Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Von Markus Krause-Traudes
“China´s armed forces, including the People Liberation Armys Navy, will always be an important force in safeguarding world peace and development – China will never seek hegemony, nor will it turn to military expansion or an arms race with other nations”, so der chinesische Präsident Hu Jintao in seiner Ansprache vor 29 Oberbefehlshabern internationaler Marinen am 23. April 2009, darunter auch der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Wolfgang E. Nolting, und Admiral Gary Roughead, Chief of Naval Operations, US Navy.
Anschließend lud der Präsident alle Vertreter der ausländischen Marinen dazu ein, gemeinsam mit ihm von Bord des Zerstörers SHIJIAZHUANG die Flottenparade abzunehmen, die zu Ehren des sechzigsten Jahrestages der Gründung der People Liberation Armys Navy (PLA Navy) im Seegebiet vor Qingdao, dem ehemaligen deutschen Kolonial-Handelsstützpunkt Tsingtau, veranstaltet wurde.
Atom-U-Boot LANGER MARSCH (XIA-Klasse) bei der Flottenparade |
Insgesamt 25 seegehende Einheiten und über 30 Flugzeuge der PLA Navy sowie Einheiten aus 14 weiteren Nationen nahmen an dieser bisher größten Parade in der Geschichte der PLA Navy teil. Höhepunkte der Parade waren u.a. die Atom-U-Boote LANGER MARSCH 6 und LANGER MARSCH 3, das neue Docklandungschiff KUNLUNSHAN sowie der neue südkoreanische Helikopterträger DOKDO.
Den internationalen Teil der Flottenparade bildeten 20 Schiffe aus Australien, Bangladesch, Brasilien, Frankreich, Indien, Kanada, Neuseeland, Pakistan, Russland, Singapur, Thailand und den USA sowie das mexikanische Segelschulschiff CUAUHTEMOC.
Docklandungsschiff KUNLUN SHAN bei der Flottenparade |
Die Flottenparade war Teil der Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag der PLA Navy, die insgesamt vier Tage dauerten und unter dem Generalthema »Harmonious Ocean« standen. Die Feierlichkeiten begannen am 20.April 2009 mit einem Empfang des chinesischen Oberbefehlshabers, Admiral Wu Shengli, für alle 29 ausländischen Delegationen und die Kommandanten der ausländischen Schiffe, die für diesen Anlass im Hafen von Qingdao festgemacht hatten. Der zweite Tage war geprägt von einem maritimen Symposium, bei dem zahlreiche Oberbefehlshaber ihre Erfahrungen und Vorstellungen für einen »Harmonious Ocean« vorstellten.
Admiral Wu Shengli führte zu diesem Symposium ein, indem er feststellte, dass das 21. Jahrhundert ein »Marine Century« sei und anschließend fünf konkrete Vorschläge für die Schaffung eines »Harmonischen Ozeans« unterbreitete: * Sicherstellen der Freiheit der Hohen See und Behandlung internationaler maritimer Dispute unter der ausschließlichen Autorität der Vereinten Nationen; * Stärken von Konsultationsmechanismen, um durch Verhandlungen auf Augenhöhe gegenseitiges Vertrauen für und bei gemeinsamen Operationen auf See zu schaffen; * Aufnahme des Aspekts Maritime Sicherheit in den Auftrag aller Marinen, um den Bedrohungen auf See gemeinsam wirkungsvoll begegnen zu können; * Verstärken der Kooperation und des Personalaustausches, um ein tiefes gegenseitiges Vertrauen auf der Grundlage persönlicher Kontakte zu schaffen; * Bestehen auf einer Kombination von Verhinderung und Behandlung von maritimen Umweltschäden, um die natürlichen Ressourcen der Menschheit zu schonen.
