Deutschland — Das gibt’s weltweit nur ganz selten: Unteroffizier ist Kommandant bei der Marine

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Deutsche Marine — Das gibt’s weltweit nur ganz sel­ten: West­fälis­ch­er Unterof­fizier ist Kom­man­dant bei der Marine 

Einsatzflottille 1, Mehrzwecklandungsboot
Haupt­boots­mann Jan Schmidt, Kom­man­dant des Mehrzweck­lan­dungs­bootes “Schlei” auf der Brücke bei ein­er Durch­sage an die Mannschaft.
Bildquelle: Deutsche Marine

Eck­ern­förde — Das hat es in der 160 Jahre währen­den Geschichte der Deutschen Marine bis in die 1960er Jahre noch nicht gegeben und weltweit kommt ver­gle­ich­bares nur sehr sel­ten vor: Unterof­fiziere als Boot­skom­man­dan­ten. Die let­zten bei­den Mehrzweck­lan­dungs­boote der Marine, “Schlei” und “Lachs” aus Eck­ern­förde, wer­den von Haupt­bootsmän­nern befehligt. “Auf See bin ich der Einzige, der hier an Bord entschei­den darf. Das ist mit anderen Unterof­fiziersver­wen­dun­gen nicht ver­gle­ich­bar”, sagt Jan Schmidt. Der schlanke Mann ist seit dreizehn Monat­en Kom­man­dant der “Schlei”. Er trägt als einziger auf seinem Boot die weiße Schir­m­mütze. Das ist das Priv­i­leg des Chefs an Bord. Eine Ehre, wie sie son­st nur See­of­fizieren zuteil wird. 

Kom­man­dan­ten­ver­wen­dung selb­st für Offiziere oft unerr­e­ich­bar
Unter Mari­ne­of­fizieren gilt die Tätigkeit als Kom­man­dant meist als die schön­ste Zeit in der Marinelauf­bahn — für viele Offiziere unerr­e­ich­bar, für Unterof­fiziere eigentlich unmöglich — deshalb eine Traumver­wen­dung. Schmidt ist den­noch Kom­man­dant gewor­den. Ein glück­lich­er Umstand für ihn — dank dieser deutschen Beson­der­heit. Darauf ist er sichtlich stolz. “Ich will so lange bleiben, wie es irgend­wie geht. Alles, was hier­nach für mich an Ver­wen­dun­gen kom­men wird, kann eigentlich nur ein Abstieg sein, um es krass auszu­drück­en”, sagt er im Gespräch mit einem Pott heißem Kaf­fee in der recht­en Hand. 

18 Sol­dat­en auf 40 Meter Länge
Der 32 Jahre alte Marine­mann sitzt — während sein Boot in der Eck­ern­förder Bucht vor Anker liegt — auf seinem fes­ten Platz in der Messe seines 40 Meter lan­gen Bootes: am oberen Ende der Back, also des Tis­ches. Dort darf nur er sitzen — ganz sel­ten mal ein Gast. Zu sein­er Recht­en sitzt der Schiff­stech­nis­che Boots­mann (STB), ihm gegenüber sein Nav­i­ga­tions-Maat. Bei­de sind seine wichtig­sten Män­ner an Bord. In der Messe — das ist sowohl der Aufen­thalt­sraum als auch der Speis­esaal der Besatzung — haben die drei immer wieder viele dien­stliche Dinge zu besprechen. Deshalb ist diese Nähe wichtig. Deshalb haben auch STB und Nav­i­ga­tions-Maat fest­gelegte Plätze an der Back — in der Nähe ihres Kom­man­dan­ten. Die 18 Mann starke Besatzung beste­ht aus über­wiegend jun­gen Leuten. Alle im Rang eines Gefre­it­en bis zum Ober­maat. Nur der STB ist eben­falls ein Haupt­boots­mann. Kom­man­dant und STB haben jed­er eine eigene Kam­mer an Bord. Die Maate und Ober­maate sind zu sechst, die übri­gen Besatzungsmit­glieder zu zehnt unterge­bracht. Unter Deck des Mehrzweck­lan­dungs­bootes ist mehr Platz als auf einem der 49 bis 56 Meter lan­gen deutschen U‑Boote. Von Außen glaubt das nie­mand. “Besuch­er sind immer wieder über­rascht, wie viel Platz wir unter Deck haben”, sagt Schmidt. An Oberdeck kön­nen bis zu 80 Per­so­n­en mitgenom­men wer­den oder zwei Kampf­panz­er vom Typ “Leop­ard 2”. Da die bei­den Lan­dungs­boote der Marine auch für den Minen­trans­port und das Ausle­gen von Seem­i­nen geeignet sind, wer­den sie oft als Trans­port­plat­tform der Minen­taucherkom­panie genutzt. Die Boote gehören deshalb auch zu den Spezial­isierten Ein­satzkräften der Marine (SEK M) in Eck­ern­förde. Zu diesem Ver­band gehören neben den Minen­tauch­ern unter anderem auch die Kampf­schwim­mer- und die Board­ing-Kom­panie sowie eine Aus­bil­dungsin­spek­tion und ein Minen­tauchere­in­satz­boot. Trotz des auf den ersten Blick großzügig wirk­enden Unter­decks wird es auf den bis zu sechs Wochen lang dauern­den Aus­fahrten eng. Die Män­ner müssen zusam­men­rück­en. Auf dem Schwest­er­boot “Lachs” gibt es sog­ar eine Frau. Die Köchin — im Marine­jar­gon heißt das Smut — wohnt dort gemein­sam mit den anderen Unterof­fizieren in der Sechs-Mann-Kam­mer — abge­tren­nt von ein­er Vorhangkon­struk­tion. Anders geht es nicht auf dem kleinen Boot. 

