Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Ein Land von der Größe Chinas braucht Flugzeuge. Nicht nur in den unwegsamen Gebieten des Landesinneren, sondern vor allem auch bei der maritimen Kriegsführung ist ihr Einsatz unverzichtbar. Vor allem bei der Diskussion um den Bau eines chinesischen Flugzeugträgers wird immer wieder gefragt, welche Flugzeuge bzw. Hubschrauber denn China zur Ausstattung eines solchen Trägers bereitstellen könnte. Hubschrauber werden neben Transportaufgaben auch für U‑Jagd- und Frühwarnaufgaben als notwendig genannt.
Dabei ist der Einsatz von Hubschraubern nicht nur für Träger nötig. »Hubschrauber sind für heutige Seestreitkräfte ein unverzichtbares Element als Seekriegsmittel … Mit ihren Einsatzoptionen, der Reichweite ihrer Sensoren und Effektoren wird der Arm der seegehenden Einheiten verlängert« (MarineForum 5–2010 S. 44 zu Bordhubschraubern der Deutschen Marine).
Bereits 1988 bei den Landungsoperationen am Yongshu Riff der Spratly Inseln, und erst recht 1999 beim Konflikt mit den Philippinen um die Mischief Inseln wurde der Volksbefreiungsmarine (PLAN) die fehlende Unterstützung durch bordgestützte Hubschrauber deutlich. Die seit 1992 zulaufenden großen Landungsschiffe (LST) der YUTING-Klasse hatten dann zwar schon eine achtere Landeplattform für Hubschrauber, die sich später auch bei der modifizierten YUTING-II-Klasse wieder findet. Sie ermöglichte allerdings nur Starts und Landungen – nicht aber den dauerhaften Betrieb mit eingeschifften Bordhubschraubern.
Auch die Kampfschiffe der PLAN waren zunächst nicht für den Einsatz von Hubschraubern ausgelegt. Erst Mitte der 80er Jahre fanden sich bei einer Fregatte der JIANGHU-IV-Klasse anstelle der achteren Bewaffnung ein Flugdeck und ein Hubschrauberhangar, was diesem Schiff eine erhebliche Erweiterung der U‑Jagd-Fähigkeiten brachte. Die seit 1990 zulaufenden Fregatten der JIANGWEI‑I Klasse und neuere Schiffe (Jiangkai und Folgeklassen) haben inzwischen einen Hangar als Standard. Und auch bei modernen Zerstörern (mit Ausnahme der LUZHOU-Klasse) gehören eingeschiffte Marineflieger mit Hubschraubern und dem dadurch erweiterten Erfassungs- und Bekämpfungshorizont zum Bestandteil des »Systems Schiff«. Gerade der Schritt zur »Bue Water Navy« verlangt diese Luftkomponente, sobald wegen ihrer begrenzten Reichweite keine landgestützten Flugzeuge mehr zur Verfügung stehen.
Bis weit in die 80er Jahre waren sowjetische Hubschrauber – vorwiegend die Mi‑8 – die wesentlichen Typen, auf die sich Chinas Streitkräfte stützen konnten. Tatsächlich ist es China aber schon 1980 – mit der Öffnung Chinas – gelungen, mit der Lizenzproduktion französischer Hubschrauber einen geeigneten Marinehubschrauber zu erwerben. Aus der Montage von Bausätzen in der Flugzeugfabrik Harbin (HAMC) entstand der Kern der chinesischen Hubschrauberindustrie.
Zwei dieser Produktionen haben für Chinas Marine besondere Bedeutung erlangt.
SA 365 Dauphin (Z‑9)
Bereits 1980 erwarb China Bausätze für mehrere Dauphin der Versionen 365 N und N2. Die Lieferung wurde zügig bis 1982 umgesetzt. Schon im Februar 1982 erhob sich die erste selbst montierte Maschine der N‑Version mit der Bezeichnung Z‑9 Haitun (Delfin) zum Jungfernflug. Zugleich wurde die Lizenz zum Bau des Turboméca Arricel-1C2 Triebwerks unter der Bezeichnung (Wozhou) WZ-8A erworben. Danach begannen die Chinesen schrittweise, immer mehr chinesische Komponenten einzubauen. Die so entstandene Version erhielt die Typenbezeichnung Z‑9 A. Vor der endgültigen Übernahme der Produktion wurden aber 1993 noch weitere Bausätze für 22 Hubschrauber der französischen Version AS 365 N 2 bestellt.
