»Piracy Hot Spots«: Somalias Küsten und Golf von Aden
Der Fall LE PONANT ist nur der prominenteste Überfall in diesem Jahr. Dem PRC wurden seit etwa Anfang April signifikant mehr Überfälle im Golf von Aden gemeldet, vom 31. März bis 14. April immerhin 8. Bis dahin waren es im März nur 2, im Februar 2 und im Januar keiner. Spektakulär der Überfall auf ein Fischereischiff, bei dem der Skipper angeschossen und drei Zodiacs erbeutet wurden (am 31. März, auf 12:10N-52:10E vor Abd-al-Kuri Island). Bisher waren die ausgedehnten Seegebiete vor der lang gestreckten Ostküste Somalias ebenfalls ein Schwerpunkt, hier gehen die offiziellen Zahlen aber zurück. Angesichts der Berichte der an der Operation Enduring Freedom beteiligten Seemächte müssen die offiziellen Zahlen allerdings einer kritischen Neubewertung unterzogen werden: Wurden 2007 dem IMB-PRC 35 Attacken gemeldet, geht man in eingeweihten Kreisen von 150 aus; 2008 sollen es bis Mitte April schon rund 50 sein, offiziell gemeldet sind gerade einmal rund ein Dutzend. Man muss jedenfalls davon ausgehen, dass viele Überfälle auf kleinere im regionalen Verkehr fahrende Schiffe oder Boote von den betroffenen Skippern nicht bekannt gemacht werden. Auch größere Frachter melden nicht immer, vor allem dann, wenn es beim Versuch geblieben ist.
Bemerkenswert ist ein dem IMB-PRC Anfang März gemeldeter Zwischenfall auf 04:20N- 57:38E, rund 390 Meilen Distanz zur somalischen Küste, bei dem eine Dhau im Spiel war, die auch später noch einmal auffiel. Der letzte Beweis der kriminellen Absicht fehlt in diesem Falle jedoch. Die Entfernung von der Küste nährt aber den Verdacht, dass die von IMB empfohlene Reisedistanz zur Küste Somalias von 200 Meilen nicht ausreicht. Klarer ist die kriminelle Absicht wohl im Fall der Verfolgung einer Segeljacht durch ein Boot auf 13:05N- 57:49E, rund 200 Meilen östlich von Sokotra im Arabischen Meer. Zudem werfen beide Zwischenfälle die Frage auf, ob Seeraumüberwachung überhaupt als geeignetes Mittel der Piraterieabwehr gelten kann. Wie soll die TF 150 im Rahmen der Operation Enduring Freedom mit ihren ständig alternierenden 6 bis 8 Einheiten dieses Seegebiet, das mit 2.400.000 Quadratmeilen größer ist als die Ostsee, mehr als stichprobenartig überwachen? An eine Verstärkung ist jedenfalls aus verschiedenen Gründen nicht zu denken – schwimmende und fliegende Marineeinheiten sind ein knappes Gut und werden auch anderswo gebraucht. Wie effektiv die TF 150 in der Erfüllung ihrer Hauptaufgabe, Unterbindung von Proliferation und von Personaltransfers terroristischer Gruppen, überhaupt sein kann, bedürfte eigentlich einer vertieften Betrachtung an anderer Stelle.
