— Die wirtschaftliche Dimension
— Atalanta: Hilfe auch für Reeder und Kapitäne
— Die strategische Dimension
Die wirtschaftliche Dimension
In der Presse wurde im Zusammenhang mit dem Mandat überwiegend von »Piratenjagd« geschrieben und gesprochen, der eigentliche Schwerpunkt der Operation, nämlich der Schutzauftrag für die Schiffe des Welternährungsprogramms häufig verschwiegen. Der öffentliche Druck – vor allem von den deutschen Reedern – ist groß, tatsächlich gegen die Piraterie im Golf von Aden vorzugehen. Deutsche Reeder betreiben die drittgrößte Handelsflotte der Welt, die vitale Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Im- und Export ist hinlänglich bekannt. Besatzungen von Handelsschiffen verweigern vor der Passage den Dienst, jene, die das nicht können, haben Angst.
Jede weitere Störung der Weltwirtschaft in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise wirkt sich u.U. direkt auf die Preise für den Endverbraucher aus. Der Golf von Aden und der Eingang zum Roten Meer sind Choke Points der Weltwirtschaft, von deren reibungsloser Nutzung die Weltwirtschaft – und der Endverbraucher über die Preise auf dem Weltmarkt – abhängig ist. Die Blockade des Suezkanals 1973 und die damit verbundene Ölkrise sind eindrucksvoller Beweis für die These, und die Globalisierung würde eine solche Situation heute – 36 Jahre später – weitaus dramatischer werden lassen.
Aber auch die deutsche Tourismusbranche ist betroffen: Jeden Monat passieren mehrere Tausend deutsche Urlauber auf Kreuzfahrtschiffen den Golf von Aden. Man stelle sich vor, eines dieser Schiffe mit Hunderten deutscher Urlauber an Bord geriete in die Hände der Piraten. Zwar gibt es für Somalia und die angrenzenden Gewässer eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, der wirtschaftliche Druck aber lässt die Reiseveranstalter dies nur zu häufig ignorieren. Zumindest aber handeln jene Veranstalter und Reeder, die die Reisewarnungen ignorieren, ihre Gäste nicht entsprechend informieren und mit älteren, langsamen Schiffen operieren, grob fahrlässig. Die Möglichkeit, hier im Vorfeld durch deutsche Behörden tätig zu werden, scheitert in der Regel an der Flaggenfrage. Aktuell gibt es nur ein einziges Kreuzfahrtschiff unter deutscher Flagge: die MS DEUTSCHLAND der Reederei Deilmann in Neustadt/Ostholstein. Sie wird Anfang März erneut den Golf von Aden passieren.
Atalanta: Hilfe auch für Reeder und Kapitäne
Das OHQ in Northwood führt für die EU das »Maritime Security Centre Horn ofAfrica« (MSCHOA). Diese Abteilung des OHQ betreibt die Web-Page www.mschoa.eu. Hier finden Reeder und Kapitäne Empfehlungen für das Verhalten im Seegebiet, die aktuelle Lage bis hin zu Sofortmeldungen über Angriffe. Schiffe können für die Passage registriert werden, sie erscheinen dann in der täglichen »Vulnerable Shipping List« an die Kriegsschiffe im Einsatzgebiet. Fast täglich werden durch die EU je eine Ost- und eine Westpassage in Begleitung eines Kriegsschiffes »Internationally Recommended Transit Corridor« (neue Bezeichnung seit Februar 09) angeboten. Auf der Web-Page können Kapitäne ihre Schiffe für solche »Group Transits« anmelden. Gefährdet sind insbesondere Schiffe mit niedrigem Freibord und geringen Geschwindigkeiten oder entsprechend wertvoller Ladung, wie die am 29. Januar 09 entführte MV LONGCHAMP. Sie war weder bei MSCHOA registriert noch Teil eines Group Transits.
Die strategische Dimension
Schon ist eine Zunahme des Verkehrs rund um Afrika, um das Kap der Guten Hoffnung, messbar. Die derzeit aufgrund der Weltwirtschaftskrise fallenden Frachtraten machen die 3 Wochen längere Passage zu einer vertretbaren Alternative, zumal auch die Versicherungsprämien für Schiffe und Ladungen, die den Golf von Aden passieren, wieder auf höchstes Niveau angestiegen sind. Daraus erwächst eine neue Gefahr: Die Wohlfahrt und damit die Stabilität Ägyptens ist in hohem Masse abhängig von den Einnahmen aus den Gebühren der Suez-Kanal-Passagen. Schon war die Kanalgesellschaft gezwungen, die Gebühren zu senken, um der Attraktivität der Alternative »Kap der Guten Hoffnung« entgegenzuwirken.