Ein geschichtlicher Rückblick:
Die 50er Jahre
Bereits in den 50er Jahren gelang es China mit Hilfe von Konstruktionszeichnungen und Fertigungsunterlagen des „sowjetischen Brudervolkes“ einige sowjetische Raketen – selbst wieder Nachbauten der Deutschen V 2 („Aggregat 4“) – nachzubauen, und daraus eigene ballistische Raketen für die militärische Nutzung zu entwickeln. Besonders die russische R‑2 sollte als chinesische Nachbauversion „DONG FENG 1“ (DF‑1) zur „Mutter aller chinesischen Raketentypen“ werden.
Zur Weiterentwicklung trug wesentlich ein Mann bei – Professor Quian Xuesen, der bis zu seiner Rückkehr nach China (1956) am US-Raumfahrtprogramm mitgearbeitet hatte. Als Mao 1958 die Wirtschaftsbewegung „großer Sprung nach vorn“ auslöste – die sich bis 1960 zu einem wirtschaftlichen Desaster entwickelte und mit Hungersnöten 1961 und 1962 endete – begründete Quian unter dem Schutz des Militärs die sich speziell dem Raketenprogramm widmende 5. Akademie des Verteidigungsministeriums in Bejing (Peking), die heute als „China Academy of Launch Vehicle Technology“ (CALT) bekannt ist und maßgeblich die Fertigung der chinesischen Weltraumraketen betreibt.
1964 bis 1971 „auf dem Sprung“
Die Anfänge des chinesischen Raumfahrtprogrammes reichen bis zum Jahre 1964 zurück.
In einer ersten umfassenden Überprüfung des Raketenbauprogramms wurde damals entschieden, innerhalb von 8 Jahren insgesamt 4 neue Raketen zum Einsatz zu bringen, unter anderem die militärisch zu nutzende Mittelstreckenrakete „DONG FENG 4 (DF 4 – im Westen als CSS‑3 bekannt)“ und die Langstreckenrakete „DONG FENG 5 (DF 5)“. Diese Raketen waren auch in der Lage, kleinere Satelliten in eine Erdumlaufbahn zu tragen – was die Chinesische Akademie der Wissenschaften bewog, der Regierung 1965 einen Vorschlag zur Bildung eines eigenständigen chinesischen Raumfahrtprogramms zu unterbreiten.
Trotz der Wirren der „großen proletarischen Kulturrevolution“, die Mao im Machtkampf mit dem Zentralkomitee von 1966 bis 1969 entfesselte,
Externer Link: Die “Große Proletarische Kulturrevolution” — Hintergründe, Verlauf und Auswirkungen — (www.chinafokus.de)
gelang es, dieses prestigeträchtige Programm umzusetzen und schon 1970 den ersten „self made“ Satelliten (DONG FANG HONG – „Der Osten ist rot“) in eine Umlaufbahn zu senden.
Nach dem populären Erfolg dieses ersten Satelliten konnte der einflussreiche Politiker Lin Biao für die Entwicklung eines chinesischen Raumfahrtprogrammes begeistert werden. Ein von ihm unterstütztes und schon 1970 verabschiedetes ehrgeiziges Programm sah vor, innerhalb von 5 Jahren insgesamt 14 verschiedene Satelliten auf 8 neuen Trägerraketen zum Einsatz zu bringen. Gleichzeitig wurden erste „Taikonauten“ in ein Trainingsprogramm aufgenommen (Projekt 714).
Aus der bereits bei der Wan-Yuan Industrie in Peking von der DF 4 fortentwickelten zivilen Trägerrakete „CHANG ZHEN“ (CZ – im Westen als „Langer Marsch“ – LM geführt) sollte eine Familie von insgesamt 4 verschiedenen Trägersystemen entwickelten werden, deren letzte Version – die CZ-2C – auch für bemannte Raumflüge geeignet sein sollte.
Hierzu sollte neben dem Pekinger Institut in Shanghai (bei Xinshong Hua) ein weiterer Standort für die Raketenproduktion gebildet werden. Diesem Werk gelang es auch, innerhalb eines Jahres eine Kopie der CZ 2 (als FENG BAO 1 bezeichnet) zu fertigen.
