Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Deutsche Einheiten unter EU-Führung am Horn von Afrika
Von Andreas Uhl
Am 19. Dezember 2008 entschied der Deutsche Bundestag mit der bemerkenswerten Mehrheit von 87 Prozent für eine deutsche Teilnahme an der ersten Seeoperation der Europäischen Gemeinschaft, der European Naval Force (EU NAVFOR) »Atalanta« (jungfräuliche Jägerin der griech. Mythologie, aus dieser wählt die EU häufig Namen für ihre Projekte).
Rechtsgrundlagen
Das Bundestagsmandat basiert auf Rechtsgrundlage der »Gemeinsamen Aktion « der EU vom 10.November 2008,welche wiederum auf den UN-Resolutionen 1814, 1816 und 1836 fußt. Alle Erklärungen stellen den Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms in den Vordergrund. In Somalia sind aktuell ca. 3,5 Mio. Menschen vom Hungertod bedroht, die UN lindert diese Katastrophe durch Unterstützung aus dem World Food Programm. Nachdem mehrere Schiffe mit humanitären Hilfsgütern von Piraten überfallen und geplündert worden waren, reagierte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit den o.a. Resolutionen. Übereinstimmend beinhalten alle Resolutionen und Mandate drei Aufgaben:
- Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms
- Schutz anderer gefährdeter Schifffahrt
- Verhinderung / Ahndung von Akten der Piraterie und des bewaffneten Raubes zur See.
Was bringt Atalanta wirklich?
Diese Frage muss gleich eingangs beantwortet werden, zu viele Publikationen der jüngsten Vergangenheit gehen mit der EU allzu scharf ins Gericht.
Spätestens mit der Entführung des Supertankers SIRIUS STAR Mitte November des vergangenen Jahres war der Weltgemeinschaft klar, dass hier etwas passieren müsste. So operierten bereits im Dezember rund 20 Kriegsschiffe rund um das Horn von Afrika, am 8. Dezember stieß die EU mit ihrer Operation Atalanta hinzu.
Kritiker rechnen nun vor, dass sich seitdem die Zahl der Piratenangriffe signifikant erhöht hat. Dies ist wahr! Verschwiegen wird aber meist, dass es sich um einen sprunghaften Anstieg der erfolglosen Überfälle handelt. Tatsächlich wurden im Dezember 2008 »nur« noch 2 Handelsschiffe entführt, im Januar 2009 waren es insgesamt 3 Handelsschiffe, die in die Hände der Piraten fielen. Die Statistik zeigt: Waren im Sommer 2008 die Piraten bei durchschnittlich 14 Angriffen in 6 Fällen erfolgreich, fiel die Erfolgsquote im Dezember 2008 und Januar 2009 steil ab: Im Januar kam es zu 17 Angriffen mit nur 3 erfolgreichen Entführungen.
Waren es seit Sommer 2008 fast ständig ca. 20 Schiffe, die entlang der somalischen Küste durch Piraten festgehalten wurden, so befanden sich Mitte Februar nur noch 8Handelsschiffe in deren Gewalt. Die oben beschriebenen Bedingungen verhindern seit einigen Wochen eine regelmäßige »Nachversorgung« mit neuen Geiseln.
Neue Taktiken bei den Piraten
Die hohe »Dichte« an Bewachern mit ihren Bordhubschraubern im Seegebiet zwingt die Piraten zum Umdenken. Sie müssen nun schneller an Bord der Handelsschiffe kommen, das Gewaltpotenzial zu Beginn der Angriffe ist deshalb bereits gestiegen, es wird früher und gezielter geschossen. Auch in der Masse gab es eine Veränderung: Statt mit 2 bis 3 Skiffs (8 bis 12 Meter lange offene Boote) fallen die Angreifer nun auch schon mal mit 5 bis 6 Skiffs über Handelsschiffe her. Ebenso wurden erstmals bis zu drei zeitlich koordinierte Angriffe in unterschiedlichen Bereichen des durch die United Kingdom Maritime Trade Operations (UKMTO) eingerichteten Transit Corridor im Golf von Aden registriert.
Da diese neuen Taktiken wenig Erfolg zeigten, haben einige Gruppen ihre Tätigkeit in die jemenitischen Hoheitsgewässer hinein verlagert. Dort gilt das Mandat für die internationalen Einheiten nicht, ausländische Kriegsschiffe dürfen dort nicht operieren. In der Regel tauchen diese Übergriffe nicht in den Statistiken auf, weil die entführten Fahrzeuge nicht bei der International Maritime Organization (IMO) registriert sind oder weil gezielt Schmugglerschiffe auf dem jemenitischen »Heroin-Highway« betroffen sind.