DDR — Republikfluchten unter Wasser — Geheime Mini-U-Boote in der DDR

»Tauch«-Fahrt mit Kurs Elbe­hafen Schnack­en­burg
Am 30. Jan­u­ar 1976 trans­portierte das Ehep­aar ihr Tauch­boot mit einem Trak­tor und Tieflad­er von Dessau zu ein­er angemieteten Sche­une in Redekin, einem Dorf nord­west­lich der Ortschaft Gen­thin. Vor­sor­glich deklar­i­erte der Dipl.-Ing. den Trans­port als Regener­ierungsan­lage für die Wasser­auf­bere­itung. Das Ges­pann erregte auf der 110 km lan­gen Fahrt­strecke kein­er­lei Auf­se­hen. Nach 18 Stun­den Schle­ich­fahrt erre­icht­en sie um 20:00 Uhr Redekin. Der erkun­dete Ort Gnevsdorf/Elbe für die beab­sichtigte Wasserung kon­nte wegen ein­er Übung der sow­jetis­chen Stre­itkräfte nicht ange­fahren wer­den. Das Ehep­aar entsch­ied sich für den etwas nördlich gele­ge­nen Abset­zpunkt Bälow-Sandkrug. 
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Quelle: Marine­fo­rum

Nach fünf Jahren Vor­bere­itung und in über drei­jähriger Bauzeit war es am 1. Feb­ru­ar 1976 endlich so weit. Das Dessauer Ehep­aar startete ihre Unter­wasser­fluchtak­tion in der Elbe. Ihr Ziel war der etwa 30 km ent­fer­nte west­liche Elbe­hafen Schnack­en­burg in der Bun­desre­pub­lik mit ein­er kalkulierten Fahrtzeit von vier Stunden. 

Kein­er hat­te in der Dunkel­heit die Ver­legung zum Elbufer bemerkt. Bei der Wasserung passierte dann etwas, wom­it bei­de nicht gerech­net hat­ten. Alles hat­te der U‑Boot-Tüftler per­fekt berech­net, nur die Zugfes­tigkeit des Stahl­seils nicht. Es riss beim Abslip­pen des Bootes. Der Nei­gungswinkel der Ufer­böschung war zu groß. Das Boot rollte ras­ant mit dem Heck voraus in die von Eiss­chollen bedeck­ten Elbe­fluten. Durch den Auf­prall des Hecks ver­formten sich die Kord­düse und das Tiefen­rud­er. An eine Unter­wasser­fahrt war nicht zu denken, die Manövri­er­fähigkeit des Bootes stark eingeschränkt. Den­noch entschlossen sich bei­de, ihre Unternehmung »Go West« zu wagen. 

Um 06:30 Uhr legten sie am Elbek­ilo­me­ter 449 ab und ließen sich im Schwe­bezu­s­tand bis zum Turm getaucht mit Restauftrieb von der Elb­strö­mung flussab­wärts treiben. Alles war jet­zt ein großes Wag­nis, da der Turm aus dem Wass­er ragte. Nach etwa fünf Stun­den wur­den sie am Elbek­ilo­me­ter 455 durch die Besatzung des Schlep­pers LENZEN des Wass­er-Schiff­fahrt-Amtes (WSA) gesichtet. Jemand an Bord machte im Treibeis einen ton­nenar­ti­gen, met­allis­chen Gegen­stand aus, ähn­lich ein­er Jauchetonne. Aus der geöffneten Luke guck­te ein Mann heraus. 

Der Auf­forderung, längs­seits zu gehen, ignori­erte der U‑Boot-Fahrer. Daraufhin informierte das WSA-Boot die Wasser­schutzpolizei. Der Eis­brech­er ANKLAM der Bin­nen­reed­erei block­ierte die Fahrrinne. Er brachte den treiben­den Gegen­stand am Elbek­ilo­me­ter 458,5 bei Wahren­berg zum Stop­pen. Kein­er ahnte, dass man ein Mini-U-Boot »am Hak­en« hat­te. Das Ehep­aar wurde um 12:30 Uhr durch die Wasser­schutzpolizei vor­läu­fig festgenom­men und ihr Boot beschlagnahmt. Die Unter­wasser­flucht in der Elbe war wegen eines zu dünn bemesse­nen Stahl­seiles gescheitert. 

Nach vier Jahren Haft und zwei Jahren Zwangsar­beit gelang 1983 der Freikauf in die Bun­desre­pub­lik. Über den Verbleib des Fahrzeuges beste­hen keine Erken­nt­nisse. Bekan­nt ist lediglich, dass an der MfS-Juris­ten­hochschule in Pots­dam-Eiche bis 1989 mobile Flucht­fahrzeuge von DDR-Bürg­ern als »Anschau­ungsmod­elle« deponiert waren. 

Erfol­gschan­cen
Die Idee, das Elbufer auf BRD-Seite mit einem Mini-U-Boot im Win­ter verdeckt anzu­laufen, ist genial und Erfolg ver­sprechend. Ver­mut­lich wären die bei­den Schnorchel und Sehrohre zwis­chen den Eiss­chollen gar nicht aufge­fall­en. Im Falle der Ent­deck­ung bot der Elb­wasser­pegel in diesem Abschnitt aus­re­ichend Wasser­tiefe, um etwaige Ver­fol­ger in Unter­wasser­fahrt abschüt­teln zu kön­nen. Kon­struk­tion und Per­fek­tion des U‑Bootes sprechen auch für einen Ost­seeein­satz. Das Dessauer U‑Boot war tech­nisch aus­gereifter und für eine Tauch­fahrt bess­er geeignet als das Ros­tock­er Boot fünf Jahre später. Flut- und Lenzsys­tem, Anord­nung der Bal­last­wasser­tanks, Antrieb und E‑Anlage, Nav­i­ga­tion und Steuerung sowie das Frisch- und Abluft­sys­tem boten reale Chan­cen für eine begren­zte Unter­wasser­fahrt in der Ostsee. 

Team GlobDef

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