Beide Raketen, die CHANG ZHEN 2 (Erstflug im September 1971), und deren Kopie, die FENG BAO 1 (Erstflug im August 1972) konnten in kurzer Zeit ihre Einsatzreife bei suborbitalen Flügen unter Beweis stellen.
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1971: politisch verursachter Rückschlag:
Mit dem politischen Sturz und mysteriösen Absturz Lin Biaos am 13. September 1971 wurde von Mao Tse Tung das von Lin protegierte bemannte Raumfahrtprojekt eingestellt, die vorgesehenen finanziellen Mittel wurden gestrichen und die Astronauten in ihre militärischen Einheiten zurückbeordert – im Stillen aber wurde das Raumfahrtprogramm seit 1973 als Projekt 921 „auf Sparflamme“ weitergeführt.
Dieser fehlenden finanziellen Unterstützung ist es wohl auch zu „verdanken“, dass im Juli und November 1974 die ersten orbitalen Flugversuche mit den CZ‑2 und FB‑1 Raketen scheiterten.
Erst im Dezember 1976 und Januar 1978 konnten zwei weitere Testflüge erfolgreich absolviert werden – und 1978 wurde das bemannte Raumfahrtprogramm offiziell wieder gestartet, wobei besonders die Problematik der Rückkehr von Satelliten und biologische Untersuchungen im Blickfeld waren.
Raumflugzeuge Bild © Mark Wade |
Bereits im Juli 1978 scheiterte der Startversuch einer weiteren FB‑1 – die Rakete war zu schwach, eine schwere Kapsel in eine Erdumlaufbahn zu bringen.
Die Tests mussten sich darauf beschränken, ein der Mercury-Kapsel ähnliches Gefährt in einer ballistischen Flugbahn bis zur Wasserung im chinesischen Meer zu führen – so, wie das die Amerikaner 1966 mit ihren Gemini-B-Raumschiff vorexerziert hatten.
Tatsächlich waren bereits 1977 die zur seegestützten Bahnverfolgung gebauten Schiffe Yuanwang 1 und 2 vom Stapel gelaufen, und der Raketenstart vom September 1981 weist eine der Mercury-Kapsel ähnliche Nutzlast (Shi Jian 2 A) auf.
Aufgrund der fehlenden finanziellen Ressourcen schlief das Projekt ein – die künftige Raumfahrtnation beschränkte sich darauf, immer stärkere und leistungsfähigere Raketentechnologien zu entwickeln.
Dieses Raketenprogramm geriet damit stärker in das Blickfeld westlicher Experten: Chinas Raketenprogramm diente immer mehr kommerziellen Zwecken und ausländischen Kunden wurden Trägerraketen und Technologiesatelliten angeboten.
1992 Neuanfang
Im Jahr 1992 wurde mit dem Projekt 921–1 ein völliger Neubeginn beschlossen, der auf den alten Strukturen aufbauen und – nach dem Ende der russisch-chinesischen Eiszeit – wohl auch auf russische Unterstützung bauen konnte.
Als künftiges Transportvehikel wurde die Trägerrakete CZ‑2 F vorgesehen, die aus der CZ‑2 Familie selbst entwickelt wurde, und in der Unterstufe mit den Hilfsraketen mit der CZ.2 E und der CZ-3B identisch zu sein scheint, aber in erheblichem Umfang russische Technologien enthalten soll. Die Oberstufe erinnert jedenfalls mit der Nutzlastverkleidung, den Stabilisierungsflächen für den Notabwurf und dem turmartigen Aufsatz mit der Rettungsrakete stark an russische Technik.
Allerdings fallen auch den fachlich unkundigen Beobachtern Unterschiede zum russischen Raketenprogramm ins Auge – die chinesischen Raketen werden z.B. vertikal wie die amerikanischen Trägerraketen zur Abschussrampe transportiert, während die russischen Raketen erst dort aufgerichtet werden.
Die CZ-2‑F ist mit einer Länge von 62 Metern, einer Startmasse von 464 Tonnen und einem Startschub von 5.920 Tonnen eine der größten chinesischen Raketentypen.
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Die in Shanghai bestehende Forschungsgruppe erhielt den Auftrag, das Raumschiff zu projektieren – worauf (unter Mitwirkung Russlands ?) die „Shenzou“ (Gottesschiff-) Kapsel entwickelt wurde, die im Aussehen der sowjetischen Sojuz-Kapsel ähnelt, aber rund 15 Prozent größer ist, was einen „Frachtraum“ von etwa 8 m³ (cbm) ergibt – und damit mehr Komfort oder auch zusätzliche Systeme ermöglicht.
