähigkeit­en – aber eben auch in sein­er Kom­plex­ität – weltweit ein­ma­li­gen Waf­fen­sys­tems F 124 zeit­nah nach der Indi­en­st­stel­lung sich­er zu stellen.

Für F 125 leite ich aus dem oben dargestell­ten fol­gende mögliche Lehren ab:

  • Von Anbe­ginn des Pro­jek­tes an soll­ten der Indus­trie und dem Vorhabens­man­age­ment desig­nierte Ansprech­part­ner in allen Bere­ichen der Marine benan­nt wer­den, um die drän­gen­den Fra­gen der Soft- und Hard­ware entwick­el­nden »Lan­drat­ten« vor entschei­den­den Weichen­stel­lun­gen beant­worten zu können.

  • Die Exper­tise des Aus­bil­dungszen­trum Schiff­sicherung (AZS) der Marine und des deutschen Anteils beim Flag Offi­cer Sea Train­ing in Devon­port soll­ten vor Entschei­dun­gen zu Detail­lö­sun­gen im Bere­ich Schadensabwehr/ Schiff­sicherung und Arbeitssicher­heit an Bord genutzt wer­den, um dazu beizu­tra­gen, die bei F 123 und F 124 erforder­lichen kost­spieli­gen Nachbesserun­gen zu minimieren.

  • Bei der Entwick­lung der Ein­satz­soft­ware wie auch bei der Konzep­tion des Human-Machine-Inter­face (HMI) sollte sich die Marine frühzeit­ig und ins­beson­dere nach­haltig beglei­t­end ein­brin­gen. Das Konzept der reduzierten Besatzung erfordert Mul­ti-Skilling jedes Einzel­nen und damit die Rück­kehr zur ganzheitlichen Sys­temaus­bil­dung (statt der mod­u­laren Aus­bil­dung F 124), was eine wesentliche Vere­in­fachung der Bedi­en­barkeit gegenüber F 124 erforder­lich macht.

  • Die Auswirkun­gen des 2‑Besatzungskonzeptes und der Inten­sivnutzung auf Infra­struk­tur und Aus­bil­dung­sor­gan­i­sa­tion müssen zeit­gerecht unter­sucht und bear­beit­et wer­den, damit diese vor der Indi­en­st­stel­lung der ersten Ein­heit ver­füg­bar sind und – anders als im Falle F 124 – die Her­stel­lung der vollen Ein­satzfähigkeit nicht verzögert. Die Kreativ­ität und Fan­tasie der Konzeptschreiber stößt hier häu­fig auf die Gren­zen der Flex­i­bil­ität gültiger Ver­fahren und Abläufe im eher star­ren Richtlin­ien fol­gen­den Verwaltungsapparat.

Sowohl die Roy­al Navy als auch die Mari­nen der Nieder­lande und Nor­we­gens haben bere­its Erfahrun­gen und Konzepte zu Sea Swap (Besatzungswech­sel im Ein­satzge­bi­et) bzw. dem Konzept der reduzierten Besatzun­gen (Lean Man­ning) auf Fre­gat­ten, die man im Vor­feld der Konzepten­twick­lun­gen zu F 125 nutzen sollte. Eine Option der nor­wegis­chen Marine geht dabei zum Beispiel so weit, eine Ihrer fünf neuen Fre­gat­ten als reine Aus­bil­dungsplat­tform zu betreiben.

Eines ste­ht für mich fest: Neben der tech­nol­o­gis­chen Her­aus­forderung rund um das The­ma »Inten­sivnutzung« wird die Auf­gabe »Acht Besatzun­gen auf vier kom­plex­en Schif­f­en ein­satzfähig in Rota­tion zu hal­ten« die derzeit­ige Struk­tur unser­er Marine sig­nifikant verän­dern. Der Zeit­punkt, diese Auf­gabe ern­sthaft und möglichst »bre­it­flächig« inner­halb der Marine anzuge­hen ist HEUTE, wenn Infra­struk­tur und Organ­i­sa­tion in knapp 7 Jahren »ste­hen« sollen. 

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

Marineforum

Alle Infor­ma­tio­nen entstam­men frei zugänglichen Quellen. Bildquelle: PIZ Marine

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