Den großen Rückschlag brachte der britische Dechiffrierdienst
So tragisch jeder einzelne Verlust eines U‑Bootes war, folgenschwerer war die Kaperung der als »Enigma« bekannt gewordenen deutschen Schlüsselmaschine, des »Schlüssel- M« und der Quadratkarten des Atlantik am 9. Mai 1941 durch die Briten, als U110 an die Oberfläche gebombt worden war. Diese Aktion gab dem legendären Dechiffrier-Dienst »Bletchley-Park« die Möglichkeit, deutsche Funksprüche fortan in quasi Echtzeit zu entziffern. Als im Februar 1942 der Schlüsselmaschine ein vierter Walzenring hinzugefügt wurde, verlor Bletchley-Park zwar für zehn Monate den Anschluss, das Aufbringen von U559 brachte dann aber für den Rest des Krieges den »Durchblick«. Je intensiver also die Rudeltaktik des BdU sich auf Funkverkehr abstützte, umso größer wurde die Gefahr nicht nur des Eingepeiltwerdens, sondern auch der Preisgabe der Spruchinhalte, d.h. der U‑Boot-Positionen, desto leichter wurde es den Alliierten, mit ihren Konvois den nun bekannten Aufstellungsräumen der U‑Boote auszuweichen. Bis zum Ende des Krieges und darüber hinaus verweigerte sich Dönitz trotz vieler Indikatoren dieser Einsicht.
Die Vereinigten Staaten, noch neutral in diesem Krieg, setzten Zerstörer zum Geleitschutz britischer Konvois außerhalb der von Deutschland erklärten Kriegszone ein, bevor sie an britische »Escorts« übergeben wurden. Sie hatten Anweisung, deutsche U‑Boote zu detektieren und zu melden, durften sie aber nicht angreifen. Die Versenkung des US-Zerstörers REUBEN JAMES durch Kapitänleutnant Topp mit U522 Ende Oktober 1941 war bei diesen »Rules of Engagement« ein Ereignis, das kommen musste. Der Verlust von über 100 amerikanischen Marineangehörigen half Präsident Roosevelt, die öffentliche Meinung für seine Absicht der direkten Intervention gegen Hitler zu gewinnen. Der Kongress erlaubte es US-Handelsschiffen, fortan in die Kriegszone einzufahren und billigte schließlich Mitte November auch die Bewaffnung der Schiffe. Ende des Jahres 1941 waren 35 der in Sektionsbauweise gefertigten LIBERTY-Ships abgeliefert. Das amerikanische Bauprogramm dieser einfachen 10.000 BRT Handelsschiffe, die ab 1942 mit einer monatlichen Rate von 60 Einheiten zuliefen, machte es den U‑Booten trotz steigender Erfolge unmöglich, den verfügbaren Transportraum entscheidend zu dezimieren. Hinzu kam Hitlers Befehl, U‑Boote aus strategischen Gründen aus dem Handelskrieg abzuziehen und ins Mittelmeer und nach Nordnorwegen zu verlegen, wo sie zur Schädigung des atlantischen Nachschubs nicht beitragen konnten.
Unmittelbar nach der deutschen Kriegserklärung an Amerika nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor holte Dönitz zum »Paukenschlag« aus, der Operation gegen die Schifffahrt vor der US-Ostküste. Mitte Januar 1942 stand Kapitänleutnant Hardegens U123 vor der Einfahrt nach New York. Er und weitere Boote, die folgten, sahen eine wie im Frieden beleuchtete Küste, vor deren Hintergrund einzeln fahrende, nicht abgedunkelte Schiffe zur leichten Beute wurden. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1942 konnten die U‑Boote in diesen Gewässern, einschließlich der Karibik, 400 Frachter versenken, bei einem eigenen Verlust von nur vier Booten. Durch diese Erfolge in die Höhe getrieben überstieg im Juni die monatlich vernichtete Tonnage erstmals die Marke von 700.000 – mehr als die Alliierten nachbauen konnten. Insgesamt verloren sie 8,3 Millionen BRT in diesem Jahr, der Würgegriff des Handelkrieges gegen Großbritannien wurde immer fester, die Versorgungslage des Inselreichs schien ernsthaft gefährdet, das Geleitzugsystem offensichtlich der Rudeltaktik nicht mehr gewachsen.