Deutschland — Einsatzgruppe See der Kampfschwimmerkompanie

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

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Die Tat­sache, dass sich annäh­ernd 60 Prozent aller Städte an Küsten oder Flüssen befind­en, spiegelt die Abhängigkeit vom Ele­ment Wass­er und die Nutzung der Meeres‑, See- und Wasser­wege für den Men­schen wieder. Navigier­bare Wasser­straßen stellen in Län­dern ohne aus­ge­baute Land­verkehr­swege die wichtig­sten Hauptverkehrsadern dar. Die Benutzung dieser Wasser­wege macht sich auch der asym­metrisch wie sym­metrisch agierende Geg­n­er zu Nutzen. Eine Überwachung dieser Wege durch eigene Kräfte ist somit eine der Her­aus­forderun­gen, der sich eine mod­erne Marine stellen muss. 

Mit der Über­führung der Waf­fen­taucher­gruppe (Juli 2003) in die neue Organ­i­sa­tion­sstruk­tur der Spezial­isierten Ein­satzkräfte Marine (SEKM) hat die Deutsche Marine ein Batail­lon geschaf­fen, das wie kein anderes die Hand­lungs­fähigkeit der Seestre­itkräfte der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land auch in sich ändern­den Lagen sowie Bedro­hun­gen unter­stützt und ein entschei­den­des Maß der nationalen Risikovor­sorge darstellt. Das SEKM stellt mit der Kampf­schwim­merkom­panie, der Minen­taucherkom­panie, der Board­ingkom­panie und der Aus­bil­dungsin­spek­tion die spezial­isierten- und Spezialkräfte der Marine dar. Mit der Bere­it­stel­lung von für den Ein­satz speziell abges­timmter Kräfte leis­tet das SEKM einen Beitrag für neue Hand­lungsalter­na­tiv­en des Befehlshabers im Ein­satz und schließlich einen Syn­ergieef­fekt bei der Durch­set­zungs­fähigkeit des Auftrages. 

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Har­mon­isierung mit der Sea King (Foto: Mathe) 

Mit der Umgliederung wurde inner­halb der Kampf­schwim­merkom­panie (Kpf­SchwKp) eine eigene organ­is­che Unter­stützung­sein­heit, die Ein­satz­gruppe See (Eins­GrpSee), materiell und per­son­ell aufgestellt. Die Auf­stel­lung dieser Ein­satz­gruppe (TEAM) resul­tiert aus Erfahrun­gen ver­gan­gener Ein­sätze der seit 1959 existieren­den Spezialein­heit Deutschlands. 

Die Kpf­SchwKp prof­i­tiert dabei auch aus Erfahrun­gen unser­er Ver­bün­de­ten; hier ins­beson­dere durch rege Zusam­me­nar­beit mit den US-Navy SEALs. Begin­nend mit dem seit 1972 existieren­den Per­son­al Exchange Pro­gram wur­den diese kon­se­quent in Ein­satzver­fahren (Stan­dard Oper­at­ing Pro­ce­dures) und Konzepten der Kpf­SchwKp umge­set­zt. Die US-Navy SEALs haben mit den Spe­cial Boat Teams (SBT) 2002 eine hochmo­bile und schlagkräftige Ver­bringung­sein­heit aufgestellt, die oft­mals und fälschlicher­weise als Neben­pro­dukt der Seal Teams (Boat Sup­port Unit) ange­se­hen wurde – heute aber das Rück­grat der seege­hen­den Beweglichkeit der Naval Spe­cial War­fare darstellt. 

Das deutsche Pen­dant zu dem in Batail­lon­sstärke aufgestell­ten SBTs der US-Navy ist die an Größe und Struk­tur angepasste Eins­GrpSee der Kampf­schwim­mer. Die Eins­GrpSee rekru­tiert sich aus speziell aus­ge­sucht­en, aus­ge­bilde­ten und aus­gerüsteten Unterof­fizieren der Ver­wen­dungsrei­he 11 (Decks­di­enst) und 42 (Schiff­santrieb­stech­nik); geführt durch einen Offizier und Porte­pee­un­terof­fiziere der Ver­wen­dungsrei­he 34 (Kampf­schwim­mer). Als Wasser­plat­tform dienen u.a. Jet angetriebene Fes­trumpf Schlauch­boote Rigid Hull Inflat­able Boats (RHIB), die sich durch ihren gerin­gen Tief­gang, hohe Geschwindigkeit, Feuerkraft und Manövrier­barkeit auszeichnen. 

Als ele­mentar­er Bestandteil durch­laufen die Unterof­fiziere der Ver­wen­dungsrei­hen 11 und 42 in ihrer Aus­bil­dung zum Boots­führer RHIB, neben der erweit­erten Kraft­bootaus­bil­dung für Küsten‑, Bin­nengewäss­er und nautis­ch­er Weit­er­bil­dun­gen fol­gende Lehrgänge: 

  • GMDSS-Lehrgang (Glob­al Mar­itime Dis­tress and Safe­ty System),
  • Funk- und Fer­n­meldelehrgang Spezialkräfte,
  • Einzelkämpfer­lehrgang,
  • Fallschirm­springer­lehrgang (automatik und manuell),
  • Lehrgang Über­leben See,
  • Ret­tungs­boots­mann, Ers­thelfer (Com­bat First Respon­der) A/B,
  • Führerscheine zum Führen von mil­itärischen KFZ sowie
  • Aus- und Weit­er­bil­dun­gen an allen in der Eins­GrpSee (Kpf­SchwKp) ver­wen­de­ten Waffen.

