Indischer Kulturkreis:
In Indien — dem größte Land des indischen Subkontinents — gehören 4 von 5 Indern dem Hinduismus an. Der “Hindu-Nationalismus” (Hindutva) sieht Indien (“Hindustan”) als Land der Hindus, in dem Religion und Kultur ein seien sollen. Buddhisten, Jainas und Sikhs gelten als Abkömmlinge, “Kinder” des Hinduismus, die somit zur “hinduistischen Nation” gehören sollen — während insbesondere Christen (die seit 2000 Jahren in Indien heimisch sind und sich auf den Apostel Thomas zurückführen) und die Moslems als “Fremdkörper” gelten.
Dies sei vorausgeschickt, wenn wir den indischen Kulturkreis definieren — denn genau damit, mit dem “Hindu-Nationalismus”, der selbst in der indischen Verfassung keinen Niederschlag findet, hat unsere Definition nichts zu tun.
Wir sehen Indien als einen Subkontinent, der sich — wie Europa — nahezu eigenständig entwickelt hat. Von der uralten Indus-Kultur lassen sich Entwicklungslinien bis in das heutige Indien ziehen.
Die INDUS-Kultur kann als “Mutterkultur” des gesamten Subkontinents bis nach Sri Lanka gesehen werden, eines Subkontinents, der nicht nur — mit Hinduismus und Buddhismus — zwei Weltreligionen hervorgebracht hat, sondern zur Zeit der islamischen Mogul-Herrscher, der Maharadjas, eine einzigartige kulturelle Blüte erreicht hat.
Auch die moslemischen Herrscher Indiens (1000 bis 1750), die Mogul-Fürsten, haben sich in diesem indischen Kulturkreis eingefügt, diesen weiter entwickelt und geprägt. Die großartigen Paläste, Moscheen und Grabmäler, die in der letzten Zeit vor der britischen Kolonialherrschaft entstanden, prägen das Gesicht des Subkontients — in Pakistan und Indien gleichermaßen. Denkmäler der Weltkultur — wie das im “hinduistischen Indien” gelegene Tadj Mahal — zeigen, wie eng auch heute noch die beiden ungleichen Geschwister Pakistan und Indien auf einem gemeinsamen kulturellen Erbe wurzeln.
Fundamentaler Hinduismus, der aus dem Hinduismus entstandene Buddhismus und die Religion des Islam scheinen heute das gemeinsame Erbe zu vernichten — jeder der heutigen Staaten ist von einer dieser drei großen Religionen geprägt. Lediglich Indien, das sich als betont säkular und laizistisch im Gegensatz zum betont islamischen Pakistan versteht, vereint große Bevölkerungsteile aller dieser Religionen innerhalb seiner Staatsgrenzen.
Unser Begriff der “Hindu-Kultur” umfasst von Bangladesh bis Sri Lanka die Staaten, die — beginnend mit der Indus-Kultur in Pakistan — ursprünglich einen hinduistischen Gedankenkosmos beherbergten, aus hinduistischen Wurzeln entstanden sind, auch wenn heute andere Religionen und Bekenntnisse — der Islam und der Buddhismus — in manchen dieser Staaten (und auch in vielen Gegenden Indiens) dieses hinduistische Erbe überlagern.
Das sind — welch Zufall — auch die Gründungsmitglieder der südasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft.