Deutschland — Die Zukunft hat viele Namen — Ansprache des Inspekteurs der Marine bei 50. HiTaTa

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Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

Die Zukun­ft hat viele Namen —
Ansprache des Inspek­teurs der Marine, anlässlich der 50. His­torisch Tak­tis­chen Tagung (HiTa­Ta) in Warnemünde 

von Vizead­mi­ral Wolf­gang E. Nolting 

Marineforum - Vizeadmiral Wolfgang E. Nolting
Vizead­mi­ral Wolf­gang E. Nolt­ing
Bildquelle: Marine­fo­rum

Für jeden Inspek­teur der Marine war es stets eine willkommene Gele­gen­heit, auf Ein­ladung des Befehlshabers der Flotte die jährliche HiTa­Ta mit ein­er Ansprache zu beschließen. Dies im Jubiläum­s­jahr zu kön­nen, empfinde ich als beson­dere Freude. Wir alle kön­nen mit Stolz und Begeis­terung auf die 50. His­torisch Tak­tis­che Tagung zurück­blick­en. Nicht nur die Anwe­sen­heit unseres par­la­men­tarischen Staatssekretärs, Her­rn Thomas Kossendey, hat die beson­dere Bedeu­tung dieser Ver­anstal­tung unter­strichen. Auch die einzi­gar­ti­gen Vorträge, die die Geschichte der Deutschen Mari­nen in ver­schiede­nen Epochen beleuchteten, gaben dieser Jubiläumsver­anstal­tung einen mehr als würdi­gen Anstrich. 

Zudem haben die Gruß­worte und das ein­deutige Beken­nen zu unseren Auf­gaben durch die Repräsen­tan­ten unser­er Heimat­städte unser­er Seele gut getan. Ich bin mir sich­er, dass jed­er von Ihnen auch dieses Mal wieder die Gele­gen­heit hat­te, den einen oder anderen Rees an Back­bord zu halten. 

Für die Aus­rich­tung ein­er aus­ge­sprochen gelun­genen Jubiläumsver­anstal­tung danke ich dem Befehlshaber der Flotte. Wie Sie alle wis­sen, wird es das let­zte Mal sein, dass ich als Ihr Inspek­teur vor diesem Audi­to­ri­um ste­he. Der eine oder andere mag deshalb erwarten, dass ich heute ein erstes per­sön­lich­es Resümee mein­er Dien­stzeit als Inspek­teur der Marine ziehe. 

Doch Vor­sicht: Mahat­ma Gand­hi hat ein­mal gesagt: »Wenn du etwas 2 Jahre lang gemacht hast, betra­chte es sorgfältig! Wenn du etwas 5 Jahre lang gemacht hast, betra­chte es mis­strauisch!« Ich bin ergo noch nicht bei Mis­strauen angekom­men und deshalb ist mir der Blick in die Zukun­ft wichtiger. Das gilt genau­so für derzeit­ige wie für kom­mende Pen­sionäre, stets der mar­iti­men Sache verpflichtet, aber nicht mehr der Pflege des eige­nen Egos zugewandt. 

Mit Recht möcht­en Sie vom Inspek­teur wis­sen, wo die Marine heute ste­ht und wohin uns der anliegende Kurs führen wird. Ich werde Ihnen also meine Posi­tions­bes­tim­mung geben und den »way ahead« der Marine in der gebote­nen und von mir zu ver­ant­wor­tenden Zeitspanne skizzieren. 

Exkurs zum Marine Ehrenmal

Den­noch ges­tat­te ich mir zu Beginn einen kurzen, aber notwendi­gen Exkurs mit Appellcharak­ter. Dies vor allem aus der Erken­nt­nis, dass die HiTa­Ta in all den Jahren stets auch Fra­gen unseres Tra­di­tionsver­ständ­niss­es berührt hat. Eine unser­er Tra­di­tion­slin­ien gilt dem ehren­den Gedenken ver­stor­ben­er oder gefal­l­en­er Kam­er­aden. Wir brauchen den Blick zurück, um unsere Ver­ant­wor­tung für das Geschehene zu erken­nen und daraus Kon­se­quen­zen für unser täglich­es Han­deln zu ziehen. Ver­gan­gen­heit und Zukun­ft sind eng miteinan­der verknüpft. Für uns war und ist das Mari­neehren­mal Laboe ein solch­er Ort der Ver­ant­wor­tung und gedanklich­er Konsequenzen. 

Marineforum - Marine-Ehrenmal in Berlin
Marine-Ehren­mal in Berlin
Bildquelle: Marine­fo­rum

Seit dem 9. Sep­tem­ber 2009 hat die Bun­deswehr ein eigen­ständi­ges Ehren­mal in Berlin. Dies wirft viele Fra­gen auf, auch aus unseren Rei­hen. Der Ehren­präsi­dent des DMB hat seine Gedanken im MARINEFORUM veröf­fentlicht und sein­er Sorge Aus­druck ver­liehen, dass Laboe seinen Platz in der Gedenkkul­tur der Marine ver­liert. Ich denke, diese Sorge sollte unbe­grün­det sein. M.E. ste­ht das Ehren­mal der Bun­deswehr nicht in Konkur­renz zum Marine-Ehren­mal Laboe und auch nicht zu den Ehren­malen der anderen Teil­stre­itkräfte. Es erhebt ger­ade nicht den Anspruch, erster und einziger Ort der öffentlichen Trauer und des Gedenkens zu sein! 