Bereits 1992 hatte die erste – inzwischen zu über zweidrittel aus chinesischen Teilen bestehende – Version Z‑9 B ihren Erstflug. China verwendete wie auch bei anderen Flugzeugen üblich die Typbezeichnung »A« für ein weitestgehend aus gelieferten Bauteilen erstelltes Lizenzprodukt und die Typbezeichnung »B« als Bezeichnung für die weitestgehend aus selbst produzierten Teilen erstellte (verbesserte) Kopie.
In den folgenden Jahren konnten jährlich 5 Hubschrauber dieser Lizenzversion die Produktionshallen verlassen, ab 1998 jährlich sogar 7 Maschinen. Im Jahr 2001 wurde eine neue zivile Variante unter dem Typennamen H‑410 A vorgestellt, die aus der AS 565 Panther entwickelt worden sein soll. Seit 2005 wird auch diese Variante in Serie produziert. 2008 wurde überdies eine weitere Variante mit etwas verlängertem Rumpf, größerer Startmasse und größerer Reichweite (H‑425) bekannt.
Chinas Militärs drängten – natürlich – auf militärische Varianten der selbst produzierten Hubschrauber, denn damit wäre die Unabhängigkeit von ausländischen Lieferanten gesichert. Zunächst wurde die Z‑9 als Z‑9 W zum Waffenträger für die Bodenunterstützung umgebaut und zügig mit weiteren Waffen- und Sensorsystemen (auch für Nachteinsätze) ergänzt.
Z‑9 Foto: PLAN Click to enlarge |
Für den bordgestützten Einsatz bei der PLAN entwickelte HAMC aus der Z‑9B (AS 365N Dauphin II Kopie) schon Mitte der 80er Jahre die chinesische Variante Z‑9 C. Fotos in chinesischen Internetforen belegen, dass die chinesische Lizenzproduktion inzwischen das volle Einsatzspektrum eines Marinehubschraubers abdecken kann. China verfügt über einen von Bord aus einsetzbaren Hubschrauber, der den Vergleich mit westlichen Hubschraubern wie Westland Lynx oder Sikorsky SH 60 Seahawk nicht zu scheuen braucht.
Zur Ausstattung gehört das Bordradar KLC‑1, ein Sonarsystem, das entweder dem französischen Thomson Sintra S‑12 oder dem amerikanischen Bendix AN/AQS- 13 ähnelt. Das KLC‑1 X‑Band Suchradar (Nanjing Electronic Research Institute) kann Ziele in der Größe eines Fischerbootes bis in einer Entfernung von über 50 sm erfassen, größere Ziele können noch in 65 sm Entfernung aufgenommen werden.
Die chinesischen Dauphin-Varianten tragen bei der PLAN inzwischen die Hauptlast beim bordgestützten Einsatz. SAR- und Verbindungsaufgaben gehören genauso zum Einsatzspektrum wie U‑Jagd und Seezielbekämpfung. Neben einem Radar vom französischen Typ ORB-32 (nach anderen Quellen ähnlich dem französischen Thomson- CSF Agrione-15), das sich in der Hubschraubernase befindet, gehören ein Detektor für magnetische Anomalien, Type 605 Tauchsonar (chinesische Kopie des US AN/AQS-13) sowie aktive und passive Sonarbojen zur Ausrüstung. Zur Bewaffnung gehört der chinesische ET52 Torpedo, eine Kopie des italienischen Whitehead A244/S mit aktivem und passivem Akustiksucher und einer Reichweite von knapp 5 sm oder chinesische Yu‑7 Torpedos, die wohl eine Kopie der amerikanischen MK 46 sind. Zur Schiffsbekämpfung können seit 2009 bis zu 2 leichte, von Hongdu entwickelte TL-10 Flugkörper mit einer Reichweite von 15 km und aktivem Suchradar mitgeführt werden. SA 321 Super Frelon (Z‑8)
Z‑8 Foto: PLAN Click to enlarge |
Neben den Dauphin verfügt die PLAN über schwerere Marinehubschrauber nach französischer Vorlage: eine Lizenzvariante der Super Frelon (Z‑8). Auch dieser Hubschrauber kann es von den Leistungsdaten mit vergleichbaren Hubschraubern, die sich bei westlichen Marinen im Einsatz befinden – insbesondere dem Sea King von Sikorsky (USA) oder Westland (GB) – aufnehmen. 1977/78 waren zunächst 13 Super Frelon nach China geliefert worden. Nach langer Unterbrechung – chinesischen Ingenieuren war es ohne französische Hilfe nicht gelungen, die Lizenzproduktion »in den Griff zu bekommen« – gelang es erst um das Jahr 2002, mit französischer Hilfe die Produktionsprobleme zu bewältigen.
