Erfolge im Ersten Weltkrieg ließen aufhorchen
Die Boote des vor dem Krieg in Auftrag gegebenen U31-Typs und die geringfügig vergrößerten Boote ab U43 sollten jahrelang die Hauptlast des U‑Boot-Krieges tragen, bis ab 1918 speziell für Fernverwendungen gebaute, größere Bootstypen – bis hin zu U‑Kreuzern des U139-Typs mit ca. 2.000 Tonnen – zugeführt werden konnten. Über 800 Boote sollten während des Krieges auf Kiel gelegt werden, davon wurden 380 in Dienst gestellt, wovon sich knapp 300 für den Fronteinsatz eigneten. Durch den Verlauf des Landkrieges zeichnete sich bereits ab Herbst 1914 die Möglichkeit ab, mit kleinen U‑Booten als Torpedo- und Minenträger von Flandern aus gegen England vorzugehen. Bis 1916 wurden 147 dieser durch extrem kurze Bauzeiten gekennzeichneten UB- und UC-Typen abgeliefert. Die kleinsten UB I‑Boote kamen sogar im Mittelmeer und im Schwarzen Meer zum Einsatz, nachdem sie mit der Eisenbahn in Bauteilen nach Pola an der Adria transportiert und dort zusammengefügt worden waren. Die ersten wirklich spektakulären Erfolge konnten die Kapitänleutnante Otto Hersing mit U21 und Otto Weddigen mit U9 erzielen, wofür sie mit dem Orden Pour le Mérite ausgezeichnet wurden. Hersing war am 5. September 1914 der erste U‑Boot-Kommandant der Geschichte, der durch Torpedoschuss ein Schiff versenkte. Ihm fiel vor Schottland ein britischer leichter Kreuzer zum Opfer.
Nur 17 Tage später torpedierte Weddigen mit seinem wenige Jahre nach Indienststellung bereits veralteten Petroleum-U-Boot drei britische Panzerkreuzer vor der holländischen Küste. Innerhalb weniger Minuten versanken mit den Schiffen 1.500 Mann.
Mit einer weiteren erfolgreichen Mission trug sich Hersing in die Geschichtsbücher ein und bewies die Tauglichkeit der Diesel-U-Boote für Fernunternehmungen: Auf türkisches Hilfeersuchen hin setzte der deutsche Admiralstab U21 am 25. April 1915 von Wilhelmshaven aus auf eine 4.000 Seemeilen lange Reise zu den Dardanellen in Marsch. Mit nur einem Zwischenstopp im österreichischen Adriastützpunkt Cattaro stand das Boot einen Monat später vor Gallipoli, wo eine britisch-französische Flotte mit Küstenbeschuss und Landungsoperationen die Dardanellenschlacht unterstützte. Hersing versenkte in zwei Tagen zwei britische Linienschiffe vor den Augen der türkischen Verteidiger und musste aus taktischen Gründen 29 Stunden getaucht bleiben – eine ungeheuere Leistung. Der Landkrieg hatte die Alliierten 250.000 Soldaten gekostet, vier Linienschiffe waren bereits der türkischen Artillerie und Minen zum Opfer gefallen, aber Hersings Torpedos gaben den Ausschlag für den Abbruch der Dardanellenoffensive. Sein Unternehmen erhielt eine strategische Dimension, da Russland von lebensnotwendiger Rüstungshilfe durch das Schwarze Meer abgeschnitten blieb und so der Zusammenbruch des Zarenreichs beschleunigt wurde.
Das neue Seekriegsmittel hatte gleich zu Kriegsbeginn seine Unkalkulierbarkeit und Gefährlichkeit gegen Kriegsschiffe unter Beweis gestellt; nun sollte es auch im Handelskrieg eingesetzt werden. Großbritannien hatte seit 2. November 1914 eine Seeblockade verhängt und die Nordsee zum Kriegsgebiet erklärt. Völkerrechtlich abgedeckt war jedoch nur ein Vorgehen im Einklang mit der auch von Deutschland unterzeichneten Londoner Deklaration von 1909, d.h. nach Prisenordnung, was den U‑Booten die Möglichkeit zum überraschenden Unterwasserangriff gegen Handelsschiffe verbot. Auftauchen, Schiff zum Aufstoppen zwingen, durchsuchen, bei Feststellung von Konterbande Besatzung in die Rettungsboote entlassen, erst dann Waffeneinsatz – für die gesamte Zeit dieser Aktion musste sich die verletzliche Plattform U‑Boot an der Wasseroberfläche exponieren. Die britische Gegenmaßnahme, ab Ende 1914 Handelsschiffe mit verdeckten Artilleriewaf-fen als »U‑Bootfallen« auszurüsten, zielte auf diese Verletzlichkeit, wenn auch mit mäßigem Erfolg. Den »Q‑Ships« fielen nur zwölf U‑Boote zum Opfer.
