Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “Marineforum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Da gibt es in Südostasien einen Staat,
- der allseits von Wasser umgeben ist und dessen Gebiet sich auf mehr als 7.100 Inseln verteilt,
- der vier Jahrhunderte lang Kolonie ausgeprägter Seemächte (Spanien, USA) war.
- vor dessen Küsten sich reiche Fischgründe finden (die zunehmend durch illegale Fischerei bedroht werden)
- in dessen EEZ größere Öl- und Gasvorkommen vermutet werden (auf die man auch Anspruch erhebt),
und - in dessen Nähe wichtige internationale Seeverkehrswege verlaufen (bei zugleich ausufernder Piraterie).
Bei diesen Voraussetzungen sollte hier – auf den Philippinen — doch eigentlich maritimes Denken in der Politik unverrückbar verankert sein, sollte eine starke, zumindest aber den regionalen Rahmenbedingungen angepasste Marine ihren „Stammplatz“ haben und bei der Verteilung der im Verteidigungsbudget verfügbaren Mittel deutlichen Vorzug genießen.
Tatsächlich bezeichnet jedoch der Stabschef der philippinischen Streitkräfte, General Dionisio Santiago, die Philippine Navy (PN) als „practically non-existent“, und auch der erst im März in sein Amt eingeführte neue Marinebefehlshaber, Rear Admiral Ernesto de Leon spricht unverblümt von der „least capable navy in South-East Asia“.
Gebrauchte Schiffe – keine Neubauten
Als die USA 1946 die Philippinen in die Unabhängigkeit entließen, erhielt die junge Nation eine ganze Reihe von der US-Navy nach Kriegsende nicht mehr benötigte Schiffe und Boote als Grundstock zum Aufbau einer eigenen Marine. 19 kleinere Geleitfregatten (heute wohl eher als Korvetten zu bezeichnen), etwa 30 S‑Boote und Wachboote sowie fünf größere und drei kleinere amphibische Fahrzeuge bildeten damals eine moderne (noch 1953 war kein Fahrzeug älter als zehn Jahre), insgesamt ausgewogene und sowohl dem Inselreich als auch dem regionalen Umfeld angemessene Flotte. Dazu stellten militärische Kooperationsabkommen mit den USA und die Gewährung von Stützpunktrechten einen stetigen Fluss von Geldern aus der US-Militärhilfe sicher.
In den folgenden Jahrzehnten konnte die PN ihren Bestand denn auch noch kräftig mehren. Als sich 1976 die Gelegenheit bot, große Teile der Flotten Südvietnams und Kambodschas (darunter zehn Fregatten und 11 Landungsschiffe), die sich vor der Niederlage im Vietnamkrieg auf die Philippinen geflüchtet hatte, zum Schrottpreis zu erwerben, griff man kurzerhand zu. Für das Jahr 1980 nennt WEYERS Flottentaschenbuch einen Gesamtbestand von 226 Einheiten, darunter etwa 20 Geleitfregatten, 135 Wach- und S‑Boote, 26 größere und 13 mittlere amphibische Einheiten. Zusätzlich fanden noch fast 80 kleinere ex-US-Landungsfahrzeuge (LCU) über die japanische Marine den Weg auf die Philippinen.
Die „300-Einheiten-Flotte“ dieser Zeit suggeriert eine kampfkräftige, regional führende Marine. Tatsächlich machte sich aber bereits Mitte der 70-er Jahre die „Policy“, auf zyklische Erneuerung der Flotte durch Neubauten zu verzichten, sich auf den Erwerb billiger Gebrauchtfahrzeuge zu beschränken und zugleich den Aufwand für Wartung und Instandhaltung zu minimieren, zunehmend negativ bemerkbar. So sollen sich die als „Schrott“ erworbenen vietnamesischen Einheiten durchweg in einem besseren Zustand befunden haben, als die Einheiten der fahrenden Flotte. Die materiell vernachlässigte Flotte der PN verfiel weiter. 1990 registrierte man zwar immer noch einen Bestand von gut 250 Schiffen und Booten. Von diesen wurde aber nur etwa 100 Fahrbereitschaft (nicht Einsatzbereitschaft) zugestanden, und fast alle hochseefähigen Einheiten stammten unverändert aus den 40-er Jahren.
