Traditionell verfügt die deutsche Marine über eine breite Palette an Fähigkeiten für Operationen im Küsten- und Randmeerbereich, die zukünftig im Einklang mit der parallel zu schaffenden Rechtsgrundlage in den Bereichen Terrorismusabwehr und Kampf gegen Piraterie weiter entwicklungsfähig sind.
Weiterentwicklung von Fähigkeiten kann natürlich nur funktionieren, wenn die Truppe auch Zeit und Raum für entsprechende Übungen und Manöver hat. Die gesamte Übungswelt der Deutschen Marine war im Lauf der Jahre in eine gewisse Schieflage geraten. Diese war größtenteils durch immer weniger Zeit durch Einsatzabstellungen und deren hohe Priorität, zum Teil aber auch durch den Wandel der Einsatzaufgaben bedingt, wobei Letztere mit den traditionellen Manöverszenarien einfach nicht mehr in Einklang zu bringen waren.
Angesichts dieser sich wandelnden Einsatzrealitäten und auch des Transformationsprozesses innerhalb der NATO war für die Deutsche Marine und andere NATO-Marinen eine Revision ihrer Manöver- und Übungsvorhaben notwendig geworden. In diesem Zusammenhang war vom Flottenkommando das Konzept für eine multinationale Einladungsübung unter einem streitkräftegemeinsamen Ansatz erarbeitet worden.
Als quasi Nachfolger des bekannten, rein nationalen Ständigen Einsatz- und Ausbildungsverbandes, des jährlichen SEF, wurde dazu im Jahr 2007 die Übung Northern Coasts (NOCO) ins Leben gerufen, wobei gleich eine jährliche Durchführung dieses Manövers vorgesehen wurde. Northern Coasts wurde als »combined« und »joint« Übung angelegt, wobei die Teilnahme sich nicht auf NATO-Marinen beschränken sollte. Weitere Nationen wie beispielsweise Schweden und Finnland wurden ebenfalls eingeladen und sind dieser Einladung auch gefolgt. Der Schwerpunkt sollte auf maritimen Operationen in küstennahen Gewässern und Randmeeren (Operations in confined and shallow Waters) und – damit natürlich im Zusammenhang zu sehen – der Begegnung asymmetrischer Bedrohungen liegen. Logische Folge: Der Kommandeur der Einsatzflottille 1 wurde für den ersten Durchgang mit der Funktion des »Exercise Director« betraut, ergab doch dieses Übungsszenario einen idealen »play-ground« für die Kompetenzen der Flottille und auch des COE CSW.
Mittlerweile hat Northern Coasts bereits zum zweiten Mal stattgefunden und erfreut sich ausgesprochen positiver Resonanz, insbesondere auch aus dem internationalen Umfeld. Natürlich ist diese Übungsreihe nicht nur Thema für die Einsatzflottille 1, sondern für die gesamte Flotte, und sie stellt auch nicht die einzige künftige Manövertätigkeit dar, aber angesichts ihrer definierten Schwerpunktbildung stellt sie insbesondere für die Einsatzflottille 1 ein wichtiges und wertvolles Forum hinsichtlich des Erhalts und des Ausbaus von Expertise dar.
Die Transformation in der Marine ist mit der Neuorganisation der Flotte, der Anpassung von Übungsszenarien und den geschaffenen Strukturen in der Einsatzflottille 1 nicht abgeschlossen, sondern unterliegt ihrem Wesen nach der ständigen Anpassung an sich verändernde sicherheitspolitische Rahmenbedingungen und neuen Herausforderungen. Auch wenn die Einsatzflottille 1 momentan für die aktuelle Situation nachgewiesenermaßen gut aufgestellt ist und in ihrer derzeitigen Form sowohl national als auch international Akzeptanz finden kann, wird auch zukünftig Transformation als fortlaufender Prozess zu verstehen sein. Schon heute ist es sicher legitim, hier an der Schnittstelle zwischen taktischer und operativer Ebene zum Beispiel über die Erweiterung von Fähigkeiten innerhalb der Marine im Bereich des Führungsgrundgebietes 9, »Zivil-Militärische Zusammenarbeit« bzw. »CIMIC« im internationalen Sprachgebrauch, nachzudenken, insbesondere vor dem Hintergrund von Abstützungen in ausländischen Häfen während lang andauernder Einsätze.
Parallel hierzu wird derzeit im Flottillenstab an wichtigen konzeptionellen Herausforderungen gearbeitet. Viele Dinge des täglichen Lebens und durchaus auch der Einsätze sind in der jüngeren Vergangenheit durch pragmatische Lösungen zum Erfolg geführt worden, bedürfen im Sinne einer langfristigen Verfahrenssicherheit aber einer soliden konzeptionellen Grundlage. Doktrinen sowie Einsatzgrundsätze und ‑verfahren müssen den heutigen Realitäten maritimer Operationen angepasst werden und konkrete Einsatzkonzepte diesen anschließend folgen.
Prominentes Beispiel aus dem Bereich der Einsatzflottille 1 ist die Weiterentwicklung der Systemunterstützungsgruppen (SUG). Diese existieren in bewährter Form klassenspezifisch, sind aber untereinander nur bedingt austauschbar. Für Einsätze mit zum Teil gemischten Verbänden, wie beispielsweise bei UNIFIL, ergibt sich daraus das Erfordernis, bestimmte SUG-Anteile gleich mehrfach abzubilden. Hier wird es in Zukunft darauf ankommen, die vorhandenen Ressourcen effektiver und flexibler auszurichten. Darüber hinaus werden derzeit konzeptionelle Überlegungen für eine Optimierung und möglicherweise typ- bzw. klassenübergreifende Ausgestaltung der Einsatzausbildung und der Personalergänzungen angestrengt.