Die technische Überlegenheit der Gegner und das Ende der Atlantikschlacht
Im März 1943 erlebte die Schlacht im Atlantik ihren Höhepunkt. Erstmals stand Admiral Dönitz‘ Wunschzahl von 100 U‑Booten in den Einsatzgebieten. Insgesamt büßten die Alliierten in diesem Monat in allen Seegebieten 105 Schiffe mit etwa 600.000 BRT ein, bei einem Verlust von 15 deutschen U‑Booten. Die U‑Boot-Führung stellte zwar fest, im Geleitzugkampf den »bisher größten Erfolg« erzielt zu haben, aber die kritische Bewertung ergab, dass nach den ersten Überraschungsangriffen auf die Konvois die luft- und seegestützte Abwehr immer stärker geworden war, die meisten U‑Boote von Flugzeugen unter Wasser gedrückt wurden und dann langen Verfolgungen mit Wasserbomben ausgesetzt waren.
Im April 1943 gingen 16 U‑Boote verloren, im Mai die ungeheure Zahl von 41 – das war ein Boot pro versenkten Frachter. Ende Mai rief Dönitz erstmals alle U‑Boote aus dem Nordatlantik zurück. Die Atlantikschlacht war für den Rest des Krieges verloren. Wie war es plötzlich soweit gekommen? Die Gründe sind vielfältig: Nach Ernennung Dönitz’ zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine und Beförderung zum Großadmiral am 30. Januar hatte der U‑Boot-Bau zwar absolute Priorität erhalten, die Zahl der alliierten Schiffsneubauten – insbesondere durch die LIBERTY-Ships – begann jedoch jene der durch U‑Boote versenkten Schiffe zu übersteigen. Im gleichen Maße wie die Baurate der U‑Boote wuchs, stiegen auch ihre Verluste, denn der technische Rückstand gegenüber der alliierten U‑Boot-Jagd machte sich nun massiv bemerkbar. Man fuhr unverändert mit den auf hohe Überwasserfahrt optimierten Booten des Konstruktionsstandes der späten 30er Jahre gegen den Feind. Unter Wasser war eine Höchstfahrt von sieben Knoten für maximal 30 Minuten durchhaltbar. Die nur zum stundenweisen Tauchen fähigen und auf die Wasseroberfläche angewiesenen Boote waren den modernen elektromagnetischen Ortungsverfahren mit Hochfrequenzradar und Funkpeilung, den weiterentwickelten Asdic-Geräten, den erwähnten kryptoanalytischen Erfolgen des Gegners und der neuen Waffentechnik (z.B. katapultierbare Wasserbomben, britische Version »Squid«, amerikanische Version »Hedgehog«) hilflos ausgeliefert. Darüber hinaus war es gelungen, das atlantische »Gap«, die Lücke in der Luftabdeckung, zu schließen.
Nach Meinung des britischen Historikers Roskill errangen vor allem die wenigen Flugzeuge auf den im Geleitzug fahrenden »Eskort-Trägern« in Kombination mit den ca. 15 Langstreckenmaschinen des »Coastal Command« den Durchbruch. Nur die »Monsun-U-Boote« im Indischen Ozean, die z.T. von in japanischer Hand befindlichen indonesischen Stützpunkten aus operierten, konnten die Erfolge im Juli 1943 noch einmal über 200.000 BRT bringen. Im November 1943 zog Dönitz die U‑Boote für den Rest des Krieges von den nordatlantischen Konvoirouten zurück – die »Grauen Wölfe« waren von Jägern zu Gejagten geworden.
Es erwies sich nun als fatal, dass wenig zur schrittweisen Verbesserung der bewährten Bootstypen geschehen war. Die erste wirklich nennenswerte Maßnahme, nämlich die Nachrüstung des Standardbootes VII C mit Schnorchel, kam der Front erst im Februar 1944 zugute und die Nachrüstung aller Boote sollte bis November dauern. Als Dönitz der Gruppe »Landwirt« am 6. Juni den Angriff auf die Invasionsflotte befahl, waren nur acht der 26 Boote umfassenden Gruppe mit Schnorchel nachgerüstet – 13 gingen in dieser Operation verloren. Man wollte als nächste U‑Boot-Generation gleich den technologischen Quantensprung: Das mit einer Walterturbine getriebene »totale Unterseeboot« mit bis zu 25 Knoten Unterwassergeschwindigkeit. Als sich eine frontreife Realisierbarkeit nicht schnell genug abzeichnete, schwenkte Dönitz auf eine Zwischenlösung um: Unter Verwendung des strömungsgünstigen Bootskörpers eines nicht serienreifen Walter-U-Bootes vom Typ XVIII entstand mit Hilfe der Einrüstung großer Hochleistungsbatterien der Hochseetyp XXI mit 17 Knoten Unterwasserhöchstfahrt und als kleineres Derivat der Küsten-Typ XXIII.
In einem beispiellosen Bauprogramm wurden 170 dieser Boote von Juni 1944 bis April 1945 fertig gestellt und zum großen Teil eingefahren. Für die Front jedoch kamen sie zu spät. Die alten Boote trugen in den letzten beiden Kriegsjahren die Last eines hoffnungslosen Kampfes mit unverminderter Härte und ungeheuren Verlusten weiter und untermauerten so bis zum bitteren Ende den »Mythos der Grauen Wölfe«. Der britische Historiker Peter Padfield zollte bei aller Kritik an der deutschen Gesamtkriegführung den deutschen U‑Boot-Fahrern in seinem Werk »War Beneath the Sea« höchsten Respekt, indem er schrieb: »… sie kämpften einen unvorstellbar stoischen, tapferen und insgesamt sauberen Krieg mit nicht mehr brutalen Ausnahmen als jene, die die Annalen der Royal Navy oder der amerikanischen U‑Boot-Fahrer verunstalten.«
Von 40.600 zwischen 1934 und Kriegsende ausgebildeten U‑Boot-Fahrern waren 30.246 auf See geblieben. 790 von den 1.162 gebauten U‑Booten der Kriegsmarine wurden zu ihren »Eisernen Särgen«. Keine Waffengattung hatte einen so hohen Blutzoll gezahlt. Männer, die das Glück hatten, diese Apokalypse zu überleben, sind noch unter uns. Eine ganze Reihe von ihnen kennen gelernt zu haben, war eine wichtige Erfahrung.