Es ergänzt vielmehr deren Gedenken, ohne im Falle Laboe die gewach­sene Marine-Tra­di­tion zu verän­dern oder gar infrage zu stellen. Im Ergeb­nis soll es im Gegen­teil sog­ar eher dazu beitra­gen, dass das Bewusst­sein für alle anderen Ehren­male und damit auch für unser Marine-Ehren­mal steigt. 

Bei­de Ehren­male sind mit Blick auf ihren unter­schiedlichen Ursprung, ihre Entste­hungs­geschichte und Zweckbes­tim­mung kom­ple­men­tär. Das Ehren­mal der Bun­deswehr schließt eine Lücke in unser­er Erin­nerungskul­tur, ver­drängt aber nicht bewährte Gedenko­rte. Als nationales Zeichen ist der Stan­dort Berlin mit Blick auf die Ver­ant­wor­tung von Regierung und Par­la­ment, aber auch angesichts der gesamt­ge­sellschaftlichen Wirkung, richtig gewählt. In unserem Selb­stver­ständ­nis von Inner­er Führung und unserem par­la­men­tarischen Sys­tem war die Schaf­fung ein­er der­ar­ti­gen Möglichkeit zum ehren­den Gedenken, zur Trauer­ar­beit und zur Mah­nung an die Entschei­der in der Bun­de­shaupt­stadt überfällig. 

Eine Exk­lu­siv­ität bun­de­spoli­tis­chen Gedenkens in Berlin kann daraus aber nicht abgeleit­et wer­den. Vielmehr gilt es, die pos­i­tiv­en Effek­te des Ehren­mals der Bun­deswehr für die Teil­stre­itkräfte nutzbar zu machen und alle Ehren­male entsprechend ihrer jew­eili­gen Zweckbes­tim­mung zu nutzen. 

Jedoch müssen wir Mari­nesol­dat­en uns dafür unser­er Exk­lu­siv­ität des mar­iti­men Umfeldes, der See und sein­er darüber liegen­den Lufträume, immer bewusst bleiben. In diesem Kon­text habe ich im Ein­vernehmen mit den Höheren Kom­man­deuren entsch­ieden, das Ehren­buch der Flotte in ein Ehren­buch der Marine umzuwan­deln. Das Marine-Ehren­mal Laboe müssen wir in unser Herz ein­schließen, aber auch Tat­en fol­gen lassen, wenn es um seine Nutzung und seinen Erhalt geht! 

Soweit mein Exkurs, mein Appell an Sie. 

Posi­tions­bes­tim­mung mit Vorkop­plung

Doch nun zu der ver­sproch­enen Posi­tions­bes­tim­mung. Wie es guter Nav­i­ga­tion entspricht, werde ich auch ein Stück vorkop­peln und den »way ahead« der Marine skizzieren. Vor uns liegen schwierige Auf­gaben. Der finanzielle Rah­men, in dem wir uns bewe­gen, ist seit Jahren eng und wird noch enger. Die Per­son­al­lage span­nt sich weit­er an. Nach der Wahl gilt es jet­zt, eine ganze Rei­he offen­er Enden, die noch verknüpft wer­den wollen, zusammenzubinden. 

Ich beginne mit der Trans­for­ma­tion der Bun­deswehr. Ein Begriff, der wie kein Zweit­er als Argu­ment und Recht­fer­ti­gung her­hal­ten musste. Dabei wurde er oft miss­braucht und auch häu­fig missver­standen – und erscheint vielle­icht schon recht abge­grif­f­en. Zugle­ich aber ein Begriff, der seinem Inhalt nach seine Berech­ti­gung behal­ten wird. Es ist und bleibt richtig, uns laufend­en Anpas­sun­gen zu unterziehen, um den wech­sel­nden Anforderun­gen gerecht zu wer­den. Der Erfolg der Trans­for­ma­tion bemisst sich an der Ein­satzfähigkeit der Stre­itkräfte. Dies muss bei all unserem Tun der ober­ste Maßstab sein. 

Unsere Marine hat sich mit ihrem bish­er eingeschla­ge­nen Kurs eine gute Posi­tion erar­beit­et. Sie hat den stre­itkräftege­mein­samen Ansatz der Bun­deswehr verin­ner­licht. So sind im Sprachge­brauch aus den vor­ma­li­gen »Fähigkeit­en der Marine« die »Mar­iti­men Fähigkeit­en der Bun­deswehr« gewor­den – und das ist weit mehr als Seman­tik. Nach mein­er Überzeu­gung gibt es zum stre­itkräftege­mein­samen Ansatz unser­er Bun­deswehr keine Alter­na­tive. Dieser Weg ist richtig. 

Marineforum -
Bildquelle: dt. Marine

Die Deutsche Marine stellt ihre hohe Ein­satzfähigkeit seit Jahren unter Beweis. Neu ist, dass im Zusam­men­hang mit der Oper­a­tion Ata­lan­ta – wie nie zuvor in der Geschichte der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land – der Nutzen und die Bedeu­tung mar­itimer Fähigkeit­en – und damit die unser­er Marine – auch für eine bre­it­ere Öffentlichkeit deut­lich sicht­bar wer­den. Allerd­ings müssen wir darauf acht­en, nicht auf die Funk­tion von Piraten­jägern reduziert zu werden. 

Die Auf­gaben der Marine sind umfassender. Mar­itime Sicher­heitsvor­sorge geht über die Sicherung von See­verbindungslin­ien und der natür­lichen Ressourcen der See hin­aus. Eine wichtige Auf­gabe auf und über See ist und bleibt die Kon­flik­t­präven­tion sowie die Krisen­be­wäl­ti­gung vor Ort. Der Export von Risiken und Gefahren nach Europa muss ver­hin­dert wer­den. Gle­ich­es gilt für human­itäre Hil­f­sop­er­a­tio­nen, die sowohl poli­tis­ches Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein als auch hohes zwis­chen­staatlich­es Engage­ment demonstrieren. 