Die Sol­dat­en sind in der Lage, Spezialkräf­te­op­er­a­tio­nen der Kampf­schwim­mer bei Tag und Nacht, in allen Kli­ma­zo­nen durchzuführen, zu unter­stützen und in Not­la­gen sich mit den Kampf­schwim­mere­in­satzteams (KSET) durchzuschla­gen. Hier­bei gilt der Grund­satz: Nicht die Boote sind das spezielle, son­dern ihre Crew! 

Die Eins­GrpSee befähigt die Kampf­schwim­mere­in­satzteams zu schnellem Ein­drin­gen in geg­ner­isch kon­trol­liertes Gebi­et (Oper­a­tio­nen in der Tiefe), sei es in Küstengewässern, Deltabere­ichen oder über Flüsse bis weit in das Lan­desin­nere. Auf hoher See kön­nen die Boote für unter­schiedliche Ein­sätze ver­wen­det wer­den und spiegeln somit einen Teil der nationalen mar­iti­men Reak­tions­fähigkeit auf aktuelle Bedro­hun­gen wieder. 

Die umfassende Aus­bil­dung der Sol­dat­en der Eins­GrpSee und der Ein­satz von Kampf­schwim­mern als Boot- und Ele­ment­führern befähigt zu Einzel­op­er­a­tio­nen wie: 

  • Nachricht­engewin­nung und Aufk­lärung auf See und an der Küste;
  • Patrouillen‑, Überwachungs- und Abriegelungsoperationen;
  • Counter Impro­vised Explo­sives Device (C‑IED) / Antimi­nen Maßnahmen;
  • Feuerun­ter­stützung (unter­schiedliche Kaliber) zum Schutz eigen­er Kräfte;
  • Infil­tra­tion und Exfil­tra­tion von Einsatzkräften;
  • Ver­sorgungs- und Nach­schubleis­tun­gen für Ein­satzkräfte zur Unter­stützung der Durchhaltefähigkeit;
  • Bewaffnete Rück­führung von mil­itärischen Kräften;
  • Evakuierung von bedro­htem, zivilem Personal;
  • Unter­stützung der Stre­itkräfte von Aufnahmestaaten;
  • Unter­stützung von CIMIC (engl. Civ­il- Mil­i­tary Co-oper­a­tion) und OpIn­fo (Oper­a­tive Information)
  • Unter­stützung von LEKE (Luft­lande­fähige Kom­po­nente für den Elek­tro­n­is­chen Kampf zur Nahunter­stützung im Einsatz)
  • Suche und Ret­tung von Per­son­al unter Bedrohung.

Die seegestützte Führung und die u. A. bei Stead­fast Jaguar und NOCO (North­ern Coast Großübung der NATO, geführt durch die Deutsche Marine gezeigte und har­monierende Zusam­me­nar­beit mit den auf Mari­neein­heit­en (z.B. Ein­satz­grup­pen­ver­sorg­er EGV oder zukün­ftig F125) eingeschifften Hub­schraubern der Marine, eröff­nen weit­ere Fähigkeit­en ein­er vorgeschobe­nen mar­iti­men Basis (»Basis See«). Aus­gerüstet mit Aufk­lärungsmit­teln kann die Eins­GrpSee detek­tier­bare Anom­alien im Schiffsverkehr aus­find­ig machen und somit als ein Teil der »Mar­itime Sur­veil­lance« zur Her­stel­lung der »Mar­itime Sit­u­a­tion Aware­ness« in der Reak­tions­kette ihren Beitrag leisten. 

Oper­a­tio­nen der Spezialkräfte, die Unter­stützung ander­er mil­itärisch­er Kräfte sowie die Möglichkeit, human­itäre Unter­stützung oder Maß­nah­men bei Naturkatas­tro­phen auch in Krisen­ge­bi­eten bis weit in die Bin­nengewäss­er durchzuführen, ist als eine weit­ere Hand­lungsalter­na­tive in der Ein­satzfähigkeit auch im Rah­men von stre­itkräfteüber­greifend­en Oper­a­tio­nen zu sehen. 

In der Posi­tions­bes­tim­mung des dama­li­gen Inspek­teurs der Marine, Vizead­mi­ral Wolf­gang Nolt­ing, heißt es: »Eine wichtige Auf­gabe über und auf See ist auch die Krisen­präven­tion und die Krisen­be­wäl­ti­gung vor Ort, um den Export von Risiken und Gefahren nach Europa zu ver­hin­dern«. (Marine­Fo­rum 3–2010 S. 6). Der Ein­satz der Kampfschwimmer/EinsGrpSee als Seekriegsmit­tel oder in Spezialkräf­te­op­er­a­tion in ein­er NATO geführten Mar­itime Secu­ri­ty Oper­a­tion ist eine der Möglichkeit­en, auch in sich ändern­den Lagen sowie Bedro­hun­gen, die Hand­lungs­fähigkeit der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land darzustellen und eine sachgerechte Risikovor­sorge zu betreiben, wenn die Zielvor­gabe ein mil­itärisches Ein­wirken auf ein Krisen­ge­bi­et von See her vorsieht. 

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Übung mit SBT 21 (Foto: Mathe)

Team GlobDef

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