Asien — Es wird eng im Südchinesischen Meer

In Mit­ten von acht Staat­en bildet das Süd­chi­ne­sis­che Meer aktuell wie in Zukun­ft einen Hot-Spot. Die dor­ti­gen Manöver der chi­ne­sis­chen Marine vom 26. Juli weisen ein­deutig in diese Rich­tung. Kriegss­chiffe und U‑Boote, die mit schar­fer Muni­tion und im Zusam­men­spiel mit Kampf­flugzeu­gen üben, sind ein deut­lich­es Zeichen dafür, dass Peking keines Falls gewil­lt ist von seinen Inter­essen abstand zunehmen. Für mehr Details zur Marinerüs­tung in der Region sei hier auch auf den Beitrag vom 07.02.2010 verwiesen. 

Mit ein­er Fläche von etwa 2,9 Mio. km2, ein­er max­i­malen Tiefe von mehr als 5015m und hun­derten Inseln bietet das Süd­chi­ne­sis­che Meer schwierige Bedin­gun­gen für Sicher­heit­spoli­tik. Diese Lage wird durch die acht Län­der herum weit­er ver­schärft. Thai­land, Malaysia, Indone­sien und die Philip­pinen sind, wen­ngle­ich auch unter­schiedlichen Grades, mit innen­poli­tis­chen Her­aus­forderun­gen kon­fron­tiert. Das Sul­tanat Brunei ist wegen sein­er Natur als Zwergstaat in ein­er denkbar ungün­sti­gen Lage. Der Chi­na-Tai­wan Kon­flikt bedarf kein­er weit­eren Erwäh­nung. Chi­na befind­et sich in Gren­zstre­it­igkeit­en mit Viet­nam und anderen, da Peking etwa 80 des Süd­chi­ne­sis­chen Meeres als seine Seerecht­szone sieht (Vgl.: Fis­ch­er 2010). 

Kon­flik­te um die Seerecht­szo­nen erfahren zwangsweise Bedeu­tung weit über die Region hin­aus. Hier sollen rund „30 Mil­lio­nen Bar­rel Erdöl und 7.500 km³ Erdgas“ lagern und „50 % aller jährlich ver­schifften Waren“ wer­den durch das Süd­chi­ne­sis­che Meer trans­portiert (Vgl.: Goru­ma 2010). Auch Min­er­alien­vorkom­men soll es dort geben. Die Sicher­heit von Energiev­er­sorgung und Trans­port wird ihren Bedeu­tungszuwachs auch in Zukun­ft stark weit­er fort­set­zen. So wird auch das Süd­chi­ne­sis­che kon­tinuier­lich an geo- und sicher­heit­spoli­tis­ch­er Rel­e­vanz gewinnen. 

Logisch, dass die Anrain­er­staat­en mit den Ansprüchen der Chi­ne­sen Prob­leme haben und auch ihren Anteil vom Kuchen abhaben wollen, wie etwa Viet­nam. In Hanoi sieht man Chi­nas Gebaren mit Sorge, kann es sich aber auf­grund divers­er Ver­flech­tun­gen nicht zu sehr mit Peking ver­scherzen. Allerd­ings ist Viet­nam bemüht Sicher­heit­sko­op­er­a­tion mit seinen ASEAN-Part­nern Thai­land, Malaysia, den Philip­pinen, Sin­ga­pur und Indone­sien aufzubauen (Vgl.: Vuving 2010: 169 & 177f.). Hier ist deut­lich zu erken­nen, dass es inner­halb der meis­ten ASEAN-Staat­en ein gemein­sames Sicher­heitsin­ter­esse gegenüber Pekings Ambi­tio­nen gibt. 

Ein­er der wichtig­sten Stre­it­punk­te sind die hun­derten von kleinen Inseln im Süd­chi­ne­sis­chen Meer, wovon die Para­cel- und die Sprat­ly-Inseln die wichtig­sten Grup­pen sind. Durch seinen neuen Marinestützpunkt Sanya auf der Insel Hainan hat sich Chi­na schon eine strate­gis­che Basis in Rich­tung dieser Inseln geschaf­fen. Aus Sicht Pekings ist dies zwin­gend erforder­lich, denn die US-Navy ist stetig in der Region präsent. Außer­dem erk­lärte Hillary Clin­ton kür­zlich in ein­er Rede vor den ASEAN-Staat­en für die USA sei es ein nationales Inter­esse, dass die Gren­zstre­it­igkeit­en im Süd­chi­ne­sis­chen Meer friedlich gelöst wür­den (Vgl.: Bow­er 2010: 1; Fis­ch­er 2010). 