Ich will hier keine Eulen nach Athen tra­gen – Sie alle ken­nen das Spek­trum von Auf­gaben und Aufträ­gen der Marine. Sie wis­sen, welche Fähigkeit­en wir erhal­ten oder auf­bauen müssen, um diesen Auf­gaben nachzukom­men. Ich bin in diesem Zusam­men­hang sehr zufrieden, dass Ata­lan­ta im let­zten Jahr viele unser­er Argu­mente sicht­bar dargestellt hat und dadurch die Rel­e­vanzde­bat­te aus dem Fokus gerückt wurde. Im Gegen­teil, es ste­ht sog­ar im Raume, dass wir noch weit­ere Auf­gaben über­tra­gen bekom­men. Ich nenne nur das Stich­wort »Geisel­be­freiung in See«, wenn denn die Vere­in­barkeit mit unserem Grundge­setz gek­lärt ist. 

Es ist noch nicht lange her, dass in der Öffentlichkeit die Frage gestellt wurde, ob eine Marine notwendig ist. Heute gilt es nur noch zu klären, wie eine Marine ausse­hen soll. Die mil­itär­poli­tis­che Bedeu­tung der weltweit­en Ein­sätze der Marine ist heute unum­strit­ten. Der Wert unser­er Ein­satz­beteili­gung wird über Ata­lan­ta hin­aus hoch eingeschätzt. 

Wir unter­stre­ichen unsere Bünd­nis­sol­i­dar­ität

Dies wird am Beispiel UNIFIL sehr deut­lich. Sowohl von libane­sis­ch­er wie auch israelis­ch­er Seite beste­ht der aus­drück­liche Wun­sch nach ein­er weit­eren sig­nifikan­ten Beteili­gung Deutsch­lands. Darüber hin­aus darf jedoch auch unsere bilat­erale Aus­bil­dung­sun­ter­stützung für den Libanon nicht vergessen wer­den. Es muss unser Ziel bleiben, den Libanon zur sou­verä­nen Wahrnehmung sein­er hoheitlichen Verpflich­tun­gen zu befähi­gen. Je früher, desto besser. 

Mit unser­er Beteili­gung an OAE und OEF unter­stre­ichen wir unsere Bünd­nis­sol­i­dar­ität. Umfang und Form der Beteili­gung an diesen Ein­sätzen kön­nen sich zwar dur­chaus ändern, ihre mil­itär­poli­tis­che Bedeu­tung bleibt jedoch nach wie vor hoch. 

Lassen sie mich noch ein Wort zu den SNMGs (Stand­ing NATO Mar­itime Group) ver­lieren: Wir wer­den vor­erst nur noch eine Ein­heit in die jew­eilig nicht am Horn von Afri­ka operierende SNMG entsenden. Die Entschei­dung der NATO, den Ein­satz »Ocean Shield« man­gels ander­er Kräfte über die SNMG zu ali­men­tieren, wird von deutsch­er Seite nicht mit­ge­tra­gen. Es wider­spricht unserem Ver­ständ­nis der SNMGs als mar­iti­men Anteil der NRF (NATO Reac­tion Force) und als wesentliche Säule für die Aufrechter­hal­tung der Exper­tise in den klas­sis­chen War­fare-Areas. Diese Fähigkeit­en benöti­gen wir, sie gilt es aufrecht zu erhalten. 

Mar­itimes Jahrhun­dert mit steigen­der Bedeu­tung

Ich sagte es bere­its: Die Rel­e­vanzde­bat­te über den Sinn ein­er Marine stellt sich nicht mehr. Vielmehr ist das 21. Jahrhun­dert ein mar­itimes Jahrhun­dert mit steigen­der Bedeu­tung. Glob­al­isierung und tech­nis­ch­er Fortschritt sind ein­er­seits Motor unser­er Wohlfahrt, ander­er­seits haben sie auch unlieb­same Kehr­seit­en, wenn krim­inelle Energien die Ober­hand gewin­nen. Die mar­itime Dimen­sion unser­er Sicher­heit ist und bleibt das Pro­dukt aus gesichertem Zugang zu Ressourcen, freien Seewe­gen und ein­er funk­tion­ieren­den mar­iti­men Infra­struk­tur. Da jedes Pro­dukt bere­its an einem Null­fak­tor scheit­ert, gilt es, jeden dieser Fak­toren schützen und gegebe­nen­falls durch­set­zen zu können. 

Marineforum - Befehlshaber der Flotte, Staatssekretär Kossendey und der Inspekteur der Marine
Befehlshaber der Flotte, Staatssekretär Kossendey und der Inspek­teur der Marine
Bildquelle: Marine­fo­rum

»Nicht mehr das Land, son­dern das Meer bes­timmt die Koor­di­nat­en der zukün­fti­gen Wel­tord­nung« sagt Sts. Kossendey und er fährt fort: »Welt­macht ist mehr als je zuvor See­han­dels­macht – ein­schließlich der Bere­itschaft diese zu verteidigen«. 

Neben der aktuellen Sit­u­a­tion in den Ein­sätzen kommt hinzu, dass die Marine ihre Hausauf­gaben hin­sichtlich ein­er kon­se­quenten Ein­satzaus­rich­tung frühzeit­ig und gut gemacht hat – auch in struk­tureller Hin­sicht. Mit Anerken­nung und Respekt wurde in den Bere­ichen außer­halb der Marine die Neuaus­rich­tung der Flotte in zwei Ein­satzflot­tillen, das Vorhal­ten dreier Ein­satzstäbe sowie die Umstruk­turierung des AZS (Aus­bil­dungszen­trum Schiff­s­sicherung) im Marineamts­bere­ich zu einem EAZS (Ein­satz Aus­bil­dungszen­trum Schiff­s­sicherung) wahrgenommen. 

