Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Meine Herren Admirale, meine Damen und Herren, Kameradinnen und Kameraden, die diesjährige HiTaTa hat als Generalthema die »Interkulturellen Aspekte des Dienstes und Einsatzes deutscher Marinen im Ausland«. Die Thematik mag in der Geschichte der HiTaTa auf den ersten Blick eher ungewöhnlich erscheinen. Doch angesichts der Einsatzwirklichkeit der Deutschen Marine in den vergangenen zwanzig Jahren birgt diese eher soziologisch anmutende Themenwahl für uns Relevanz und Aktualität.
Marine Vizeadmiral Axel Schimpf Click to enlarge |
In diesem Zusammenhang denke ich, dass wir noch mehr über die Anforderungen, Verhaltensmuster und die Aufgaben der Menschen nachdenken sollten. Denn, bei aller Auftragserfüllung und Funktionalität im Einsatz und im internationalen Wirken der Bundeswehr, sind es die Menschen in den deutschen Streitkräften, die die Aufgaben meistern.
Zunehmende Einsatzorientierung bedeutet zugleich zunehmende Internationalität. Erfahrungen mit anderen Kulturen, Lebensweisen, aber auch technische Innovationen, neue Optionen im Bereich der Kommunikation und so genannte Schöpfungen neuer Lebenswelten verändern die Verhaltensweisen von Menschen. Oft gut überlegte, gut gemeinte Reformprozesse erfüllen sich nicht gemäß des dahinter stehenden Konzeptes, weil sie den »Faktor Mensch« nicht hinreichend berücksichtigen. Ich sehe, hier haben wir ein weites Feld, welches noch nicht in Gänze bestellt ist.
Ich danke dem Stellvertreter des Befehlshabers der Flotte und allen, die zum guten Gelingen der diesjährigen HiTaTa beigetragen haben – den Mentoren, Planern und Organisatoren, die vor und hinter den Kulissen gewirkt haben.
Dank, besondere Anerkennung und auch Respekt gebühren aber zu aller erst den Vortragenden. Sie alle haben sich mit großem persönlichem Einsatz neben ihren dienstlichen und privaten Belangen sehr überzeugend mit der Materie auseinandergesetzt und sie für uns aufbereitet. Und das neben ihren fordernden dienstlichen Aufgaben! An die Referenten gerichtet sage ich: großartig und vorbildlich!
Mit Blick auf die kommende HiTaTa hat der Stellvertreter des Befehlshabers es bereits in seinen Ausführungen angemerkt: Über die Zukunft der HiTaTa haben wir im Spitzengespräch der Marine entschieden. Sie bleibt uns selbstverständlich erhalten! – Nicht mehr als Veranstaltung der Flotte für die Marine, sondern als Veranstaltung aus der Marine für die Marine! – Dies war uns selbstverständlich; nur Detailfragen müssen in diesem Zusammenhang noch abschließend geklärt werden.
Vor dem Ausblick zunächst ein kurzer Rückblick!
Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter uns. Eine für unsere Marine ausgesprochen fordernde und arbeitsintensive Zeit.
Große – auch persönliche wie öffentliche – Betroffenheit lösten die Ereignisse rund um unser Segelschulschiff GORCH FOCK gleich zu Beginn des vergangenen Jahres aus. Wir gerieten dabei in eine unsägliche Kreuzsee aus faktischer, medialer und politischer Wirklich- und Unwirklichkeit.
Es ist Schaden entstanden; auch im Bereich des Menschlichen und im Bereich des Vertrauens. Viele Wunden werden dauerhaft Narben hinterlassen. Da gibt es nichts zu beschönigen. Aber, es ist uns gelungen, das Schiff und die Besatzung in ruhigeres Fahrwasser zu steuern und gemeinsam nach vorne zu schauen. Die GORCH FOCK wird nicht mehr infrage gestellt: es geht nicht mehr um das »ob«, sondern nur noch um das »wie« der Ausbildung auf unserem Großsegler.
Dazu gilt es, einen »echten Neuanfang« der Ausbildung auf unserem Segelschulschiff zu erreichen. Drei Dinge sind mir dabei wichtig: Erstens halten wir grundsätzlich auch weiterhin an dem Charakter prägenden und Team bildenden Ausbildungskonzept der GORCH FOCK für alle, die in unserer Marine Verantwortung als Vorgesetzte übernehmen wollen, fest. Als »Einzelkämpfer« kann man kaum etwas erreichen, im Team (fast) alles. Keine andere Einheit unserer Flotte bietet eine vergleichbare Möglichkeit der maritimen Prägung unseres Nachwuchses und der Förderung des Entstehens einer maritimen Identität. Dies alles macht den besonderen Wert dieses Schiffes, unserer GORCH FOCK aus.
Zweitens kann die Ausbildung auf der GORCH FOCK erst dann wieder beginnen, wenn alle dazu notwendigen Voraussetzungen vorliegen – keine Kompromisse, keine Improvisationen. Dieser Neuanfang ist für die Crew VII/2012 geplant, bleibt aber ein ambitioniertes Ziel.
Drittens müssen wir uns darauf einstellen, dass die Ausbildung und das Leben auf der GORCH FOCK mit kritischen Augen begleitet wird. Dies erfordert ganz besondere Sensibilität und Sorgfalt aller Beteiligten, hält uns von unserem Ziel aber nicht ab.