Inzwischen sind auch nähere Angaben zur chinesischen Raumkapsel bekannt.
Sie soll 8,65 m lang sein, einen Durchmesser von 2,8 m haben und auf der Erde 7,8 t wiegen.
Die Spannweite der Solarzellen wird mit 19,4 m und die Gesamtfläche aller vier Platten mit 36 qm angegeben, was eine Energieerzeugung von rund 1,5 Kilowatt ermöglichen müsste.
Sie soll eine max. 3‑köpfige Besatzung (bei einer Missionsdauer von etwa 3 Wochen) aufnehmen können.
Auch die inzwischen auf Ausstellungen und durch Medienberichte bekannt gewordenen Schutzanzüge sollen russischer Produktion sein – vom Typ SOKOL, den die Chinesen angeblich pragmatisch käuflich erwarben, während gleichzeitig im „Sternenstädtchen“ bei Moskau chinesische Militärpiloten ab 1996 die Kosmonautenausbildung durchliefen.
Die westlichen Beobachter ahnten wohl die Bedeutung, als chinesische Bahnverfolgungsschiffe (wieder einmal) im Oktober 1999 – zum chinesischen Nationalfeiertag — ihre Positionen auf den Weltmeeren einnahmen. Allerdings erst mit 49-tägiger Verspätung, am 19. November 1999 – hob in der Provinz Ganzu vom Raketenbahnhof Jiuquan eine Trägerrakete des Typs CZ-2F ab – und für westliche Beobachter wurde überraschend schnell nicht nur der Raketenstart, sondern auch die Nutzlast bekannt gegeben – es handelte sich um die erste unbemannte Erprobung der Raumkapsel „Shenzhou“ (magisches Schiff) mit einer Nutzlast von 100 kg Saatgut in einem dreiteiligen Flugkörper, dessen Landungsapparat schon nach 21 Stunden in der Inneren Mongolei zur Erde zurückkehrte, während die zylindrische Orbitalsektion (mit zwei eigenen Solarzellenplatten) noch bis zum 27. November auf der Umlaufbahn blieb.
Am 9. Januar 2001, am 25. März 2002 (Shenzhou 3 mit einer lebensgroßen Puppe und biomedizinischen Sensoren) und am 29. Dezember 2002 (Shenzhou 4) folgten weitere – unbemannte – Erprobungsflüge des neu entwickelten Systems, wobei auch Tiere als „Versuchskaninchen“ eingesetzt wurden. Schon kurz nach dem erfolgreichen Abschluss des letzten Testfluges wurde –wohl zum Missfallen der chinesischen Führung – bekannt, dass mit dem nächsten, diesmal bemannten Flug (Shenzhou 5) noch im Herbst des Jahres zu rechnen sei – wobei viele Beobachter von einem Starttermin um den symbolträchtigen Nationalfeiertrag Mitte Oktober ausgehen.
Bereits Anfang August wurde von der chinesischen Lokalzeitung Ta Kung Pao berichtet, die für den Flug vorgesehene Raketen vom Typ CZ-3F sei von der Chinese Academy of Launch Vehicle Technology (CALT) in Bejing fertiggestellt worden, und der Startplatz im Jiuquan Satellite Launch Centre (JSLC) in der nordwestlichen Gansu Province würde vorbereitet.
Beobachtern fiel auf, dass die Kapsel selbst mit geringen Änderungen ausgestattet wurde,
(Zitat)
„One animation showed the overall configuration of SZ‑5, which would be mostly identical to SZ‑4 with the exception of two areas. The forward end of SZ‑5 would be cylindrical in shape instead of the hemispheric shape on SZ‑4, and a docking unit for a future orbiting spacelab would be installed on SZ‑5”
allerdings ist wohl nicht damit zu rechnen, dass Shenzhou 5 bei der internationalen Raumstation ISS “vorbeischauen“ wird – wiewohl die Chinesen mit diesem Dockteil deutlich machen, dass auch größere Ambitionen in der chinesischen Raumfahrttechnik bestehen.
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