Das gilt übri­gens auch und ger­ade für die Leitungsebene des Vertei­di­gungsmin­is­teri­ums. Wir sehen uns deshalb in diesen Struk­turentschei­dun­gen bestätigt. Die bei­den Ein­satzflot­tillen, das Flot­tenkom­man­do und das Marineamt sind heute die Kom­pe­ten­zträger mar­itimer Ein­satz­for­men der Bun­deswehr und stellen dies kon­tinuier­lich unter Beweis. Gle­ichzeit­ig ist diese Struk­tur aber sehr schlank und mit nur gerin­gen Redun­danzen aus­gelegt. Das bedeutet, dass wir für lang anhal­tende Oper­a­tio­nen nur eine begren­zte Durch­hal­te­fähigkeit besitzen. 

Wir laufen Gefahr, aus der Sub­stanz zu leben

Dies führt mich zum zweit­en Aspekt meines kurzen Resümees, dem Personal. 

Unsere Ein­heit­en unter­liegen unverän­dert einem hohen Oper­a­tionstem­po. Es ist unseren Sol­datin­nen und Sol­dat­en zu ver­danken, dass wir dieses über viele Jahre aufrecht erhal­ten kon­nten. Auf die Dauer laufen wir jedoch Gefahr, aus der Sub­stanz zu leben. Die hohe Abwe­sen­heit wird mehr und mehr zum The­ma – sowohl für unsere heute dienen­den Sol­datin­nen und Sol­dat­en, wie auch im Wet­tbe­werb um Tal­ente, also für die Marineange­höri­gen von mor­gen. Das Stich­wort lautet hier Demografie. 

Die Ein­satz­beteili­gung der Marine ist unter Berück­sich­ti­gung des Stre­itkräftepro­porzes bisweilen dop­pelt so hoch wie bei den anderen Teil­stre­itkräften. Abwe­sen­heit umfasst bei der Marine eben nicht nur man­datierte Ein­sätze, son­dern generell JÜEP (Jahresübungs- und Erhal­tungs­plan) Vorhaben incl. Werftliegezeit­en abseits des Heimat­stützpunk­tes. 240 Abwe­sen­heit­stage pro Jahr sind für unser Per­son­al keine Sel­tenheit. Um Fam­i­lie und Beruf zu vere­in­baren, ist neben ein­er Reduzierung der absoluten Belas­tung mehr Pla­nungsver­lässlichkeit erforderlich. 

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Das Konzept der Per­son­alergänzung hat diese Prob­leme min­dern, keines­falls jedoch voll­ständig lösen kön­nen. Wir leben in ein­er Gesellschaft, in der die nutzbare Freizeit ein bes­tim­mender Fak­tor ist – Stich­wort: »work­life-bal­ance«. Man darf daher nicht so tun, als kön­nten wir auf diese Erwartun­gen ohne erhe­blichen Mehraufwand angemessen reagieren. Wer zu uns kommt und bei uns ist, zeigt eine grund­sät­zlich hohe Bere­itschaft, größere Abstriche von sein­er indi­vidu­ellen Leben­squal­ität zu machen. Diese Bere­itschaft ist aber nicht unendlich. 

Gegen­wär­tig wird ein sig­nifikan­ter Rück­gang der Per­son­al­gewin­nung in Verbindung mit einem Attrak­tiv­itätsver­lust der Marine beobachtet. Es wird zu über­legen sein, wie u.a. die JÜEP-Steuerung anzu­passen ist. Weit­er­hin entwick­eln wir tragfähige Konzepte für attrak­tive Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen, die die aktuellen gesellschaftlichen Entwick­lun­gen berücksichtigen. 

In diesem Zusam­men­hang betra­chte ich zugle­ich den Ver­lauf der öffentlichen Debat­te um das Bom­barde­ment im Kun­duz und den Umgang mit Oberst Klein mit Sorge. Denn vor dem Hin­ter­grund der Anforderun­gen des Dien­stes und der hohen Ver­ant­wor­tung, die Sie als Sol­dat­en tra­gen, ist es dur­chaus von Bedeu­tung, dass Sie nicht nur das vom Bun­de­spräsi­den­ten skizzierte wohlwol­lende Desin­ter­esse, son­dern vor allem Rück­halt und Hand­lungssicher­heit aus Poli­tik, Gesellschaft und Kirche erfahren. Der Unter­suchungsauss­chuss des Deutschen Bun­destages birgt die große Gefahr der endgülti­gen Polar­isierung in sich und wird die Attrak­tiv­ität unseres Berufs­bildes kaum mehren. 

Abwe­sen­heit­en zu min­imieren war auch ein wesentlich­er Beweg­grund für die Ein­führung der »Stützpunk­t­na­hen Ein­satzaus­bil­dung der Marine (SEAM)«. Nach Fer­tig­stel­lung des Konzeptes wur­den im Jahr 2009 umfan­gre­iche Arbeit­en zur Bedarf­ser­mit­tlung bezüglich Infra­struk­tur, Per­son­al und Aus­bil­dungs­ma­te­r­i­al sowie zu sein­er Umset­zung und Aus­gestal­tung durchge­führt. Diese Arbeit­en gilt es fortzuset­zen, um ein­er­seits die für SEAM benötigten Ressourcen ver­füg­bar zu machen und ander­er­seits das heute schon Mach­bare auch zügig in die Prax­is umzuset­zen. Die Real­isierung dieses Konzeptes wird eine der wichtig­sten Änderun­gen der Aus­bil­dungs­land­schaft der Marine in den kom­menden Jahren darstellen – aber: Sie wird nicht zum Null­tarif zu erhal­ten sein! 

