Amerika — USA Kooperative Strategie für das 21. Jahrhundert

Alter Wein in neuen Schläuchen? 

Das neue Strate­giepa­pi­er wurde sofort nach Veröf­fentlichung vielfach kri­tisiert. Die neue Strate­gie sei im Grunde nur ein Aufwär­men beste­hen­der Konzepte, erk­lärten einige Skep­tik­er. »Dies ist alter Wein in neuen Schläuchen«, sagte Coast Guard Cap­tain a.D. Bruce Stubbs am Rande des Inter­na­tion­al Seapow­er Sym­po­siums am 17. Okto­ber. Ein pen­sion­iert­er hochrangiger Mari­ne­of­fizier hak­te nach. »Wo ist die Diskus­sion um die Polar­re­gio­nen? Wo ist die Diskus­sion über die Raketen­ab­wehr?« Er bemän­gelte fern­er, dass die Strate­gie keine Vor­gaben für die Gestal­tung der Flot­ten­zusam­menset­zung enthält. »Die ganzen schwieri­gen The­men wur­den ein­fach vertagt«, resümierte er. 

Auch Ronald Rea­gans Marine­m­i­nis­ter John Lehman, der die neue Strate­gie weit­ge­hend als aus­ge­wogen und logisch lobte, bemän­gelte das Fehlen ein­er genauen Fes­tle­gung der für die Ver­wirk­lichung der Strate­gie erforder­lichen Kräftestruk­tur (die unter Lehman einge­führte Strate­gie von 1986 war fest mit dem Ziel des Flot­te­naus­baus auf 600 Schiffe ver­bun­den). »Die gesamte feine Strate­gie und der Aus­tausch nachrich­t­en­di­en­stlich­er Erken­nt­nisse [nützen nichts] wenn wir keine klare und wohl artikulierte [und eng mit der Strate­gie ver­bun­de­nen] Aus­sage darüber haben, was wir zur Imple­men­tierung der Strate­gie brauchen«, erk­lärte Lehman. 

Tat­säch­lich wirkt die neue Strate­gie eher wie ein Grund­satzpro­gramm, doch ist dies beab­sichtigt. »Die Imple­men­tierung dieser Strate­gie erfordert, dass die Seestre­itkräfte Flex­i­bil­ität, Anpas­sungs­fähigkeit sowie ein­heitlich­es Han­deln demon­stri­eren, um den Anforderun­gen sowohl der anges­tammten wie der sich formieren­den Her­aus­forderun­gen und Chan­cen gewach­sen zu sein. Spez­i­fis­che Ini­tia­tiv­en zur Unter­stützung dieser Strate­gie müssen über Zeit hin­weg durch Exper­i­mente, Kriegsspiele und Ein­satzer­fahrung unter­sucht und erprobt wer­den«, heißt es aus­drück­lich im Dokument. 

Zwecks Erstel­lung der neuen Strate­gie führte das Naval War Col­lege ein Jahr lang eine Rei­he von Kriegsspie­len durch, denen sieben ver­schiedene poli­tisch-strate­gis­che Aus­gangsszenar­ien zugrunde lagen. Diese sieben Szenar­ien stell­ten nach Aus­sage von Vice Admi­ral John Mor­gan, Leit­er des Pla­nungsstabes im Führungsstab der Navy, die real­is­tis­chen poten­ziellen Entwick­lun­gen der kom­menden Jahrzehnte nach. Die unter Mor­gans Leitung erstellte Strate­gie wurde aus­gerichtet, um möglichst flex­i­bel auf die poten­ziellen kün­fti­gen Entwick­lun­gen reagieren zu kön­nen und um die Seestre­itkräfte opti­mal für die ver­schiede­nen Even­tu­al­itäten auszuricht­en. Die Strate­gie ver­suche nicht »die Zukun­ft vorherzusagen«, erk­lärte Mor­gan. Vielmehr stelle die Strate­gie eine Richtlin­ie dar, um die Seestre­itkräfte zum Sieg zu führen bzw. sie in die Lage zu ver­set­zen, Kon­flik­te im Vorn­here­in zu ver­hüten. Die Strate­gie soll auf Jahre hin­aus rel­e­vant bleiben, ger­ade weil sie den kün­fti­gen Entwick­lun­gen entsprechend laufend angepasst wer­den kann. Das Doku­ment soll auch durch Pri­or­itätenset­zung zur For­mulierung kün­ftiger Vertei­di­gungse­tats beitra­gen, erk­lärte der Admiral. 

Let­ztlich sollte der mul­ti­lat­erale Schw­er­punkt der neuen Strate­gie nicht unter­schätzt wer­den. Die Mil­itärein­sätze seit dem 11. Sep­tem­ber 2001 haben den USA verdeut­licht, dass die Glob­al­isierung auch den sicher­heit­spoli­tis­chen Sek­tor bet­rifft. Ger­ade die weltweit dezen­tral­isiert agieren­den Feinde der Demokratie kön­nen nur durch die Völk­erge­mein­schaft (oder zumin­d­est ein­er geografisch und mil­itärisch het­ero­ge­nen Koali­tion) wirk­sam und anhal­tend bekämpft wer­den. Auch die Super­ma­cht USA erken­nt, dass sie nicht allein gle­ichzeit­ig sämtliche strate­gis­che Meeren­gen der Welt bewachen und die Hochseerüs­tung zur möglichen Bekämp­fung von Großmächt­en aufrecht hal­ten kann. 

Die neue mar­itime Strate­gie belegt diese Ein­sicht, die sich seit­ens der amerikanis­chen Mil­itär­führung seit eini­gen Jahren abze­ich­net. Inwiefern die neue mar­itime Strate­gie als Aus­gangspunkt für eine umfassendere mul­ti­lat­erale Strate­gie der amerikanis­chen Außen- und Sicher­heit­spoli­tik aus­gelegt wer­den kann, dürfte erst nach den Präsi­dentschaftswahlen im Novem­ber 2008 ersichtlich wer­den. Grund­sät­zlich kann fest­ge­hal­ten wer­den, dass mehrere aus­sicht­sre­iche Präsi­dentschaft­skan­di­dat­en sich zugun­sten ein­er solchen Aus­rich­tung aus­ge­sprochen haben. 

Die Frage der mul­ti­lat­eralen Aus­rich­tung ist beson­ders bedeut­sam angesichts der Tat­sache, dass die Navy über mehr als ein Jahr hin­weg in Bürg­er­foren und in Gesprächen mit Akademik­ern und Wirtschafts­führern die Grund­konzepte der neuen Strate­gie disku­tierte. Nach eigen­er Aus­sage wollte die Mil­itär­führung eine Strate­gie entwick­eln, die im Ein­klang mit den Grund­sätzen der amerikanis­chen Bevölkerung wäre. 

Die Navy-Führung stellt in der Ein­führung des am 17. Okto­ber vorgestell­ten Doku­ments fest, dass die neue Strate­gie nicht nur den mil­itärisch-poli­tis­chen Anforderun­gen der kom­menden Jahrzehnte genügt, son­dern auch den Wün­schen des amerikanis­chen Volkes entspricht: »Unser Volk will, dass wir stark bleiben; es will, dass wir es und unsere Heimat beschützen und es will, dass wir mit Part­nern auf dem gesamten Globus zusam­me­nar­beit­en, um Kriege zu verhindern.« 

Team GlobDef

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