Die Einführung der Panzerschiffe muss auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der Artillerie betrachtet werden. Die im Verlauf der 1840er und 1850er Jahre systematisch erfolgte Entwicklung stärkerer Schiffsartillerie erhielt durch den Bürgerkrieg einen Anstoß. Die erste Granatenartillerie wurde in den 1830er Jahren durch den Franzosen Henri- Joseph Paixhans entwickelt. Die USN führte 1841 das Paixhans-Geschütz ein. Der amerikanische Marineoffizier John A. Dahlgren entwickelte ab 1849 eine Vielzahl neuer Schiffsgeschütze im Kaliber zwischen sechs und zwanzig Zoll. Wie das Paixhans Geschütz handelte es sich um vorderladende Glattrohrgeschütze. Im Gegensatz zum Paixhans Geschütz konnten die Dahlgrengeschütze wahlweise moderne Explosivgranaten, herkömmliche Eisenkugeln oder Schrot verschießen.
Dahlgren führte zudem wesentliche Verbesserungen ein. Durch Verlagerung des Gewichtsschwerpunkts der Waffe nach hinten und Verdickung des hinteren Geschützteils (die so genannte »Sodaflaschenform«) wurde die Gefahr reduziert, dass die beim Schießen freigesetzten expandierenden Gase zu einer Rohrexplosion führten. Hierdurch wurde die Verwendung stärkerer Treibladungen möglich, was die Reichweite erhöhte. Die nach hinten ausladende Form begünstigte auch die Lagestabilität und steigerte so die Treffgenauigkeit. Dahlgrengeschütze wurden sowohl auf Schiffen wie auch zur Bewaffnung von Küstenbefestigungen verwendet und stellten zum Beginn des Sezessionskrieges die Standardbewaffnung der USN wie der CSN dar.
Im Kriegsverlauf wechselten die meisten Schiffe zu einem gemischten Arsenal aus Glattrohrgeschützen und noch präziseren Geschützen mit gezogenem Lauf (»Rifled Guns« oder einfach »Rifles«, die Explosivgranaten und panzerbrechende Hohlgranaten mit einem Sabot-Kern verschossen). Die CSN führte im Kriegsverlauf auch Hinterlader-Geschütze ein; obwohl die britische Royal Navy um diese Zeit auch mit Hinterladern experimentierte, kam dieser neue Artillerietyp zum ersten Mal während des Bürgerkrieges zum Einsatz.
Die Entwicklung der Explosivgeschosse leitete den Ausklang des hölzernen Kriegsschiffes ein. Bereits der Krimkrieg hatte nachgewiesen, dass hölzerne Schiffe leichte Beute für Granaten darstellten. Der amerikanische Bürgerkrieg bestätigte diese Lehre und belegte darüber hinaus, dass gepanzerte Schiffe sowohl Kanonenkugeln als auch Granaten ohne schwere Schäden überstehen können. Die Einsatzerfahrung bewies ferner, dass die Kombination von Panzerschiffen und moderner Artillerie auch viele Küstenbefestigungen überwinden konnte. Andererseits bewirkte die Einführung der Panzerschiffe einen neuen Wettlauf um leistungsgesteigerte Artillerie ein, die imstande wäre, die »unzerstörbaren« neuen Schiffe zu bekämpfen. Dieser Wettlauf zwischen Panzerung und Artillerie würde die Marinerüstung des nächsten halben Jahrhunderts kennzeichnen.
Schlacht von Mobile Bay 1862 (Archiv Autor) Click to enlarge |
Unterseeboote, Halbtaucher und »Torpedos«
Letztlich sind noch drei Waffensysteme zu erwähnen. Vor allem die Südstaaten setzten auch Spierentorpedoboote ein. Diese tief im Wasser liegenden Boote (die wenigen Einheiten der Union waren zudem gepanzert) führten am Bug eine lange Stange (Spiere), an deren Ende eine Sprengmine befestigt war. Diese moderne Variante des altertümlichen Rammsporns erwies sich allerdings als ineffektiv.