Im Zusam­men­hang mit ein­er Inno­va­tion der Aus­bil­dung wird auch der Ruf nach ein­er verän­derten Offizier­saus­bil­dung lauter. Das drin­gend benötigte Per­son­al muss schneller für die Flotte ver­füg­bar gemacht wer­den. Ziel ist eine stärkere Konzen­tra­tion der Aus­bil­dung auf die Qual­i­fika­tio­nen, die auf den unmit­tel­bar nach­fol­gen­den Dien­st­posten benötigt wer­den. Dazu ist die Erstaus­bil­dung nach dem Studi­um zu straf­fen. Frei wer­dende Aus­bil­dungsres­sourcen sind ver­mehrt in gezielte, hochw­er­tige Aus­bil­dun­gen in ein­er späteren Phase der Lauf­bahn eines Offiziers zu re-investieren. Eine Umset­zung der neu geord­neten Offizier­aus­bil­dung ist für 2011 geplant. Früh­estens für 2012 ist eine neu konzip­ierte fach­liche Fol­geaus­bil­dung anvisiert, die möglicher­weise den bish­eri­gen B‑Lehrgang mod­i­fiziert oder ersetzt. 

Mit Blick auf die über­pro­por­tionale Ein­satz­beteili­gung der Marine lohnt es sich meines Eracht­ens auch, stre­itkräftege­mein­sam über eine Verän­derung – sprich Erweiterung – des Dien­st­postenum­fangs der Marine nachzu­denken. Die vor uns liegen­den Verän­derun­gen, die mit der Arbeit der Struk­turkom­mis­sion voraus­sichtlich auf die Bun­deswehr zukom­men, eröff­nen die Chance, diesen »Review« erneut zu thematisieren. 

Es sind aber nicht allein die Besatzun­gen der Schiffe und Boote, nicht allein die Marine­flieger und auch nicht unsere bewährten Spezial- und spezial­isierten Kräfte, die eine zunehmende Belas­tung tra­gen. Dies gilt auch für die Ange­höri­gen der Aus­bil­dung­sein­rich­tun­gen, die im Rah­men von Aus­bil­dung­sun­ter­stützung immer mehr gefordert wer­den – sei es im Rah­men von Rüs­tung­sex­por­tun­ter­stützung oder auch im Zusam­men­hang mit Sta­bil­isierung­sein­sätzen. Ich denke hier beispiel­sweise an die zuvor erwäh­nte Aus­bil­dung­sun­ter­stützung für den Libanon. 

Den gegen­wär­ti­gen Spa­gat zwis­chen der Deck­ung des orig­inären Aus­bil­dungs­be­darfs der Marine und extern aufer­legter Aus­bil­dungsaufträge wer­den wir nicht mehr lange durch­hal­ten kön­nen. Es kommt daher auch hier darauf an, den als notwendig und sin­nvoll erachteten Auf­gaben auch Ressourcen zuzuweisen und dabei auch die wirtschaftlichen Nutznießer dieser Leis­tun­gen – also die Rüs­tungsin­dus­trie – angemessen in die Pflicht zu nehmen. Die kon­se­quente Ein­sat­zori­en­tierung der Marine muss sich auch in der Weit­er­en­twick­lung und Beschaf­fung des erforder­lichen Mate­ri­als sowie geeigneter Infra­struk­tur man­i­festieren. Damit komme ich zu meinem drit­ten Aspekt. 

Finanzrah­men und Bun­deswehrplan als bes­tim­mende Fak­toren für eine zukun­ft­sori­en­tierte Weit­er­en­twick­lung

Während der Arbeit­en am Entwurf des BwPlanes 2011 wurde schnell deut­lich, dass der Bedarf aller Aus­gaben­bere­iche – auf­grund der finanz­planer­ischen Sit­u­a­tion – nicht mehr vol­lum­fänglich gedeckt wer­den kann. 

Um den laufend­en Betrieb nicht akut zu gefährden, musste der Aus­gaben­bere­ich MatEr­halt (Mate­r­i­al-Erhal­tung) der Stre­itkräfte ins­ge­samt zulas­ten der mil­itärischen Beschaf­fungsvorhaben gestärkt wer­den. Gle­ich­wohl beste­ht im Bere­ich Mate­ri­aler­hal­tung in 2010 eine deut­liche Lücke zwis­chen logis­tis­chem Bedarf und finanzieller Ausstat­tung. Für die Marine­fliegergeschwad­er mussten deshalb Flugstun­de­nober­gren­zen vorgegeben wer­den, die deut­lich unter den oper­a­tiv­en Forderun­gen liegen. 

Um die Schere zwis­chen ver­füg­baren Haushaltsmit­teln und erforder­lichem Leis­tungs­be­darf zu schließen, wird es erforder­lich, diverse plan­mäßige Mate­ri­aler­hal­tungsvorhaben von 2010 nach 2011 zu schieben. Für die Weit­er­en­twick­lung der Marine bedeuten die Finanzvor­gaben die vor­läu­fige planer­ische Nichtab­bil­dung der Korvet­ten K 131 und des Pro­jek­tes »Joint Sup­port Ship« – obwohl der grund­sät­zliche Bedarf an diesen Ein­heit­en, über die Marine hin­aus, als unstrit­tig gese­hen wird. 

