Die aktuelle Lage am Horn von Afrika
Einen wirklich dicken Fisch haben sich puntländische Piraten am 20. Juli in internationalen Gewässern unter den Nagel gerissen, knapp 40 Bewaffnete kaperten in der Nähe der Hafenstadt Calula von mehreren Booten aus MV STELLA MARIS, ein unter der Flagge Panamas fahrendes Schiff einer japanischen Reederei von etwa 52.000 ts mit einer Ladung Blei und Zink. Bei Redaktionsschluss befindet sich das Schiff immer noch in der Gewalt der Täter.
Zwischenzeitlich plant das Transitional Federal Government of Somalia (TFG) den Aufbau einer eigenen Küstenwache mit Hilfe des französischen Sicherheitsunternehmens Secopex CSA. Das Unternehmen soll einen Vertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren angeboten bekommen haben. Secopex soll für die Ausbildung somalischer Kräfte sorgen, aber auch eine Art maritimen Nachrichtendienst zur Bekämpfung der Kriminalität an Somalias Küsten aufbauen – zunächst mit eigenen personellen Mitteln.
Am 30. Juli hat die spanische Verteidigungsministerin die Aufstellung einer internationalen Marineeinsatzgruppe vorgeschlagen, die möglichst schon ab Oktober vor Somalia patrouillieren und die dortige Piraterie bekämpfen soll. Frankreich befürwortet den Vorschlag und spricht sich für die Aufstellung eines solchen Verbandes “im europäischen wenn nicht internationalen Rahmen” aus. Für die spanische Initiative sind nicht zuletzt auch nationale Gründe ausschlaggebend. Vor der somalischen Küste beginnt demnächst die Fangsaison für Thunfisch, und hier sind vor allem auch spanische Fischer im Gebiet.
Mehrere Wochen nach ihrer Verabschiedung bleibt die UN-Resolution bislang ohne greifbare Konsequenzen und droht wirkungslos zu verpuffen. Bisher hat kein einziges Land realen Willen zu einer wie auch immer gearteten Umsetzung erkennen lassen. Auch Deutschland beschränkt diesbezügliche Aktivitäten bisher unverändert auf eine in Berlin eingesetzte „Arbeitsgruppe“. Unterdessen nutzen Piraten das internationale Zögern zu ihrem Vorteil und werden aktiver denn je zuvor.
Am 19. August wurde im Golf von Aden ein mit 32.000 t Palmöl beladener malaysischer Tanker gekapert und in somalische Territorialgewässer entführt. Zwei Tage später wurden im gleichen Gebiet kurz nacheinander sogar drei Schiffe Opfer von Piraten. Zunächst nahmen sie einen iranischen Frachter unter Feuer und kaperten ihn; weniger als eine Stunde später teilte am gleichen Ort ein japanischer Tanker das Schicksal, und noch am gleichen Tag – und erneut im gleichen Seegebiet – wurde schließlich ein unter der Flagge von Antigua & Barbuda fahrender Frachter einer deutschen Reederei gekapert. Alle Schiffe wurden unter die somalische Küste gesteuert.
Ergänzender Sachstand 31 August (Text: Klaus Mommsen):
23. August: Im Golf von Aden dauern Aktivitäten von Piraten unvermindert an. Am 23. August scheiterten sie allerdings mit dem Versuch, ein japanisches Frachtschiff zu kapern. Nachdem der Kapitän die Fahrt erhöhte und Ausweichmanöver fuhr, konnten die Piraten aus ihren zwei von einem Mutterschiff ausgesetzten Speedbooten nur noch frustriert hinter dem Schiff hinterher schießen. Verletzt wurde niemand.
25. August: Das US Naval Central Command hat zur Bekämpfung der Piraterie im Golf von Aden eine Maritime Security Patrol Area eingerichtet, die nun durch im Rahmen der Antiterror-Operation Enduring Freedom in der Region eingesetzte See- und Seeluftstreitkräfte verstärkt überwacht werden soll.
27. August: Nach sieben (!) Monaten kam am 27. August das omanische Fischereifahrzeug ASMAK 1 offenbar nach Zahlung eines Lösegeldes frei. Das Schiff war am 14. Januar nahe Bosaso gekapert und danach bei Eyl festgehalten worden. Der Schiffsingenieur starb in Gefangenschaft.
30. August: Vor der jemenitischen Küste im Golf von Aden kapern Piraten den mit 30.000t petrochemischen Produkten beladenen malaysischen Tanker BUNGA MELATI 5 (besatzung: 36 Malaysier, 5 Filipinos). Das Schiff wird in unmittelbarer Nähe der erklärten Security Patrol Area angegriffen. Marineeinheiten werden alarmiert, sind aber zu weit entfernt, das Kapern zu verhindern. Eine anschließende Befreiungsaktion verbietet sich, um die Besatzung nicht zu gefährden.