Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
vor 50 Jahren
Episoden deutscher Segelschifffahrt
Der Untergang der PAMIR und die Sturmreise der WILHELM PIEK
Bereits zwischen den beiden Weltkriegen nahm die deutsche Segelschifffahrt einen neuen – wenn auch relativ kurzen – Aufschwung. In der Handelsschifffahrt segelten die letzten Frachtensegler der großen deutschen Reedereien Laisz und Vinnen in der Getreide- und Salpeterfahrt noch gewinnbringend zwischen den Kontinenten.
Von Helmut Sieger
Ich erinnere mich, mit welch großer Begeisterung der erste Kapitän des DDR-Segelschulschiffes WILHELM PIECK, Ernst Weitendorf, uns jungen Kursanten von seinen Kap-Horn-Umsegelungen erzählte. Ernst Weitendorf führte von 1924 bis 1931 das Kommando über den Fünfmast- Toppsegel-Schoner CARL VINNEN.
Doch die Frachtfahrten mit Tiefwasserseglern fanden in den dreißiger Jahren allmählich ein Ende. Das letzte Rennen der Großsegler 1933 zwischen PADUA und PRIVALL war nochmals ein spektakuläres Ereignis. Dagegen belebte in dieser Zeit die Reichsmarine und später die Kriegsmarine die Segelschulschiff-Ausbildung durch die Neubesegelung der Jackass-Bark NIOBE 1922 sowie den Neubauten der Barken GORCH FOCK 1933, HORST WESSEL 1936, und ALBERT LEO SCHLAGETER 1937.
1945 – nach dem Zweiten Weltkrieg – lagen an der Nord- und Ostsee die deutschen Hafenstädte in Trümmern. Die deutsche Kriegsflotte existierte nicht mehr, die Handelsflotte, die See- und Hafenwirtschaft sowie der Schiffbau waren zerstört. Die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen verlangte darüber hinaus ihr Tribut. Die meisten noch verbliebenen deutschen Segelschiffe gingen an die Siegermächte und an neue Eigner.
Bedingt durch die Nachkriegsentwicklung in Deutschland und die Entstehung von zwei deutschen Staaten 1949 mit der Bindung an konträre Machtblöcke sowie mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen, bewegte und entwickelte sich in Deutschland die Seewirtschaft, die Marine sowie die maritimen Ausbildungssysteme auf unterschiedlichen Kursen. Die traditionsreichen Viermast-Barken PAMIR und PASSAT segelten nochmals von 1951 bis 1957 als deutsche Fracht fahrende Segelschulschiffe. Die »Stiftung Pamir und Passat« gab beiden Schiffen eine letzte Chance, vor allem in der Getreidefahrt nach Südamerika.
Die Kiellegung einer Schonerbrigg als ersten Stahlschiffneubau am 27. Februar 1951 auf der Warnow-Werft Warnemünde, anderthalb Jahre nach der Gründung der DDR, nahm man damals in der deutschen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis. Das »Schiff der Jugend« – der Bau wurde unterstützt durch Spenden der Mecklenburger Bevölkerung – lief am 26. Mai 1951 als Segelschulschiff WILHELM PIECK vom Stapel. Am 2. August 1951 erfolgte in Warnemünde in Anwesenheit des damaligen Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, die Indienststellung und die Jungfernfahrt. Zur Jungfernfahrt war ich Kursant der ersten Besatzung unter dem damals 68-jährigen Kapitän Ernst Weitendorf, einen Kap-Hornier, mit dem Ehrentitel eines »Albatros«, der von 1951 bis 1955 das Kommando über das Segelschulschiff hatte. Wie er selbst schrieb, sah er »in der Vermittlung seiner Arbeitserfahrungen an die Jugend die Erfüllung seines Seemannslebens«. Für die sich entwickelnde zivile Schifffahrt der DDR, den Aufbau ihrer Seestreitkräfte sowie der See- und Hafenwirtschaft, wurden Nachwuchs, Schiffsoffiziere und Besatzungen gebraucht.
Durch eine allgemeine seemännische und schiffstechnische Vorausbildung sollten junge Leute für die Seefahrt motiviert und für ihren späteren Beruf vorbereitet werden. Diesem Ziel dienten die Lehrgänge auf dem neuen Segelschulschiff. Begeisterung und Fähigkeit für die Seefahrt wachsen bekanntlich mit den ersten Seebeinen und Stürmen.