Einsatzflottille 1, Mehrzwecklandungsboot Einsatzflottille 1, Mehrzwecklandungsboot Einsatzflottille 1, Mehrzwecklandungsboot
Haupt­boots­mann Jan Schmidt, Kom­man­dant des Mehrzweck­lan­dungs­bootes “Schlei” in sein­er Kam­mer am Schreibtisch.
Bildquelle: Deutsche Marine
Lan­dungs­boote “Lachs” (L762) und “Schlei” (L765) liegen im Marinestützpunkt Eck­ern­förde.
Bildquelle: Deutsche Marine
Mehrzweck­lan­dungs­boot SCHLEI. Nach dem Minen­le­gen set­zt es die Schlauch­boote samt den Tauch­ern über die Lader­ampe aus. Ein Tag auf See mit dem Lan­dungs­boot SCHLEI. Eingeschiffte Minen­tauch­er der deutschen Marine bere­it­en sich auf die Spren­gung von vier Seem­i­nen vor.
Bildquelle: Deutsche Marine

Nur Nav­i­ga­tion­s­meis­ter kön­nen Kom­man­dant wer­den
Jan Schmidt erzählt, wie er Kom­man­dant gewor­den ist. In Hagen in West­falen geboren, ging er nach der Mit­tleren Reife zur Marine, wurde Nav­i­ga­tor — das ist die Ver­wen­dungsrei­he 26 “Nav­i­ga­tion”. Genau damit wurde der Grund­stein für seine heutige Kom­man­dan­ten­tätigkeit gelegt. “Nur aus dieser Ver­wen­dungsrei­he kön­nen Bootsmän­ner Kom­man­dant wer­den”, sagt der jet­zt in Eck­ern­förde lebende Schmidt. “Damals wusste ich das jedoch noch nicht. Der Wehr­di­en­st­ber­ater beim Kreiswehrersatzamt sagte mir damals nur: Bei der Marine haben Sie mehr Chan­cen als bei Heer oder Luft­waffe.” Nach zahlre­ichen Seefahrten auf der Fre­gat­te “Köln”, dem U‑Boot “U11”, und dem Minen­jagdboot “Bad Bevensen” durch­lief Schmidt in den Jahren 2004 und 2005 eine spezielle Aus­bil­dung zum Kom­man­dan­ten mit the­o­retis­ch­er und prak­tis­ch­er Prü­fung. Voraus­set­zung war seine langjährige Erfahrung als Nav­i­ga­tion­s­meis­ter nach der Beförderung zum Boots­mann. “Ich wurde gefragt, ob ich Kom­man­dant wer­den möchte, ob ich mir das zutraue und es wirk­lich machen will”, sagt Schmidt über seine dama­lige Auswahl. Jet­zt darf er als weit­ere Insignie — neben der weißen Mütze an Bord — einen kleinen gold­e­nen Seestern auf der recht­en Seite sein­er dunkel­blauen Marine­u­ni­form tra­gen. Mit­tler­weile ist Schmidt Beruf­s­sol­dat, Vater von zwei Kindern. 