Innere Sicherheit bestimmt Prioritäten
Die Gründe dafür waren innenpolitischer Natur – und leider haben sie vielfach auch noch heute Bestand. Als 1965 Ferdinand Marcos Präsident wurde, geschah dies zwar auf der Basis demokratischer Wahlen. Sehr schnell entwickelte der „Hoffnungsträger“ aber ein zutiefst korruptes, autokratisches Regime, das im Lande zunehmend auf Widerstand stieß und kommunistischen Guerillas wie moslemischen Separatisten einen gleichermaßen guten Nährboden bot. 1972 verhängte Marcos das Kriegsrecht, das seine Macht sicherte und erst nach seinem Sturz 1986 wieder aufgehoben wurde.
Bei fehlender äußerer aber zunehmend stärkerer werdender innerer Bedrohung wurden für die Marine Fähigkeiten, über das Hoheitsgebiet hinaus regional zu wirken, nebensächlich. Natürlich erforderte schon allein die Inselstruktur der Philippinen zahlenmäßig umfangreiche Seestreitkräfte. Priorität hatten jetzt allerdings kleine, schnelle, mit leichten Rohrwaffen bestückte Boote, die zur koordinierteren Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben (vor allem Counter-Insurgency) zwischen den Inseln in einer Küstenwache zusammengefasst wurden. Diese war der Marine zwar zunächst noch unterstellt, wurde gegenüber dem Rest der Flotte aber materiell schon deutlich bevorzugt – sie erhielt sogar zahlreiche neue Boote. Daneben „zählten“ für das Verteidigungsministerium in Manila eigentlich nur noch amphibische Fahrzeuge, die — als reine Transportmittel — der Marineinfanterie und der Philippine Army bei der Guerillabekämpfung auf und zwischen den Inseln schnelle Schwerpunktverlagerungen ermöglichten.
Hoffnung … – … und Ernüchterung
Nach dem Sturz von Marcos schien sich das Umfeld für die philippinische Marine zu verbessern. Die innere Lage beruhigte sich. Die kommunistische Guerilla verlor den Rückhalt in der Bevölkerung, mit den moslemischen Separatisten im Süden der Inselrepublik wurden Friedensverträge geschlossen. Zwar waren mit dem „Hinauswurf“ der US-Streitkräfte (Entzug der Stützpunktrechte) die Gelder aus der US-Militärhilfe versiegt. Dennoch gab man sich zuversichtlich, für die über Jahrzehnte vernachlässigte Marine einen Neubeginn zu wagen.
Bereits 1986, unmittelbar nach dem Ende der Marcos-Diktatur, hatte das Verteidigungsministerium einen ersten Plan zur Streitkräftemodernisierung vorgelegt, der mit einem Umfang von 15 Mrd. Dollar allerdings sehr schnell als „nicht finanzierbar“ verworfen wurde. 1991 billigte Präsidentin Corazon Aquino dann einen „abgespeckten“ Zehnjahresplan, der für die PN für 1,5 Mrd. US-Dollar die Beschaffung von 36 neuen Schiffen und Booten sowie 10 Seeaufklärungsflugzeugen vorsah. Parallel dazu sollten mindestens 17 ältere Kriegsschiffe (etwa die Hälfte aller hochseefähigen Einheiten) ausgemustert werden. Sehr schnell meldeten die Medien damals, dass Südkorea der PN zwölf 25-m-Patrouillenboote der SEA HAWK-Klasse überlassen wolle und der US-Schiffbauer Halter Marine den Auftrag erhalten habe, zahlreiche weitere, etwa gleich große Patrouillenboote vom Typ PCF-70 zu bauen (all diese Kleinboote sind inzwischen auch tatsächlich zugelaufen).
Weitere, für den hochseefähigen Kern der modernen Flotte unverzichtbare Einheiten sollten in Spanien, Australien und angeblich sogar in Russland (FK-Korvetten TARANTUL) bestellt worden sein. Hier gab es dann allerdings eine schnelle Ernüchterung. Das Parlament bewilligte noch nicht einmal die Mittel für die ersten acht nach dem Plan zu beschaffenden Einheiten, und 1994 erklärte der neue Präsident Ramos die 1991 “übereilt” abgeschlossenen Vorverträge sämtlich für ungültig.