Um die Para­cel-Inseln stre­it­en sich Chi­na, Viet­nam und Tai­wan. Peking besitzt hier den größten Vorteil, da es die Inseln seit 1974 beset­zt hält, dort Mil­itär sta­tion­iert hat und Sanya nur ein paar hun­dert Kilo­me­ter ent­fer­nt ist. Chi­na wird die Inseln, allen Stre­it­igkeit­en zum Trotz, daher nicht aufgeben und in Zukun­ft die dor­ti­gen Öl- und Gasvorkom­men ausbeuten. 

Die drei oben genan­nten Län­der plus Malaysia und die Philip­pinen erheben alle Ansprüche auf die Sprtaly Inseln und haben kleinere Trup­penkontin­gente auf einzel­nen Inseln sta­tion­iert. Let­ztere zwei beanspruchen nur Teile des Archipels, während Peking, Hanoi und Taipeh das gesamte Gebi­et als ihres anse­hen. Allerd­ings haben sich die betr­e­f­fend­en Staat­en 2002 darauf geeinigt, ihre Stre­it­igkeit­en friedlich beizule­gen (Vgl.: ASEAN 2002). Wer am Ende das Ren­nen um die Explo­ration der Öl- und Gasvorkom­men gewin­nt, bleibt vor­erst offen. Man kann aber mit Sicher­heit annehmen, dass chi­ne­sis­che Fir­men, ob alleine oder eventuell mit Part­nern, ganz vorne dabei sein wer­den. Chi­na ver­sucht seinen Ein­fluss auf die Philip­pinen auszubauen und hat mit dem 2005 abgeschlosse­nen „Joint Mar­itime Seis­mic Under­stand­ing“ (JMSU) einen Fuß in der Tür. Im JMSU abkom­men einigten sich die philip­pinis­che PETRON, die chi­ne­sis­che CNOOC und Petro Viet­nam darauf, die seis­mis­che Erforschung der Sprat­ly-Inseln gemein­sam durchzuführen (Vgl.: Bow­er 2010: 4). 

Ander­seits zeigte die chi­ne­sis­che Marine in let­zter Zeit ver­mehrt Präsenz bei den Sprat­ly-Inseln und in der gesamten Region (Vgl.: IISS 2010: 1). Für die Zukun­ft kündigten chi­ne­sis­che Mil­itärs an, man werde seine Präsenz, eventuell auch mit Flugzeugträgern und Atom-U-Booten (SSN, Typ 093/Shang-Klasse), aus­bauen. So lassen sich die Entschei­dun­gen Viet­nams, Sin­ga­purs und Malaysias, eigene U‑Boote zu beschaf­fen, sicher­heit­spoli­tisch nachvol­lziehen. Ein Wet­trüsten kön­nten diese Staat­en nicht beste­hen, aber für sie geht es darum, gegenüber dem weit­er wach­senden chi­ne­sis­chen Drachen Spiel­raum zu behal­ten. Dies zeigt sich auch daran, dass die ASEAN-Staat­en sich in Hanoi darauf einigten die USA und Rus­s­land zukün­ftig in den “East Asia Sum­mit” ein­binden zu wollen. Ein ver­stärk­tes Engage­ment bei­der Staat­en in der Region sei eben­falls gewün­scht (Vgl.: ASEAN 2010: Art. 43). 

Für die USA kommt diese Erk­lärung wie gerufen. Seit 2001 war Wash­ing­ton fast vol­lkom­men auf den Nahen und Mit­tleren Osten fix­iert. Dies hat sich geän­dert und der Focus der Amerikan­er richtet sich immer mehr in Rich­tung (Südost-)Asien. Nach­dem man die Region lange ver­nach­läs­sigt hat, wird Wash­ing­ton dort viel mehr Präsenz zeigen. So ver­han­delt man aktuell mit Viet­nam über eine nuk­leare Zusam­me­nar­beit. Dabei geht es Wash­ing­ton nicht nur um den Zugang zu den Rohstof­fvorkom­men, der Sicherung der Trans­portwege oder Tai­wan, son­dern auch um die Ver­hin­derung der Aus­bre­itung islamistisch motivierten Ter­ror­is­mus sowie um die Eindäm­mung chi­ne­sis­chen Einflusses. 

Rus­s­land musste seine noch aus sow­jetis­chen Zeit­en stam­mende Marineba­sis in Cam Ranh, Viet­nam 2004 aufgeben. Mit­tler­weile kommt Rus­s­land aber wieder zurück. Viet­nam kaufte Kampf­flugzeuge und U‑Boote in Rus­s­land und lässt sich die dazuge­hörige Basis von Moskau bauen. Diese soll auch als Ver­sorgungsstützpunkt für rus­sis­che Schiffe dienen (Vgl.: The Straits Times 2010). Der Kreml ist also um deut­lich mehr poli­tis­chen wie mil­itärischen Ein­fluss in der Region bemüht. Die Ein­ladung zum “East Asian Sum­mit” macht deut­lich, dass die Tür dafür offen ste­ht. Rus­s­lands Inter­essen dürften weniger in Trans­port und Rohstof­fen liegen. Vielmehr geht es darum sich neben den USA und Chi­na als Groß­macht zu präsen­tieren und den eige­nen Sta­tus zu untermauern. 