Absicht des Fü S ist es, diese Vorhaben zumin­d­est im Text­teil des BwPlanes 2011 zu doku­men­tieren. Dies hil­ft uns, über­haupt an den Pro­jek­ten weit­er zu arbeit­en. Eine Real­isierung ist damit jedoch zunächst weit­er in die Ferne gerückt. Erfreulich hinge­gen ist, dass andere Vorhaben – entsprechend ihrer aktuellen Pro­jek­t­stände – abge­bildet sind und ein­er Real­isierung damit soweit nichts ent­ge­gen­ste­ht. Lassen Sie mich ein paar pos­i­tive wie neg­a­tive Beispiele geben: 

  • Marine­hub­schrauber:
    Ins­beson­dere bei der Beschaf­fung eines neuen Marine­hub­schraubers sehe ich eine pos­i­tive Entwick­lung Behar­rlichkeit zahlt sich eben doch aus. Es ist gelun­gen, einen stre­itkräftege­mein­sam abges­timmten Forderungskat­a­log zu entwick­eln. Zudem dür­fen bei der Plat­tfor­mauswahl die von uns fest­gelegten oper­a­tiv­en Min­dest­forderun­gen nicht unter­schrit­ten wer­den. Euro­copter und Siko­rs­ki wur­den hier­nach zu einem konkreten Ange­bot aufge­fordert. Ziel ist es, noch in 2010 einen den heuti­gen und kün­fti­gen Anforderun­gen der Deutschen Marine entsprechen­den Hub­schrauber auszuwählen und unter Ver­trag zu nehmen.

  • F 125:
    Nach anfänglichen Schwierigkeit­en im Pro­jekt F 125 sind in 2009 sowohl auf Auf­trag­nehmer­seite als auch im Bere­ich des öffentlichen Auf­tragge­bers organ­isatorische Maß­nah­men ergrif­f­en wor­den, die den weit­eren Pro­jek­tablauf vere­in­fachen sollen. Wir haben hier wieder zum dial­o­gis­chen Prinzip zwis­chen Indus­trie, dem BWB und der Marine zurück­ge­fun­den. Dies sollte generell der »Way ahead« zukün­ftiger Rüs­tung­spro­jek­te sein.

  • K 130:
    Kom­men wir zur K 130. Vor nahezu einem Jahr wur­den die Getriebeprob­leme der Korvet­ten bekan­nt. Bish­er wurde jedoch keine tragfähige Lösung zur Behe­bung der Prob­lematik gefun­den. Die Gesamt­si­t­u­a­tion bei den Korvet­ten K 130 ist euphemistisch »kom­plex«. Derzeit suchen wir gemein­sam mit der Haupt­abteilung Rüs­tung nach einem Ausweg. Es gibt daher lei­der noch keinen genauen Zeit­plan, wann die Ein­heit­en wieder ihren Fahrbe­trieb aufnehmen und damit auch andere Ein­heit­en ent­las­ten kön­nen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Ver­ant­wortlichen mit Hochdruck nach Lösun­gen suchen. Gle­ich­wohl ist die Sit­u­a­tion besorgnis­er­re­gend. Ich schließe nicht aus, dass der Rück­tritt vom Gesamtver­trag erwogen wer­den sollte.

Wir soll­ten uns keinen Illu­sio­nen hingeben. Der finanzielle Spiel­raum wird nicht größer, son­dern klein­er. Reser­ven für »Unvorherge­se­henes« oder »Zusät­zlich­es« sind nicht vorhan­den. Dies erfordert let­ztlich auch Selb­st­diszi­plin von jedem von uns. Auch der Verteilungskampf wird sich ver­schär­fen. Und alle an diesem Kampf Beteiligten haben gute Argu­mente für die eigene Sache. Daher müssen wir uns in bewährter Tra­di­tion der BdL (Beurteilung der Lage) in den Gesamtzusam­men­hang des Auf­trags der Bun­deswehr einordnen. 

Mit den bei­den in der ZVM (Zielvorstel­lun­gen Marine) hergeleit­eten Prinzip­i­en »Project« und »Pro­tect« sind wir für die durch den Min­is­ter angekündigte, noch deut­lichere Aus­rich­tung der Bun­deswehr auf Ein­sätze im näch­sten Jahr gut aufgestellt. 

Damit komme ich zurück zum ersten Aspekt mein­er Rede – die Trans­for­ma­tion. Es wird entschei­dend sein, den Fähigkeits­gewinn für die Bun­deswehr ins­ge­samt durch unsere Pro­jek­te überzeu­gend her­auszustellen. Nur so kön­nen wir unsere Vorhaben mit gewiss­er Erfol­gsaus­sicht gegen die harte Konkur­renz posi­tion­ieren. Dies im Sinne des irischen Dra­matik­ers und Satirik­ers George Bern­hard Shaw (1856–1950), der emp­fiehlt: »Ver­suche das zu bekom­men was du lieb­st, son­st bist du gezwun­gen, das zu lieben, was du hast.« 

Umbrüche und neue Auf­gaben

Ich komme zum vierten und let­zten Aspekt: Meine Erwartun­gen an die neue Leg­is­laturpe­ri­ode, die mit ihr ver­bun­de­nen Umbrüche und die Auf­gaben, die sich uns stellen. 