Die Südstaaten bauten ferner drei Unterseeboote. Im engeren Sinne handelte es sich um voll-tauchende Spierentorpedoboote. (Die Union baute ein einziges U‑Boot, das ausgelegt war, über eine Taucherschleuse Haftminen an Feindschiffen anzubringen). Sämtliche Modelle waren selbst im Hafen kaum seetauglich, doch gelang es dem Südstaatenboot H.L. HUNLEY am 17. Februar 1864, das vor Charleston liegende ungepanzerte Kriegsschiff USS HOUSATONIC per Spierentorpedo zu versenken. Dabei ging auch die HUNLEY samt achtköpfiger Besatzung unter, doch gebührt dem – durch Handkurbel betriebenen – Unterwasserfahrzeug der Ruhm, als der Welt erstes U‑Boot ein feindliches Kriegsschiff versenkt zu haben. Für den Kriegsverlauf waren diese Boote völlig unerheblich, doch regte die Versenkung der HOUSATONIC Schiffsbauingenieure in Amerika und Europa an, die U‑Boot-Entwicklung weiter voranzutreiben.
Von größerer Bedeutung waren die als »Torpedos« bezeichneten Treibminen, die vor allem durch die CSN vor Hafeneinfahrten und Flussmündungen ausgesetzt wurden. Sie stellten ein ernst zu nehmendes Hindernis für die USN dar und versenkten im Kriegsverlauf 27 Schiffe. Auch diese Waffe galt um die Zeit des Sezessionskrieges als neuartig; Minen waren zuvor nur einmal, seitens der Russen während des Krimkrieges, eingesetzt worden, allerdings ohne ein Schiff versenkt zu haben.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Einsatz der US-Navy den Sieg der Nordstaaten beschleunigte. Die Seeblockade setzte den Süden wirtschaftlich unter Druck und verhinderte so lange die aktive Unterstützung der Konföderation durch fremde Mächte, bis die am 1.1.1863 durch Präsident Lincoln proklamierte Sklavenbefreiung schließlich jede Überlegung einer europäischen Anerkennung der Konföderation beendete. Die Einnahme mehrerer Südstaatenhäfen – durchgeführt durch amphibische Landungen, nachdem Navy Schiffe die Hafenbefestigungen durch Schiffsartillerie zerstörten – beeinflusste die Kriegsmoral auf beiden Seiten. Schließlich wäre es der Unionsarmee ohne Unterstützung durch Flussflottillen der US-Navy wesentlich schwerer gefallen, die Kontrolle über den Mississippi und andere bedeutende Flüsse zu erlangen, um neue Fronten sowohl im Westteil wie im Ostteil des konföderierten Gebietes öffnen zu können.
Aus technologischer Sicht war der amerikanische Bürgerkrieg – mit Ausnahme des Krimkrieges (1853–1856) – die erste bedeutende maritime Auseinandersetzung, die primär durch schraubengetriebene Dampfschiffe und Granaten feuernde, häufig gedreht läufige, Schiffsartillerie bestimmt wurde. Der Technologieschub ist bereits daraus ersichtlich, dass mehr als die halbe Vorkriegsflotte der USN aus Segelschiffen ohne Hilfs-Dampfantrieb bestand; auch die neuesten, kurz vor dem Krieg gebauten Navy-Schiffe führten noch Masten und volle Takelage und bezeichneten ihre Dampfaggregate als »Auxiliarantrieb«. Die 1861–1865 gebauten Kriegsschiffe hatten hingegen fast alle Dampfantrieb; ein Großteil dieser Einheiten waren Panzerschiffe, die gezwungenermaßen nur maschinell betrieben werden konnten. Aber auch drei Viertel der für den Kriegseinsatz aufgekauften zivilen Schiffe hatten Dampfantrieb, um die Reaktionsfähigkeit der Blockadeflotte zu gewährleisten.
Die unterschiedlichen aber erheblichen Herausforderungen, denen sich die USN und die CSN gegenübersahen, zwangen beide Seestreitkräfte zur Innovation und zu teilweise mutigen Versuchen mit experimenteller Technologie. Die daraus resultierende Leistungssteigerung der Marinetechnologie einschließlich der Schiffsartillerie und der Panzerung beeinflusste bald andere Seemächte und leitete globale Entwicklungen ein, die noch bis zum Ersten Weltkrieg und darüber hinaus den Kriegsschiffbau und die Schiffsbewaffnung prägen sollten.
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Sidney E. Dean berichtet für das MarineForum regelmäßig zu Ereignissen und Entwicklungen in Nordamerika