1996 wagte man den nächsten Anlauf: Nun sollten im Rahmen einer auf 10 Mrd. Dollar reduzierten und auf 15 Jahre gestreckten Streitkräftemodernisierung bis 2010 mehr als 4 Mrd. Dollar in Beschaffungsvorhaben für die Marine investiert werden. Neubeschaffung von Kampfeinheiten und Hilfsschiffen, Flugzeugen und Hubschraubern sollte die Ausmusterung zahlreicher Einheiten ermöglichen und damit der Überalterung und Typenvielfalt der Flotteninventars ein Ende setzen. Beeinflusst von einer Wiederannäherung an die USA — und Konfrontationen mit der chinesischen Marine im an Ressourcen reichen Spratly-Archipel – gelangten FK-Korvetten, weitere mit Seeziel-FK bewaffnete Patrouillenfahrzeuge und sogar bei der US-Navy ausgemusterte Fregatten der OLIVER HAZARD PERRY-Klasse auf den Wunschzettel der PN. Parallel zu den Neubeschaffungen sollte die Marine insgesamt umgegliedert und strukturell gestrafft werden. Am Ende des 15-Jahres-Projektes sollte für den damaligen Marinebefehlshaber Admiral Carranza, eine “Grün-Wasser-Marine” stehen, die „ihren Auftrag in den Hoheitsgewässern der mehr als 7000 Inseln und in der Erweiterten Wirtschaftszone effektiv wahrnehmen“ kann.
Aber erneut ließ die Ernüchterung nicht lange auf sich warten. Nur wenige Monate nach dem Regierungsbeschluss zur Streitkräftemodernisierung halbierte das Parlament die dafür vorgesehenen Mittel mit der Begründung, die Verteidigungsausgaben seien an die erwartete wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu koppeln. 1998 setzte dann der neue Präsident Estrada unmittelbar nach seinem Amtsantritt die gesamte Streitkräfteplanung um zunächst ein Jahr aus, um sie schließlich in 2000 mit Blick auf die asiatische Finanz- und Wirtschaftskrise für unbestimmte Zeit auf Eis zu legen.
So konnte die PN, die u.a. mit Ingalls (USA) bereits eine Lieferung von neuen Korvetten „vereinbart“, zwischenzeitlich sogar auf Fregatten vom franz. Typ La FAYETTE gehofft und 1999 auch deutsche Meko-Korvetten (Blohm & Voss) in die „Short-List“ des Modernisierungsprogramms aufgenommen hatte, bis heute tatsächlich keinen einzigen hochseefähigen Neubau beschaffen. Erworben wurden nur drei inzwischen auch schon 20 Jahre alte, ehemals britische 700-ts-Patrouillenfahrzeuge der PEACOCK- (jetzt JACINTO-) Klasse sowie das zehn Jahre alte S‑Boot CYCLONE der US-Navy.
Küstenwache ausgegliedert
Damit nicht genug, brachte der Amtsantritt von Präsident Estrada der PN 1998 noch einen weiteren, tiefen Einschnitt. Die ihr bis dato noch zugeordnete Küstenwache (PCG) wurde ausgegliedert, zunächst dem Präsidialbüro und später dann dem Ministerium für Transport und Fernmeldewesen unterstellt. Sie übernahm aus dem Bestand der PN alle Fahrzeuge, die kürzer waren als 20m.
Von der Herauslösung der PCG aus der Marine versprach sich die Regierung vor allem auch vermehrte materielle Unterstützung aus dem Ausland, insbesondere aus Ländern wie Japan, die den Philippinen zwar grundsätzlich wohlwollend gegenüberstehen, sich bei Rüstungsexporten allerdings zurück halten. So sind z.B. Japan Rüstungsexporte verfassungsrechtlich verboten; Unterstützung einer nicht dem Militär unterstellten Küstenwache mit zivilem, polizeilichen Auftrag wäre dagegen kein Problem. Dieses Kalkül scheint auch aufzugehen. So erhielt die PCG in den letzten Jahren – finanziert von Australien und gebaut von Tenix in Australien — zwei 56-m-SAR-Boote und vier 35-m-Wachboote (weitere zwei 56‑m und bis zu zehn 35-m-Boote sollen folgen). Auch die US-Coast Guard überließ zwei ihrer 82-ft-Wachboote.