Ich will eines vor­weg stellen: Lei­der habe ich keine Kristal­lkugel. Vieles, was da kom­men mag, ist offen. Gesichert ist noch wenig. In der einen oder anderen Frage mögen sich Ten­den­zen abze­ich­nen – wie sich Änderun­gen und Anpas­sun­gen konkret und in welch­er Zeit­tak­tung vol­lziehen wer­den, lässt sich jedoch noch nicht abse­hen. Aber, um es mit unserem Alt­bun­deskan­zler Willy Brandt zu sagen: »Der beste Weg die Zukun­ft vorauszusagen, ist sie zu gestal­ten«. Lassen Sie mich daher einige Worte zur Struk­turkom­mis­sion sagen. Es wird keinen Neuan­fang der Bun­deswehr im Sinne ein­er völ­lig neuen Struk­tur geben. 

Wie sehen die Vor­gaben aus? Der Umfang von 250.000 Sol­dat­en und 75.000 zivilen Mitar­beit­ern soll grund­sät­zlich erhal­ten bleiben. Die Stre­itkräfte müssen in ihrem Gefüge opti­miert wer­den, dies mit beson­derem Blick auf eine Steigerung der Ein­satzfähigkeit. Ins­beson­dere geht es darum, die Dien­st­grad­grup­pen zu stärken, die Haupt­träger der Ein­sätze sind, näm­lich die Besol­dungsstufen A5 bis A15

Hierzu wird jed­er Org-Bere­ich zunächst eine Defiz­it­analyse unter Beteili­gung des nach­ge­ord­neten Bere­ichs durch­führen. Dieser Prozess soll bere­its gegen Ende dieses Quar­tals abgeschlossen sein. Die zusam­menge­tra­ge­nen Ergeb­nisse wer­den dann in einem iter­a­tiv­en Prozess durch eine interne bzw. externe Kom­mis­sion bew­ertet und aus ihnen Lösungsvorschläge entwick­elt. Zum Ende des Jahres wird dann der Bun­desvertei­di­gungsmin­is­ter über die Ergeb­nisse und somit die Neuaus­rich­tung der Bun­deswehr entscheiden. 

Es zeich­net sich ab, dass ins­beson­dere die Struk­tur von Führungskom­man­dos und Ämtern in der Bun­deswehr ein­er Über­prü­fung unter­zo­gen wird. Alle Org­Bere­iche ver­fü­gen über Führungskom­man­dos und Ämter. Hinzu kom­men die Führungskom­man­dos der SKB: das Ein­satzführungskom­man­do und das Kom­man­do Oper­a­tive Führung Ein­greifkräfte. Es liegt auf der Hand, den Umfang dieser Kom­man­dos zu durch­leucht­en. Syn­ergieef­fek­te müssen iden­ti­fiziert wer­den und Opti­mierungsmöglichkeit­en sind kon­se­quent zu erarbeiten. 

Was für die Führungskom­man­dos gilt, trifft in gle­ich­er Weise auch für die Ämter zu. In diesem Zusam­men­hang kann ich, ohne in frem­den Gewässern zu fis­chen, fest­stellen, dass die Marine ihre Hausauf­gaben gemacht hat: 

  • Das Flot­tenkom­man­do (Flot­tenK­do) führt tat­säch­lich – im täglichen Grund­be­trieb wie auch in den ein­satz­gle­ichen Verpflich­tun­gen von NATO Reac­tion Force (NRF).

  • Die Flotte spielt eine anerkan­nte Rolle als Sub­ma­rine Oper­at­ing Author­i­ty (Sub-OpAuth).

  • Das Flot­tenK­do nimmt mit dem SAR-Dienst hoheitliche Auf­gaben im Grund-betrieb wahr, es ist nation­al und multi­na­tion­al in das Net­zw­erk mar­itimer Sicher­heit einge­bun­den und entwick­elt sich zu einem wichti­gen Knoten­punkt in den vielfälti­gen Verknüp­fun­gen der beteiligten Stellen und Behör­den und – es ist als EU MCC (Euro­pean Union Mar­itime Com­po­nent Com­mand (EU-Marine-Haup­tquarti­er) in die Führungsstruk­tur der EU integriert.

  • Im Marineamt hat man in den ver­gan­genen Jahren alle Opti­mierungsmöglichkeit­en stre­itkräftege­mein­samer Zusam­men­fas­sung bere­its aus­geschöpft – z.B. im Bere­ich der Schulen.

Wir haben damit bere­its jet­zt einen Opti­mierungs­grad erre­icht, auf den wir dur­chaus stolz sein kön­nen. Dies lässt uns aber nur noch wenig Spiel­raum für weit­ere Kürzungen. 

Die Umgestal­tung der Wehrpflicht zu W6 wird zwangsläu­fig Verän­derun­gen nach sich ziehen. Glauben sie mir, ich habe keine Freuden­sprünge gemacht, als ich von der Verkürzung der Wehrpflicht erfuhr. Doch alles Lamen­tieren hil­ft nichts. Jet­zt gilt es, diese Her­aus­forderung anzunehmen, die Rah­menbe­din­gun­gen so gut es geht auszugestal­ten und zu unserem Vorteil zu nutzen. Vor­be­haltlich weit­er­er Prü­fun­gen – der min­is­terielle Abstim­mung­sprozess ist noch nicht abgeschlossen – ist die Posi­tion der Marine wie folgt: 

  • Die 3‑monatige All­ge­meine Grun­daus­bil­dung soll erhal­ten bleiben,

  • Wehr­di­en­stleis­tende (WDL) sollen vorzugsweise in der Nähe der Flotte einge­set­zt wer­den, Stich­wort Attrak­tiv­ität und schließlich sollen

  • Par­al­lel­struk­turen nur für WDL ver­mieden werden.

