Piratenangriff auf Hoher See
Die völkerrechtliche Definition der Piraterie in Artikel 101 des Seerechtsübereinkommens von 1982 (SRÜ) lautet:
Seeräuberei ist jede der folgenden Handlungen:
a) jede rechtswidrige Gewalttat oder Freiheitsberaubung oder jede Plünderung, welche die Besatzung oder die Fahrgäste eines privaten Schiffes oder Luftfahrzeugs zu privaten Zwecken begehen und die gerichtet ist
auf Hoher See gegen ein anderes Schiff oder Luftfahrzeug oder gegen Personen oder Vermögenswerte an Bord dieses Schiffes oder Luftfahrzeugs;
an einem Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht, gegen ein Schiff, ein Luftfahrzeug, Personen oder Vermögenswerte;
b) jede freiwillige Beteiligung am Einsatz eines Schiffes oder Luftfahrzeugs in Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass es ein Seeräuberschiff oder ‑luftfahrzeug ist;
c) jede Anstiftung zu einer unter Buchstabe a oder b bezeichneten Handlung oder jede absichtliche Erleichterung einer solchen Handlung.
Seeräuberei dient rein privaten Zwecken und findet auf Hoher See oder an hoheitsfreien Orten statt. Einschlägige Handlungen in Hoheitsgewässern sind nicht erfasst – sie stellen aber auch vor Somalia einen nicht unbeträchtlichen Anteil der kriminellen Handlungen dar.
Artikel 105 I, 107, 111 SRÜ enthalten die Befugnis für Kriegsschiffe aller Staaten, im Falle eines seeräuberischen Angriffs auf hoher See einzugreifen, den Angriff abzuwehren und das Tatfahrzeug aufzubringen sowie die Täter unschädlich zu machen, unabhängig von der Flagge des angegriffenen Schiffes.
Piratenangriff in fremden Hoheitsgewässern
Für Attacken in den Küstenmeeren, auf Reeden und in Häfen, mithin in fremden Hoheitsgebieten, gelten die Definitionen und Befugnisse des SRÜ nicht. Zur Anwendung kommt das jeweilige nationale Recht des Tatortes, was nicht ohne Wirkung auf die Eingriffsbefugnisse bleibt. Von Staat zu Staat gelten differente Regeln. Beim Eingreifen in fremden Hoheitsgewässern ist zuallererst das Gewaltmonopol des betreffenden Staates zu beachten, es steht dem Eingreifen grundsätzlich entgegen. Nur wenn der betreffende Küstenstaat nicht fähig oder nicht willens ist, dem angegriffenen Schiff Hilfe zu leisten, ist ein zufällig vor Ort befindliches fremdes Kriegsschiff zumindest befugt – wenn nicht gar verpflichtet –, die Hilfeleistung an der Stelle des Küstenstaates vorzunehmen, bis die Gefahr abgewendet ist. Dies folgt schon aus den allgemeinen Regeln des Nothilferechts, das sich auf See je nach konkreter Situation in Anbetracht der überlieferten gegenseitigen Hilfeleistungspflichten von der Befugnis zur Verpflichtung verdichten kann. Den Küstenstaat trifft im Fall der eigenen Untätigkeit eine Duldungspflicht.
Strafverfolgung von Piraten in fremdem Hoheitsgebiet
Nach Abwendung der Gefahrensituation ist nur der Küstenstaat zur Verfolgung der Piraten und zu ihrer Festnahme befugt, dies folgt aus Artikel 111 SRÜ, der die nach seeräuberischen Angriffen in internationalen Gewässern bestehende Nacheilebefugnis enden lässt, wenn das verfolgte Fahrzeug seine eigene oder für Verfolger und Verfolgten fremde Küstengewässer durchfährt. Dies folgt dem Gedanken der Souveränität der Staaten in Verbindung mit dem Gewaltmonopol. Eine aktive Bekämpfung von Piraten an fremden Küsten kommt völkerrechtlich nur im Rahmen eines UN-Mandats oder auf Ersuchen eines Küstenstaates in Frage. Die aktive Bekämpfung von Piraten in fremden Hoheitsgewässern ohne Einverständnis des betreffenden Küstenstaates widerspricht grundsätzlich dem Gebot des Unterlassens von friedensstörenden Eingriffen nach der Charta der UN. Im Rahmen der Fortentwicklung des Völkerrechts und der Öffnung hin zur Zulässigkeit präventiver Maßnahmen ist in Zukunft auch eine andere Bewertung denkbar, wenn z. B. sehr wichtige Handelswege massiv bedroht sind und andere Lösungen wie enge Seeraumüberwachung oder Geleitschutz nicht effektiv sind oder von den betroffenen Küstenstaaten nicht geduldet werden. Am Horn von Afrika sprechen die Umstände für das Vorliegen einer solchen Situation.