Für Europa wird es dage­gen ungle­ich schwieriger in der Region eine Rolle zu spie­len. Zählt man Rus­s­land und die USA hinzu, sind im EAS alle aktuell wichti­gen Län­der und „Glob­al Play­er“ bis auf Brasilien sowie eben die Europäer vertreten. Dies zeigt Europas heute schon nachrangi­gen Sta­tus in der Region. Beim ASEAN-Tre­f­fen in Hanoi glänzte Cather­ine Ash­ton trotz Ein­ladung durch Abwe­sen­heit. Vom poli­tis­chen Fokus wie geografisch ist Europa von Südost-Asien aktuell ziem­lich weit weg. Die EU „Asien-Strate­gie“ ist ein Papier­tiger und der Europa-Asien-Gipfel (ASEM) ist weitest­ge­hend auf wirtschaftliche, nicht auf poli­tis­che Fra­gen, fixiert. 

Chi­na und die USA drän­gen ins Süd­chi­ne­sis­che Meer. Rus­s­land wird ihnen fol­gen. Staat­en wie Japan, Süd-Korea, Aus­tralien und eventuell auch Indi­en wer­den in Südost-Asien poli­tisch in Zukun­ft immer aktiv­er wer­den. Eng wird es nicht nur wegen dem steigen­den Schiffsverkehr und der größeren Flot­ten­präsen­zen, son­dern wegen der zunehmenden Anzahl an Akteuren, die eine zunehmende Anzahl an Inter­essenkon­flik­ten nach sich ziehen. Dies zieht eine geo- und sicher­heit­spoli­tis­che Schw­er­punk­tver­lagerung nach sich. Etwas unter­halb des Indis­chen Ozeans wird das Süd­chi­ne­sis­che Meer und die Region in den kom­menden Jahrzehn­ten ein Hot Spot der inter­na­tionalen Poli­tik sein. 

Quellen und Lesenswertes:
ASEAN (ed.) (2002): Dec­la­ra­tion on the Con­duct of Par­ties in the South Chi­na Sea
ASEAN (ed.) (2010): Chairman’s State­ment of the 16th ASEAN Sum­mit: “Towards the ASEAN Com­mu­ni­ty: from Vision to Action”
— Bow­er, Ernest Z. (2010): The JMSU: A Tale of Bilat­er­al­ism and Secre­cy in the South Chi­na Sea, IN: CSIS (ed.), South East Asia Newslet­ter, Vol. I (2010), No. 23,
— Buch­stein­er, Jochen (2010): Mit Wash­ing­ton und Moskau gegen Peking
— Fis­ch­er, Peter A. (Hg.) (2010): Muskel­spiele im Süd­chi­ne­sis­chen Meer
— Goru­ma, das Länder‑, Städte‑, Wis­senschafts- und Kul­tur­por­tal (Hg.) (2010): Süd­chi­ne­sis­ches Meer
— Inter­na­tion­al Insti­tute for Strate­gic Stud­ies (ed.) (2010): Chi­nese new navy´s strat­e­gy in action, IN: Strate­gic Com­ments, Vol. 16 (2010), May
— Jacobs, Andrew (2010): Chi­na Warns U.S. to Stay Out of Islands Dis­pute
— Koike, Yuriko (2010): http://www.project-syndicate.org/commentary/koike5/English
— Lim­ing, Wu; Yong, Chen (2010): U.S. involve­ment will only com­pli­cate South Chi­na Sea issue
— The Straits Times (2010): Rus­sia-built sub base in Viet­nam
— Vuving, Alexan­der (2010): Viet­namese Per­spec­tives on Transna­tion­al Secu­ri­ty Chal­lenges, IN: Asia-Pacif­ic Cen­ter for Secu­ri­ty Stud­ies (ed.) (2010): Issues for Engage­ment: Asian Per­spec­tives on Transna­tion­al Chal­lenges, 167–179,
— Xin­hua (ed.) (2010): PLA Navy con­ducts live-ammu­ni­tion train­ing in South Chi­na Sea
— Yang, Ai (2010): US-Viet­nam nuke deal ‘desta­bi­liz­ing’

Source:
Erschienen auf Sei­dlers Sicher­heit­spoli­tik-Blog

Face­book and/or on Twit­ter

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

Alle Beiträge ansehen von Team GlobDef →