Verän­derun­gen wer­den aber nicht nur auf die Truppe, son­dern sicher­lich auch auf das Min­is­teri­um selb­st zukom­men. Die Stim­men, die von einem voll­ständi­gen Umzug des BMVg von Bonn nach Berlin sprechen, wollen nicht ver­s­tum­men. Jed­er kann sich die Vor- und Nachteile eines solchen Umzuges selb­st ausrechnen. 

Über diese Frage der Dis­lozierung hin­aus gibt es Über­legun­gen hin­sichtlich der Struk­tur des Min­is­teri­ums. Bis­lang beschränken sich diese Über­legun­gen eben­falls auf eine erste Lage­bilder­stel­lung. Wie weit reichend eine Reor­gan­i­sa­tion ausse­hen kön­nte, lässt sich heute noch nicht prog­nos­tizieren. Ich kann allerd­ings sagen, dass zurzeit keine Ten­den­zen beste­hen, die Inspek­teure als min­is­terielle Instanz abzuschaf­fen. Wohl gibt es aber Über­legun­gen, die Führungsstäbe zu verklein­ern und sorgfältig zu prüfen, welche Auf­gaben wirk­lich min­is­terieller Art sind und welche bess­er im nach­ge­ord­neten Bere­ich ange­siedelt sein könnten. 

Stre­itkräftege­mein­sames Denken und Han­deln schließt das Bewahren der eige­nen Iden­tität nicht aus

Und inständig hoffe ich, dass es auch gelingt, generell Ver­ant­wortlichkeit­en wieder ein­deutig zuzuord­nen und die vie­len »Flucht­bur­gen« wie Pro­jek­t­grup­pen, Prozess­grup­pen usw. einzudäm­men. Auch dies schafft let­z­tendlich eine bessere Berufszufriedenheit. 

Über diese Anmerkun­gen hin­aus werde ich mich nicht an weit­eren Speku­la­tio­nen beteili­gen. Wir wer­den unsere Posi­tio­nen ein­brin­gen, wenn es soweit ist. Sie dür­fen auch sich­er sein, dass wir uns auf die Fra­gen, die in diesem Kon­text gestellt wer­den kön­nten, gut vorbereiten. 

Konzep­tionell wer­den wir weit­er daran arbeit­en, unsere Fähigkeit­en har­monisch in das Konz­ert der Teil­stre­itkräfte einzu­binden. Richtschnur bleibt dabei die kon­se­quente Ein­bindung in die Trans­for­ma­tion der Bun­deswehr, die strik­te Ori­en­tierung an den Ein­sätzen und die kon­tinuier­liche Anpas­sung an die Einsatzerfordernisse. 

Unab­hängig von den Ergeb­nis­sen der Struk­turkom­mis­sion wer­den die Ein­satzan­forderun­gen aus Regierung und Par­la­ment nicht weniger wer­den. Die Poli­tik hat die Möglichkeit­en mar­itimer Fähigkeit­en als sicher­heit­spoli­tis­ches Instru­ment ent­deckt und set­zt diese auch ein. Genau darin begrün­det sich die Rel­e­vanz der Marine als dem mar­iti­men Fähigkeit­sträger der Bun­deswehr. Angesichts der Belas­tung der Frauen und Män­ner der Marine wird es deshalb darum gehen, mit einem sehr spitzen Bleis­tift zu prüfen, welche Vorhaben wir neben den Ein­satzverpflich­tun­gen noch wahrnehmen wollen und können. 

Zugle­ich müssen wir darauf hin­wirken, das Wichtige und Notwendi­ge zu bewahren, Bewährtes zu sich­ern – gegebe­nen­falls zu verbessern – und: Har­mon­isierung um der Har­mon­isierung willen zu ver­mei­den. Kon­for­mität mag in der Gesellschaft und bei eini­gen Poli­tik­ern heutzu­tage Kon­junk­tur haben, für uns ist es von Nachteil! Stre­itkräftege­mein­sames Denken und Han­deln schließt das Bewahren der eige­nen Iden­tität nach mein­er Auf­fas­sung nicht aus, son­dern macht es sog­ar notwendig. 

Wir wer­den bei unseren Bemühun­gen auch Rückschläge erleben. Wir brauchen einen lan­gen Atem, denn für alle berechtigten Forderun­gen aller Org­Bere­iche reichen die Mit­tel nicht aus. Die aktuelle Sit­u­a­tion bietet uns jedoch die große Chance, unsere The­men ver­ständlich an den Mann zu brin­gen. Sel­ten haben unsere Vor­leis­tun­gen soviel Anerken­nung gefun­den. Und das stimmt mich als Inspek­teur zuver­sichtlich, auch wenn noch eine gehörige Por­tion Arbeit vor uns, bzw. Ihnen liegt. 

Lassen Sie mich angesichts der vie­len offe­nen Fra­gen hin­sichtlich der Zukun­ft unser­er Marine mit den Worten des franzö­sis­chen Schrift­stellers Vic­tor Hugo (1802–1885) schließen: »Die Zukun­ft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerr­e­ich­bare. Für die Furcht­samen ist sie das Unbekan­nte. Für die Tapfer­en ist sie die Chance.« 

Mari­nesol­dat­en waren, sind und wer­den auch zukün­ftig tapfer sein und dort tatkräftig mit anfassen, wo es nötig ist. Darauf kon­nte sich die Marine­führung stets ver­lassen. Ich wün­sche uns allen eine gute, lohnende Zukun­ft, viel Erfolg bei den Vorhaben in 2010 und immer die sprich­wörtliche Hand­bre­it Wass­er unter dem Kiel. 

Team GlobDef

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