Als die Wirkung der »Hungerblockade« auf die deutsche Wirtschaft deutlich spürbar wurde, erklärte im Februar 1915 Deutschland die Gewässer um Großbritannien zum Kriegsgebiet, in dem jedes »feindliche Kauffahrteischiff zerstört werden« dürfe. Die Reichsregierung hatte eine völkerrechtliche Grauzone betreten. Die Versenkungserfolge stiegen nur marginal und als U20 am 7. Mai 1915 den Passagierdampfer LUSITANIA mit 1.200 Fahrgästen – darunter viele Amerikaner – vor der irischen Südküste versenkte, war der politische Schaden immens.
Der drohende Kriegseintritt der neutralen Vereinigten Staaten veranlasste den Kaiser schließlich, den U‑Boot-Krieg in den Gewässern um die britischen Inseln vorerst völlig einzustellen. Erst im März 1916 wurde er in verschärfter Form wieder aufgenommen. Selbst neutrale Schiffe durften nun wie feindliche behandelt werden, wenn sie nicht einwandfrei identifizierbar waren. Dennoch hatte eine Versenkung nach wie vor nach Prisenordnung zu erfolgen. Als unter diesem Regime U29 am 26. März den französischen Passagierdampfer SUSSEX versenkte, was wieder amerikanische Opfer forderte und die Gefahr des Kriegseintritts Amerikas heraufbeschwor, wurde der Handelskrieg mit U‑Booten erneut eingestellt. Der wenige Tage zuvor von seinem Amt als Staatssekretär im Reichsmarineamt zurückgetretene Befürworter des uneingeschränkten U‑Boot-Krieges, Großadmiral v. Tirpitz, schrieb: »Die SUSSEX-Note war ein entscheidender Wendepunkt des Kriegs, der Beginn unserer Kapitulation. Alle Welt sah, dass wir vor Amerika niederbrachen.«
Die für gewonnen erklärte Skagerrakschlacht, die gescheiterten Offensiven an den Heeresfronten im Laufe des Jahres 1916 und die Ablehnung des deutschen Friedensangebots durch die Entente im Dezember 1916 ergaben eine Stimmungslage in Deutschland, die den Anhängern des U‑Boot-Krieges und ihrem Einfluss auf den zaudernden Kaiser Auftrieb verliehen. Den U‑Booten – wenn sie denn ihr volles Potenzial auch an den Feind bringen durften – traute man zu, Großbritannien von der Versorgung abzuschnüren und zum Frieden zu zwingen. Wilhelm II. entschied sich am 9. Januar 1917 für die Führung des uneingeschränkten U‑Boot-Krieges ab 1. Februar. Das bedeutete Versenkung ohne Vorwarnung – selbst neutraler Schiffe – in den zu Sperrgebieten erklärten Gewässern um die britischen Inseln, um Frankreich und Italien und im östlichen Mittelmeer.
Kapitänleutnant Lothar v. Arnauld de la Perrière mit U35, der schon 1916 zwischen Malta und Kreta – noch unter Prisenordnung – so herausragend kämpfte, dass er auf seiner erfolgreichsten Feindfahrt 90.000 Bruttoregistertonnen (BRT) versenken konnte, wurde durch diese Maßnahme zum Ass der Asse, zum »Tonnagekönig « unter den U‑Boot-Kommandanten aller Zeiten. 453.000 BRT alliierten Schiffsraums fielen ihm, der im Oktober 1918 mit dem U‑Kreuzer U139 den U‑Boot-Krieg auch an die Küsten Amerikas tragen sollte, zum Opfer. Und sein U35, das nur acht Jahre nach Gründung der U‑Boot-Waffe in Dienst gestellt worden war, ein Boot aus der Serie, deren Ablieferung sich zu Kriegsbeginn auf Grund von Problemen mit den Dieselmotoren verzögert hatte, führt mit 536.000 BRT die Statistik beider Weltkriege an. Der 1941 als Bereichsbefehlshaber Brest bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Vizeadmiral v. Arnauld de la Perrière liegt in unmittelbarer Nähe Scharnhorsts auf dem Invalidenfriedhof in Berlin begraben.