Vizeadmiral Nolting vor dem Symposium |
In seinem Beitrag zum Symposium stellte der Inspekteur der Deutschen Marine das deutsche Verständnis von vernetzter maritimer Sicherheit dar und unterstrich dabei, dass auf diesem Gebiet künftig Erfolge nur durch eine signifikante Intensivierung der multinationalen Kooperation erzielt werden könnten. Diesen Aspekt griffen im weiteren Verlauf des Symposiums nahezu alle hochrangigen Redner ebenfalls auf.
Der dritte Tag der Feierlichkeiten gab hinreichend Zeit und Gelegenheit für Besuche an Bord einzelner chinesischer Schiffe und der ausländischen Einheiten. Die Stimmung vor Ort war marinetypisch heiter und fröhlich, dabei insbesondere aber von der ausgeprägten Neugier der jungen chinesischen Offiziere und Unteroffiziere geprägt, mehr über andere Marinen und Nationen zu erfahren. Deutlich zu spüren war in diesen Tagen aber auch das hohe Selbstbewusstsein der chinesischen Besatzungen, resultierend aus der Tatsache, dass man in der Lage war, den Gästen aus aller Welt moderne eigene Schiffe präsentieren zu können. Gleichzeitig nutzten Admiral Wu Shengli und die Oberbefehlshaber der von ihm zu diesem Fest eingeladenen Marinen die sich an diesem dritten Tag bietende Gelegenheit für bilaterale Gespräche zur Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen.
Für die PLA Navy waren diese Feierlichkeiten von ganz besonderer Bedeutung: Zum einen, weil nach dem alten chinesischen Kalender anlässlich eines 60.Geburtstages erstmals die Zyklen von Sonne und Mond zusammenfallen, zum anderen, da mit diesen Feierlichkeiten erstmals Schritte auf dem multinationalen Parkett gewagt wurden. Deutlich war der Wille der chinesischen Führung zu erkennen, die stärker werdende PLA Navy als legitime Konsequenz der wirtschaftlichen und gesamtstaatlichen Entwicklung Chinas darzustellen, die durch die gezeigte Offenheit und Transparenz sowie dem festen Willen zur Kooperation auf See – so die Worte des Präsidenten – für keine andere Nationen eine Bedrohung darstellt. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass Peking zunehmend bereit sein wird, seine modernisierte Flotte mit der Fähigkeit zur Machtprojektion bewusst und gezielt zum Zwecke des Schaffens von Frieden und Harmonie auf den Weltmeeren zu nutzen.
Der Blick in das Weißbuch Chinas zur Verteidigung von 2008 unterstreicht diese beiden Tendenzen: Zum einen wird dort die Verteidigung ausschließlich als Folge eines gegnerischen Angriffs definiert (»strike only after the enemy has struck«), zum anderen ist Peking dabei, Rüstungsprogramme zu verfolgen, die deutlich über diesen Zweck hinausgehen. Es ist dieser bestehende Zwiespalt zwischen der heute publizierten, grundsätzlich defensiven Einstellung der strategischen Ebene und der künftig angestrebten Fähigkeit zur offensiven und präemptiven, vernetzten Operationsführung auf operativer und taktischer Ebene, der den Beobachter hinsichtlich der weiteren Entwicklung der chinesischen Marine – trotz des seit 2008 zwischen China und den USA geschalteten roten Telefons – nachdenklich in die Zukunft schauen lässt.
Gleichwohl bleibt festzustellen, dass es China mit den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Gründung der PLA Navy auf eine ganz hervorragende Art und Weise gelungen ist, viele Marinen der Welt an einen runden Tisch zu bringen – darunter auch die beiden koreanischen Marineoberbefehlshaber, die die Gelegenheit zu einem Handschlag und Gespräch nutzten. Als Fazit der Feierlichkeiten ist festzustellen, dass der erste Schritt zur Öffnung der PLA Navy gegenüber der Welt getan ist. Nunmehr wird es von deutscher Seite darauf ankommen, in naher Zukunft mit der PLA Navy in einen offenen Dialog einzutreten, um als erste Maßnahme zur Sicherung der langfristigen Zusammenarbeit beider Marinen, u.a. ein Austauschprogramm für junge Offiziere zu installieren.