Schlussbemerkung: Einzigartige militärische Optionen für die Politik – zum Guten, wie zum Bösen
Die Stärke des U‑Bootes ist auch nach 100 Jahren noch seine »Unsichtbarkeit «. Heute mehr denn je bedarf es eines großen Aufwands von U‑Boot-Jagdmitteln in allen drei Dimensionen, um allein die Anwesenheit eines U‑Bootes festzustellen – und eines noch größeren Aufwands, um es zu klassifizieren oder gar zu bekämpfen. Zur Jagd auf ein U‑Boot mit derart ausgeprägten »Stealth«-Eigenschaften wie U212 A sind nur eine Handvoll Marinen überhaupt in der Lage – und die zählen zu unseren Verbündeten oder Freunden – eine Situation, wie sie deutsche U‑Boote in beiden Weltkriegen und auch im Kalten Krieg nie erfahren haben. Unsere mit außenluftunabhängigem Antrieb ausgerüsteten »echten Unterseeboote« des 21. Jahrhunderts können den Vorteil der Unsichtbarkeit erheblich besser nutzen, als die in Wahrheit nur über die Qualität von »Tauchbooten« verfügenden Einheiten des letzten Jahrhunderts.
Was Otto Weddigen mit seinen spektakulären Versenkungserfolgen 1914 auslöste, gilt heute in erhöhtem Maße: Wird ein U‑Boot im Operationsgebiet auch nur vermutet, beginnt bereits seine Wirkung. Es verwehrt dem Gegner die ungehinderte Nutzung von Seegebieten und Seeverbindungslinien und ist zu vernichtenden Schlägen gegen seine Überwasser- und U‑Boot-Kräfte fähig.
Das U‑Boot ist ein enormer »Force Multiplier«, weil ein Vielfaches an U‑Boot-Jagd-Plattformen gebunden – oder sogar eine ganze Flotte neutralisiert werden kann. Insbesondere das relativ kleine, außenluftunabhängige U‑Boot mit hoher Kampfkraft und hervorragenden »Stealth«-Eigenschaften wie U212 A kann vor gegnerischen Küsten – in den Littorals – diese Rolle erfolgreich übernehmen, dort wo eigene bzw. verbündete Überwasser-Seekriegsmittel wegen gegnerischer Überlegenheit oder andere U‑Boote wegen ihrer Größe nicht eingesetzt werden können. Darüber hinaus gewinnt für U‑Boote zunehmend die Rolle der verdeckten Aufklärung und Nachrichtengewinnung an Bedeutung. Überwachung und Sicherung von Seeräumen, besonders dann, wenn für Folgeoperationen ein sicheres Umfeld geschaffen werden muss, Beiträge zur Krisenfrüherkennung, Feststellen militärischer und einsatzrelevanter nichtmilitärischer Aktivitäten, Aufklären von Objekten an Küsten und in Häfen – diese Aufgabenliste ließe sich beliebig fortsetzen.
Zieht man die Fähigkeiten deutscher U‑Boote aller Epochen in Betracht, dann lässt sich feststellen, dass diese Plattformen über 100 Jahre auf Grund ihrer herausragenden technischen und operativen Merkmale, vor allem aber durch Professionalität und Moral ihrer Besatzungen auf einzigartige Weise die militärischen Optionen in den Händen der politischen Führung erweiterten – zum Guten, wie zum Bösen. Die meisten unserer Vorgänger auf U‑Booten hatten nicht das Privileg, einem freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat zu dienen – und schon gar nicht der schönsten Sache der Welt nachgehen zu dürfen: U‑Boot- Fahren im Frieden. Das sei den Nachfahren der leidgeprüften und in so großer Zahl in der Tiefe des Meeres ruhenden U‑Boot-Fahrer zweier Weltkriege auch weiterhin gewünscht.
Bildquelle: Wilhelm Bauers und Marineforum