Der Einsatz unserer Marine verlief auch im vergangenen Jahr sehr erfolgreich. Wir finden mit unseren Beiträgen und Leistungen national wie auch international hohe Anerkennung. Erst im Dezember konnte ich mich zusammen mit dem Herrn Bundesminister der Verteidigung am Horn von Afrika davon überzeugen, dass unsere Männer und Frauen ein ausgezeichnetes Bild abgeben. Sie erfüllen die Aufträge, die unserer Marine übertragen sind, mit Engagement, Ernsthaftigkeit und Erfolg.
Ob im Mittelmeer, vor der Küste des Libanon, im Indischen Ozean oder auch in den landgebundenen Einsätzen in Afghanistan, im Sudan und auf dem Balkan: Unsere Marinesoldatinnen und ‑soldaten leisten ihren Beitrag. Dies erfüllt mich mit Freude und wir alle können darauf stolz sein: Dies verdient ein großes »Bravo Zulu«!
Dabei ist mir stets bewusst: Dieser Erfolg beruht auf einem guten Zusammenwirken zwischen Einsatz- und Grundbetrieb. Die Auftragserfüllung der Deutschen Marine im Einsatz ist eine Gemeinschaftsleistung der gesamten Marine und der sie unterstützenden Organisationsbereiche! Der Erfolg gebührt also gleichermaßen auch den Männern und Frauen, die sich »als Helden im Heimatland« vielleicht weniger sichtbar im Bereich der Ausbildung, der Logistik, dem Personalwesen und der Rüstung um die Vorbereitung, Betreuung, Unterstützung und Nachbereitung der Soldatinnen und Soldaten und der Einheiten für den Einsatz verdient gemacht haben.
Blick auf die Neuausrichtung
Meine Damen, meine Herren, lassen Sie uns nun den Blick auf die Neuausrichtung der Bundeswehr und den Umbau unserer Marine richten: Vor rund einem Jahr zeichneten sich erste Konturen einer neuen Bundeswehr und einer neuen Marine ab. Die Empfehlungen der Weise-Kommission zielten auf die Straffung von Prozessen, Führungs- und Entscheidungsstrukturen. Die Haushaltsklausur mit ihren rigiden Sparvorgaben und das Aussetzen der Wehrpflicht waren weitere entscheidende Größen. Das Schlagwort von »der größten Bundeswehrreform« griff Raum. Während der letzten HiTaTa hatte ich dazu bereits berichtet, kommentiert und bewertet.
Mit viel Schwung wurden Professionalität, Schlagkraft, Modernität und Attraktivität auf die Agenda der einsetzenden Neuausrichtung gehoben, mit dem Ziel einer strikten Einsatzorientierung.
Nach einer etwa dreimonatigen »Zeit des Innehaltens« im März letzten Jahres durch einen überraschenden Ministerwechsel folgten dann Schritt für Schritt grundlegende und wichtige Entscheidungen: Das in Kraft setzen der neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien, die Umfangszahlen, die Grobstrukturen und schließlich die Stationierung und die Standorte.
Ein umfangreiches Reformbegleit- und Attraktivitätsprogramm wurde aufgelegt. Erste positive Ergebnisse sind die rückwirkende Erhöhung der Minentaucherzulage und die Erhöhung der DZA-Sätze. Beides Themen, um die wir lange gekämpft haben, da sie die Marine in ihrer Spezialisierung und Abwesenheitsbelastung besonders betreffen. Beharrlichkeit zahlt sich aus! Und, wir brauchen diese Beharrlichkeit, wenn es um die uns anvertrauten Menschen geht.
Vieles ist angepasst, fortgeschrieben oder neu geschaffen worden. Die weitere Straffung der Stabsstrukturen, der Umbau des Personalkörpers, die Stärkung der Einsatzstrukturen (AKV), die Intensivnutzung unserer Einheiten, die Mehrbesatzungsmodelle und Stützpunktnahe einsatzorientierte Ausbildung der Marine (SEAM) – sind schlagwortartig die Themenbereiche, die unsere Marine verändern werden. Ich werde darauf nicht mehr näher eingehen. Hierzu habe ich im letzten Jahr im Rahmen verschiedener Tagungen, über meine Informationsbriefe, meine Standortinformationsreisen und in vielen persönlichen Gesprächen ausführlich das Rational, die Auswirkungen und den künftigen Weg für den Umbau unserer Marine dargelegt.
Mir ist an dieser Stelle wichtig hervorzuheben, dass gerade unsere Soldatinnen und Soldaten sowie unsere zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und ganz wesentlich jeweils auch ihre Angehörigen, nicht zwischen Prozessen, Funktionalitäten und Denkmodellen verschlissen werden. Material kann man nahezu nach Belieben umplanen, abstoßen, neu beschaffen, Menschen auf keinen Fall.
Sie, die Menschen, sind die Erfahrungs- und Kompetenzträger, im Inland wie im Ausland, im täglichen Dienst und im Einsatz. Sie geben unserer Marine ihr Gesicht. Sie machen den Erfolg, den Ruf und das Ansehen unserer Marine aus.
In neuen, schlanken Strukturen erwarte ich für die Zukunft noch mehr, dass eigenverantwortlich für den Einsatz gedacht und gehandelt wird. Nach »oben wegdelegieren« ist kaum mehr möglich, nicht zielführend und wird auch nicht meine Unterstützung finden.
Ja, meine Damen, meine Herren, Kameradinnen und Kameraden, arbeitsintensive, ereignisdichte und bewegte Monate liegen hinter uns. Monate, die zwar wichtige Entscheidungen gebracht haben, aber eben leider nicht so schnell und in Teilen auch nicht so, wie wir es erwartet oder auch erhofft hatten.
Die Marine hat sich im Ergebnis aber gut positionieren können. Das ist die positive Nachricht!