Die Geschichte der Einsatzflottille 1 fand ihren Anfang nicht erst mit dem Tag ihrer Indienststellung am 29. Juni 2006 in Kiel, sondern bereits erheblich früher. Der Prozess der größten Umstrukturierung der Flotte seit 1956 begann bereits Anfang des Jahres 2004 in einer Planungsgruppe im Führungsstab der Marine in Bonn, die im April 2004 einen Planungsauftrag an die Flotte und an die damaligen Typflottillen gab. Am 14. April 2004 tagte erstmals die Arbeitsgruppe »Einsatzflottille 1« in Kiel unter der Leitung des Flottenkommandos und unter Beteiligung der drei Bootsflottillen, um über die zukünftige Struktur der neuen Flottille zu beraten. Am 1. Oktober 2004 wurde der damalige Kommandeur der Flottille der Minenstreitkräfte, Kapitän zur See Christian Luther, zum Leiter des Aufstellungsstabes der Einsatzflottille 1 ernannt. Bereits am 23.November 2004 billigten der seinerzeitige und der heutige Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Lutz Feld und Vizeadmiral Wolfgang Nolting, letzterer zu der Zeit Befehlshaber der Flotte, die neu entwickelten Strukturen der beiden künftigen Einsatzflottillen.
Zunächst im Flottenkommando beheimatet, nahmen die beiden Aufstellungsstäbe der Einsatzflottillen 1 und 2 gemeinsam ihre Arbeit auf, zu Beginn nur mit einer »Rumpfbesatzung « von einer Handvoll Soldaten besetzt.
Im Januar 2005 wurde der Einsatzflottille 1 zunächst das Dienstgebäude der ehemaligen Bundeswehrfachschule in Kiel als Stabsgebäude zugewiesen, nach einer Bestandsaufnahme der Liegenschaften in Kiel wurde diese Entscheidung jedoch revidiert und der Neubau eines Stabsgebäudes im Marinestützpunkt Kiel beschlossen. Zunächst wurde im Laufe des Jahres 2005 ein Gebäude der ehemaligen Technischen Marineschule A in der Arkonastraße in Kiel Wik als Übergangslösung hergerichtet und Ende 2005 bezogen. Bis zur geplanten Fertigstellung des neuen Stabsgebäudes im Jahre 2010 wird für den Stab der Einsatzflottille 1 diese Übergangslösung die Normalität sein. Inwieweit das Planungsdatum 2010 gesichert ist, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden.
Mittlerweile wuchs auch der Stab im Laufe des Jahres 2005 weiter auf und stellte mehr und mehr seine Arbeitsfähigkeit her. Im Wesentlichen rekrutierte sich das Personal aus den einzelnen Bootsflottillen, die – noch in der Verantwortung – gleichwohl bereits die notwendige Fachexpertise in die neue Einsatzflottille transportierten.
Schon im Januar 2006 erfolgte der erste »Führungswechsel«. Der Leiter des Aufstellungsstabes, Kapitän zur See Luther, übergab seine Aufgaben an seinen Nachfolger, Kapitän zur See Jürgen Mannhardt, der ab diesem Zeitpunkt die Bezeichnung »Stellvertretender Kommandeur und Chef des Stabes Einsatzflottille 1« führte.
Zum 1. April 2006 war das Personal des Stabes der Einsatzflottille 1 soweit vorhanden, dass erste Aufgaben, wie die Planung des Jahresübungs- und ‑einsatzplanes für die Bootsflottillen, übernommen wurden. Gleichzeitig wurde die durch die Einsatzflottillen 1 und 2 gemeinsam erarbeitete Rahmenrichtlinie für die Zusammenarbeit der Einsatzflottillen auf den Gebieten Taktik, Einsatzverfahren, Einsatzausbildung und Auswertung in Kraft gesetzt. Damit wurde der Grundstein für Synergieeffekte und Interoperabilität zwischen den unterschiedlichen Komponenten der Flotte gelegt.
Bis zur Mitte des Jahres 2006 wuchs der Stab der neuen Flottille Stück für Stück immer weiter auf und der Kompetenztransfer von den einzelnen Bootsflottillen in die neue Einsatzflottille 1 wurde weiter vorangetrieben. Immer mehr flottillenspezifische Aufgaben wurden von den Bootsflottillen an die Einsatzflottille 1 übertragen.
Am 27. Juni 2006 wurde in Wilhelmshaven feierlich die aus der ehemaligen Zerstörerflottille hervorgegangene Einsatzflottille 2 in Dienst gestellt. Böse Zungen sprachen von »altem Wein in neuen Schläuchen«,weil die altbekannte Flottille der »Dickschiffe« lediglich neu etikettiert schien. Diese sehr platte Bewertung wird dem Wandlungsprozess dieser Flottille natürlich absolut nicht gerecht. Auch dort fanden umfangreiche und tief gehende Strukturveränderungen statt, wenngleich diese Veränderungen und die damit einhergehenden »Reibungsverluste« bei Weitem nicht so komplex waren wie im Fall der Einsatzflottille 1 in Kiel. (Anmerkung der Redaktion: Die Einsatzflottille 2 wird sich in einer der nächsten Ausgaben diese Zeitschrift ausführlich vorstellen)
Die Einsatzflottille 1 wurde schlussendlich mit entsprechendem Zeremoniell am 29. Juni 2006 in Dienst gestellt. Bei strahlendem Wetter und vor der Kulisse von etwa 1.000 angetretenen Soldaten und zivilen Mitarbeitern aller unterstellten Verbände sowie ca. 300 geladenen Gästen übertrug der Befehlshaber der Flotte,Vizeadmiral Hans-Joachim Stricker, das Kommando über die neue Flottille an ihren ersten Kommandeur, Flottillenadmiral Andreas Krause.
Exakt 50 Jahre nach ihrer Gründung wurde die Flotte der Deutschen Marine dadurch in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß umstrukturiert und diese neue Struktur erkennbar gestrafft und optimiert. Faktisch ging mit dem Schritt der Indienststellung der beiden Einsatzflottillen auch die Geschichte einer Marine zu Ende, die in Struktur und Ausrüstung hauptsächlich auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet war.
Gleichzeitig wurden die Flottille der Minenstreitkräfte, die Schnellbootflottille, die U‑Bootflottille und die Flottille der Marineflieger außer Dienst gestellt und aufgelöst. Letztere stellt insofern einen Sonderfall dar, weil die verbliebenen beiden Marinefliegergeschwader 3 und 5 direkt dem Flottenkommando unterstellt wurden, während die Bootsflottillen sich mit ihren Verbänden in der Einsatzflottille 1 wieder fanden. Damit war formal das Wesentliche der Neuorganisation der Flotte abgeschlossen und ein Meilenstein auf dem Wege der Transformation erreicht.