Die Zwischenkriegszeit:
finis submarinae, aber geheime Programme in den 30er Jahren
Gemäß Friedensvertrag von Versailles hatte das Deutsche Reich alle U‑Boote auszuliefern und ihm wurde deren Bau und Erwerb verboten. 176 U‑Boote und U‑Kreuzer gelangten in britische Hände und wurden dann unter die Alliierten USA, Frankreich, Italien und Japan aufgeteilt, fahrunfähige und unfertige Boote wurden verschrottet – finis submarinae. Die Konstruktionsunterlagen brauchten nicht übergeben zu werden, dennoch fanden durch »Re-Engineering«, wie wir es heute nennen würden, deutsche Einflüsse Eingang in die U‑Boot-Entwicklung der Siegermächte. Auch in Argentinien, Schweden und Spanien wurden Projekte zum Nachbau deutscher U‑Boote geplant und drei ehemalige deutsche U‑Boot-Werften gründeten im niederländischen Den Haag zur Unterstützung solcher Programme ein »Ingenieurskaantor voor Scheepsbouw« (IvS). In einen Geheimfonds flossen Haushaltsmittel der Reichsmarine, ja sie wurde Hauptaktionär des IvS. Deutsche Offiziere standen über ein getarntes U‑Boot-Referat in der Flottenabteilung in engster Verbindung mit dem Kontor in Den Haag.
Als die Türkei 1925 zwei 500-Tonnen-Boote zum Bau in Rotterdam bestellte, ergab sich die Gelegenheit, durch Teilhabe an diesem Programm Erfahrungen für künftige deutsche U‑Boote zu gewinnen. Im kleinen finnischen Hafen Abo entstanden nach IvS-Plänen drei weitere U‑Boote der 500-Tonnen VETEHINENKlasse für die finnische Marine, die 1930 abgeliefert wurden und mit Hilfe Spaniens, jedoch durch vollständige Finanzierung aus dem Geheimfonds der Reichsmarine, gelang es in Cadiz, den IvS-Entwurf E1, einen 745-Tonnen-Typ, zu realisieren, der 1931 seine Erprobung beendet hatte und 1934 an die Türkei verkauft wurde.
Zeitgleich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begann trotz des weiterhin bestehenden Verbots die Planung für ein geheimes U‑Boot-Bauprogramm mit zunächst sechs 250-Tonnen-Booten des Typs II A und zwei Booten der modifizierten E1-Klasse (Typ I A) auf deutschen Werften. Unter dem Tarnnamen »U‑Boot-Abwehrschule« wurden ab 1. Oktober 1933 in Kiel die ersten U‑Boot-Offiziere ausgebildet, ab Februar 1935 begann der Bau. Parallel dazu entstand eine Reihe von Entwürfen für Folgeprogramme, die in den 500-Tonnen-Typ VII und den späteren, legendären 750-Tonnen-Typ VII C mündeten. Kurz nach Abschluss des deutschbritischen Flottenvertrags, der der deutschen Marine an der Gesamttonnage der Royal Navy zwar nur einen Anteil von 35 Prozent, aber Gleichstand bei U‑Booten zubilligte, wurden ab Juni 1935 bis 1937 mit den Typen II A und II B in rascher Folge insgesamt 24 kleine Boote in Dienst gestellt. Weitere 17 Boote der größeren Typen I A, VII und des 1.000-Tonnen- Typs IX – für Aufgaben von U‑Kreuzern – waren im Bau.
Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Admiral Raeder, hatte im Juni 1935 Kapitän zur See Karl Dönitz die Verantwortung für operative Führung und Ausbildung der U‑Boote übertragen und damit die Aufgabe, aus den zulaufenden Plattformen eine schlagkräftige U‑Boot-Waffe zu formen. Im Herbst 1936 wurde Dönitz »Führer der U‑Boote« – FdU. Die Vorstellungen Raeders von kampfstarken, als Risikoflotte geeigneten Überwasserstreitkräften, die für deren Bau zwangsläufige hohe Ressourcenbindung, der Beitritt Deutschlands zum »Londoner U‑Boot-Protokoll« 1936 mit der Verpflichtung zur Befolgung der Prisenordnung und auch der weit verbreitete Glaube in der Marine, dass neue Ortungsmittel wie »Asdic« (Anti Submarine Detection Investigation Committee), das die Nutzung von Schall zur Unterwasserortung erforschte; später amerikanisch »Sonar« (Sound Navigation and Ranging) die Wirksamkeit von U‑Booten neutralisieren könnten, sprachen gegen die einseitige Bevorzugung des U‑Bootes im Flottenbauprogramm. Zudem hatte Raeder immer noch die Zusicherung Hitlers, dass England in einem künftigen Krieg nicht als Gegner betrachtet werden müsse.
Dönitz war überaus erfolgreich in der Ausbildung. Er nahm den Kommandanten und den Besatzungen den Komplex, dass das U‑Boot eine überholte Waffe sei. Er glaubte nicht an die Wunderwirkung des Asdic – schon gar nicht, wenn der nächtliche Überwasser- Nahangriff die Taktik prägte. Er hatte als Ergebnis eines Kriegsspiels im Winter 1938/39, bei dem bereits Handelskrieg gegen England geübt worden war, 300 Front-U-Boote (100 Boote in der Überholung, 100 auf Hin- und Rückmarsch, 100 im Operationsgebiet) für den Geleitzugkampf gefordert, denn es bestand kein Zweifel, dass das seit 1917 so erfolgreiche Konvoisystem sofort bei Beginn eines zukünftigen Krieges angewendet werden würde. Um dieser Erwartung wirksam zu entsprechen, verfolgte er einen grundlegend neuen Ansatz, der Abschied vom U‑Boot als Einzelfahrer nahm. Die von Dönitz entwickelte »Rudeltaktik« griff die Tirpitzsche Idee der Massierung von kleinen Torpedobooten und deren taktische Führung und Zusammenarbeit wieder auf und übertrug sie auf das U‑Boot. Nach Erstortung des Geleitzuges, Meldung und Fühlunghalten außerhalb der Sichtweite, wurden Gruppen von U‑Booten über Funk an den Konvoi herangeführt, hatten dann nachts aufgetaucht durch die Sicherung zu dringen und soviel Transportraum wie nur möglich mit Torpedos zu versenken. Das damit verbundene Risiko durch das Brechen der Funkstille war in Kauf zu nehmen.
Nachdem der Erfolg dieser Taktik im Frühjahr 1939 in einer Übung in der Biskaya nachgewiesen worden war, bei der 20 U‑Boote einen Geleitzug angriffen, hatte Dönitz auch das Oberkommando der Kriegsmarine überzeugt. Mit Nachdruck forderte der FdU deshalb die Erhöhung der Stückzahlen. Ein Viertel des Umfangs von 300 Booten sollte aus dem für Fernunternehmungen optimierten Typ IX, das Gros aus dem Typ VII bestehen, der nach seiner Auffassung für den atlantischen Geleitzugkampf am besten geeignet war. Diese Boote hatten eine schmale Silhouette, eine mit 17 Knoten relativ hohe Überwassergeschwindigkeit und bei dem erst 1940 zugelaufenen Typ VII C einen auf fast 9.000 Seemeilen erweiterten Fahrbereich.