Einsatzflottille 1, Mehrzwecklandungsboot Einsatzflottille 1, Mehrzwecklandungsboot Einsatzflottille 1, Mehrzwecklandungsboot
Mehrzweck­lan­dungs­boot SCHLEI in Fahrt.
Bildquelle: Deutsche Marine
Haupt­boots­mann Jan Schmidt, Kom­man­dant des Mehrzweck­lan­dungs­bootes “Schlei” gibt Anweisun­gen an den Rud­ergänger
Bildquelle: Deutsche Marine
Korvet­tenkapitän Rüdi­ger Schiel vom wehrgeschichtlichen Aus­bil­dungszen­trum sagt: “Die his­torische Bedeu­tung und Einord­nung von Kom­man­dan­ten im Unterof­fizier­srang wurde noch nicht wis­senschaftlich erforscht.”
Bildquelle: Deutsche Marine

Uner­forscht­es his­torisches Fachge­bi­et
His­torisch ist die Einord­nung der Unterof­fizier-Kom­man­dan­ten der Deutschen Marine schwierig. “Es hat sich noch nie­mand wis­senschaftlich mit diesem The­ma auseinan­derge­set­zt. In unserem kleinen Archiv haben wir noch nichts dazu”, sagt Korvet­tenkapitän Rüdi­ger Schiel, Leit­er des wehrgeschichtlichen Aus­bil­dungszen­trums (WGAZ) an der Mari­neschule Mür­wik in Flens­burg. Ihm seien keine Hin­weise bekan­nt, ob es eventuell Bootsmän­ner als Kom­man­dan­ten von Schif­f­en und Booten im Ersten oder Zweit­en Weltkrieg gab. Es han­delt sich also um ein völ­lig uner­forscht­es, aber äußerst inter­es­santes Fachge­bi­et für Mil­itärhis­torik­er. Vor allem kann auf­grund der noch nicht erfol­gten wis­senschaftlichen Erforschung auch keine Aus­sage zur weltweit­en Ver­bre­itung und Bedeu­tung der Unterof­fizier-Kom­man­dan­ten gemacht wer­den. Bei unseren Nach­barn in Frankre­ich zum Beispiel ist es so: “Auf ganz kleinen Booten sind auch in Frankre­ich schon äußerst erfahrene Unterof­fiziere Kom­man­dant gewe­sen. Das ist jedoch sehr sel­ten vorgekom­men”, sagt der franzö­sis­che Fre­gat­tenkapitän Paul-Hen­ry Lavisse, Aus­tauschof­fizier im deutschen Marine­haup­tquarti­er, dem Flot­tenkom­man­do in Glücksburg. 

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Fre­gat­tenkapitän Paul Hen­ry Lavisse ist Verbindung­sof­fizier aus Frankre­ich im Flot­tenkom­man­do in Glücks­burg.
Bildquelle: Deutsche Marine
Das Mehrzweck­lan­du­ings­boot SCHLEI längs­seits am Ten­der Mosel angelegt.
Bildquelle: Deutsche Marine
Mehrzweck­lan­dungs­boot LACHS in See
Bildquelle: Deutsche Marine

Kom­man­dant ohne Bootswim­pel und Diszi­pli­narge­walt
Unter­schiede zwis­chen einem deutschen Kom­man­dan­ten im Offizier­srang und im Boots­man­n­di­en­st­grad gibt es aber den­noch — wie sollte es in ein­er mil­itärischen Marine auch anders sein. Schmidt sagt: “Ich habe keine Diszi­pli­narge­walt. Das heißt, ich darf keine Diszi­pli­narstrafen ver­hän­gen. Außer­dem darf ich am Boot keinen Kom­man­dan­ten­wim­pel führen”. Doch das ficht ihn nicht an. In der Flot­ten­liste der Deutschen Marine ste­ht Schmidt zusam­men mit seinem Kom­man­dan­tenkam­er­aden vom Lan­dungs­boot “Lachs”, Haupt­boots­mann Thomas Bruedgam, neben über 60 Kapitän­leut­nants, Korvet­tenkapitä­nen, Fre­gat­tenkapitä­nen und einem Kapitän zur See gle­ich­berechtigt aufge­lis­tet. Er wird zum Marineball geladen und nimmt an Kon­feren­zen der Kom­man­dan­ten der Marine teil. Schmidt ist mit allen seinen Vorgängern ein Stück Mari­negeschichte gewor­den — Aushängeschild vor allem für das gesamte Marine­un­terof­fizierko­rps. Und auch nach sein­er Kom­man­dan­ten­zeit wird Schmidt diese beson­dere Stel­lung nach Außen tra­gen kön­nen. “Dann wan­dert der kleine Kom­man­dan­ten-Seestern auf die linke Brust mein­er Uni­form. Das kann mir nie­mand mehr nehmen”, sagt er. 

Autor: Detlef Struck­hof, Presse- und Infor­ma­tion­szen­trum Marine Fotos: Deutsche Marine 

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