Seither werden jährlich mindestens 12 Hubschrauber in der Marineversion Z‑8JA/JH gebaut. Sie werden insbesondere für Transportaufgaben u.a. bei Landungsunternehmen genutzt, daneben aber auch in der U‑Boot Abwehr. In dieser Rolle setzt China sie mit dem Thomson Sintra HS-12 Tauchsonar und ET52 (A244/S Whitehead) Torpedos ein. Neueste Fotos zeigen zudem, dass die Z‑8 auch für die Bodenunterstützung ausgerüstet wird. Bewaffnung und Sensorbehälter der Z‑9 sind jedenfalls zumindest schon »zur Probe« auch auf Z‑8 montiert worden.
Offenbar sollen diese schweren Hubschrauber künftig vor allem von den neuen Docklandungsschiffen der YUZHOU-Klasse eingesetzt werden, von denen eines seit 2008 in Dienst und ein zweites offenbar in Shanghai in Bau ist. Die Z‑8 konnten zwar bisher schon auf einigen Transport- und Landungsschiffen landen, aber nicht mitgeführt werden. Das neue Docklandungsschiff löst nun dieses Problem optimal.
Eine größere Anzahl Z‑8 ist auch mit »Rot Kreuz« Kennzeichnung versehen und insbesondere auch zum Einsatz u.a. vom neuesten chinesischen Hospital-Schiff bestimmt. Kürzlich tauchten in chinesischen Internetforen zudem Fotos einer Maschine auf, die möglicherweise mit einer am Heck montierten klapp- und drehbaren Radaranlage ausgestattet ist und für AEW-Aufgaben (Airborne Early Warning) sowie zur Gefechtsfeldbeobachtung geeignet sein könnte.
Ka-28 Helix Foto: PLAN Click to enlarge |
Russische Ka-28 Helix?
Seit 1997 hat Chinas PLAN acht russische Hubschrauber Kamov Ka-28 (NATO-Bezeichnung: Helix) erworben, die überwiegend von den ebenfalls in Russland gekauften Zerstörern der SOVREMENNIY-Klasse eingesetzt werden, aber auch schon von Bord chinesischer Zerstörer eingesetzt wurden. Dabei handelt es sich um fünf U‑Boot-Abwehrvarianten Helix‑A sowie drei für SAR-Aufgaben ausgerüstete Helix‑D.
Die Ka-28 ist die Exportversion der Ka-27 Helix Helikopter der russischen Marine, die wiederum eine Weiterentwicklung der Ka-20 bzw. der Ka-25 (NATO-Bezeichnung: Hormone) ist. Die U‑Jagd-Version der Ka-28 ermöglicht die Erfassung und Bekämpfung von getauchten U‑Booten (mit Torpedos und Wasserbomben) bis zu einer Tiefe von 500 m bei einer Geschwindigkeit von bis zu 40 Knoten – und das »rund um die Uhr« bei allen Wetterbedingungen. Ob (und unter welchen Bedingungen) Russland den Chinesen eine Lizenzproduktion auch dieses Hubschraubers gestattet, bleibt abzuwarten.
Zum Autor
Erich Sczepanski ist langjähriger Mitarbeiter beim Internet-Portal GlobalDefence.Net, das sich intensiv der Verfügbarmachung von Informationen zu internationalen Streitkräften widmet