Vordergründig scheint dies eine durchaus positive Entwicklung – leider aber wohl nur für die PCG. Für die Marine und ihren „Traum“ von einer modernen, hochseefähigen Flotte sind die Folgen der Ausgliederung der PCG noch nicht absehbar. Zwar ist die PCG in ihrem Auftrag ausschließlich auf die philippinischen Hoheitsgewässer beschränkt, und die PN wird damit ihre ureigenen Aufgaben außerhalb dieser Gebiete (Überwachung der EEZ, Sicherung von Ansprüchen auf Ressourcen im Spratly-Archipel, Bekämpfung von Schmuggel und Piraterie) unverändert behalten. Gerade diese Konzentration auf Aufgaben nahezu ausschließlich außerhalb der Territorialgewässer unterstreicht aber nachdrücklich die Notwendigkeit, die überwiegend 60 Jahre alten hochseefähigen Einheiten durch moderne Neubauten zu ersetzen.
Ob sie die dafür notwendigen Mittel erhält, ist jedoch fraglich. Die Beruhigung der innenpolitischen Lage nach dem Sturz von Marcos scheint nur von vorübergehender Natur gewesen zu sein. Sowohl die kommunistische Guerilla als auch moslemische Extremisten und Separatisten zeigen wieder zunehmende Aktivitäten. Hinzu kommt noch die in der Celebes- und Sulusee aktive, dem Umfeld des Internationalen Terrorismus (Al Qa´eda) zugeordnete Banditengruppe Abu Sayyaf, die bereits mehrfach Touristenhotels in der Region überfallen und Menschen mit Hilfe über 50 kn schneller Speedboote über See entführt hat. So muss die Marine befürchten, dass die im Süden und Südwesten der Philippinen in den letzten Monaten dramatisch verschärfte Sicherheitslage erneut erhebliche Mittel für die dort eingesetzten Landstreitkräfte und die mit polizeilichen Aufgaben innerhalb der Inselwelt betraute PCG bindet und die Prioritäten bei der Verteilung des Verteidigungsbudgets einmal mehr zu ihren Ungunsten verschoben werden.
Modernisierung auf Eis
Eigentlich spricht also alles dafür, dass die seit Jahrzehnten überfällige Modernisierung der hochseefähigen Anteile der Flotte auch weiterhin auf Eis liegt. Erst kürzlich musste Finanzminister Camacho vor der Presse erneut einräumen, dass dazu „no funds immediately available“ seien. Und auch die im Verteidigungsausschuss öffentlich getroffene Feststellung, dass etwa die Hälfte der Einheiten der PN derzeit nicht einsatzfähig sei, dürfte kaum als Anschubinitiative für die beschleunigte Beschaffung moderner Schiffe zu interpretieren sein. Immerhin bemüht sich der Ausschuss aber, aus einem Sondertitel etwa 90 Mio. US-Dollar für dringendste Instandsetzungsmaßnahmen an u.a. 60-jährigen Fregatten und zur Modernisierung der drei ex-britischen JACINTO zu erhalten.
In all dieser „Düsternis“ zeigt sich aber auch ein mögliches „Licht am Ende des Tunnels“. Offenbar gibt es eine bereits fortgeschrittene Planung, in enger Zusammenarbeit mit Kanada drei Korvettenneubauten zu beschaffen. Das Projekt soll vorsehen, die Schiffe des deutschen Meko-100-Designs in Kanada in Lizenz zu bauen, durch CAE mit FueWES auszurüsten und dann in einem Leasing-Abkommen durch Kanada an die PN zu vermieten, d.h. die eigentliche Beschaffung (Gesamtumfang 600 Mio. US-Dollar) ginge damit zunächst zu Lasten Kanadas. Teile dieses Vorhabens sollen noch in diesem Sommer international ausgeschrieben werden.