Wer annahm, nach der Festnahme einiger Piraten durch französische Kräfte würden sich die Banden erst einmal ruhig verhalten, sah sich schnell eines Besseren belehrt. Schon am 20. April kaperten 10 Piraten den spanischen Thunfischtrawler PLAYA DE BAKIO mit 26 Besatzungsmitgliedern. Die spanische Regierung entsandte die Fregatte MENDEZ NUNEZ an den Ort des Geschehens. Um Druck auf die Piraten aufzubauen, wurde die Option des bewaffneten Zugriffs auf die Täter nach Freisetzung der Geiseln offiziell erwähnt. Schon bei der Entführung der LE PONANT zeigten die örtlichen Autoritäten in Somalia ein Verhaltensmuster, dass man sich im Zusammenhang mit den seefahrenden Kriminellen schon seit Langem wünscht: Sie suchen sich die Piraten auf Distanz zu halten, wie eine Pressemeldung von Reuters vom 25. April zeigt. Danach fuhr die PLAYA DE BAKIO an der Küste Somalias entlang und wurde zunächst aus Haradheere vertrieben und dann vor Hobyo gesichtet. Ein Sprecher der Autoritäten der Region Mudug ließ verlauten, dass man das Schiff notfalls auch mit Waffengewalt aus den Häfen der Region vertreiben würde. Am 26. April wurden Schiff und Besatzung von den Piraten freigegeben und von der Fregatte MENDEZ NUNEZ in Empfang genommen. Zu Fragen nach Lösegeldzahlungen äußerten sich weder die Reederei noch die spanische Regierung. Die Täter sind dem Vernehmen nach untergetaucht.
Am 21. April beschossen Piraten den über 150.000 Tonnen Öl fassenden japanischen Tanker VLCC TAKAYAMA, der sich in Ballast auf dem Weg zum Ölterminal Yanbu (Saudi-Arabien) befand, mit RPG 7 und automatischen Waffen. Der Tanker verlor durch ein Leck in einer Treibstoffzelle einige Hundert Liter Treibstoff und setzte einen Notruf ab. Die im Rahmen der TF 150 vor dem Horn von Afrika operierende Fregatte EMDEN lief auf den Ort des Geschehens zu und sandte ihren Bordhubschrauber voraus. Die Angreifer zogen sich schon vor dem Eintreffen des Hubschraubers zurück.
Die Fregatte EMDEN erhielt schon zwei Tage später eine weitere Gelegenheit, zu demonstrieren, dass die Anwesenheit von Kriegsschiffen dem Seeräuberhandwerk auch ohne scharfen Schuss im Wege steht.
Nachfolgend Auszüge aus der Pressemeldung des Presseoffiziers der EMDEN:
»In den Abendstunden des 23. April 2008 sichtete die Fregatte EMDEN den unter luxemburgischer Flagge fahrenden Luxussegler STAR CLIPPER. Das langsam fahrende Segelschiff mit 70 Crewmitgliedern und 100 internationalen Passagieren, darunter auch deutsche Staatsbürger, befand sich auf dem Weg zum Roten Meer. Im Laufe der Nacht entdeckte die EMDEN während der Seeraumüberwachung mehrere Speedboote, welche die STAR CLIPPER umkreisten und sich zum Teil bis auf einige Seemeilen näherten.
Auf Wunsch des Kapitäns des Segelschiffes verblieb die Fregatte EMDEN bis zum Morgen in der Nähe, um zum einen durch ihre Anwesenheit weitere Annäherungen von Speedbooten zu verhindern und gegebenenfalls auch im Rahmen der Nothilfe sofort zur Hilfe eilen zu können. Am Morgen des 24.04.2008 besuchte eine Abordnung der EMDEN die STARCLIPPER, um dem Kapitän eine Einweisung in die Sicherheitslage im Golf von Aden zu geben. Der Kapitän der STAR CLIPPER sagte »es sei beruhigend und erleichternd zugleich, Kriegsschiffe hier im Einsatz zu wissen, die in der Lage sind, der durch die letzten Piraterievorfälle verunsicherten Schifffahrt Sicherheit zu geben«. Seit dem 12. Februar 2008 ist die Fregatte EMDEN Bestandteil der Task Force 150 und in das gesamte Spektrum maritimer Operationen im Rahmen der Operation Enduring Freedom eingebunden.«
Somalische Sicherheitskräfte haben erstmals ein von Piraten entführtes Schiff samt Besatzung gewaltsam befreit. Der unter der Flagge von Dubai fahrende Frachter MV AL-KHALEEJ war am 21. April mit Nahrungsmitteln und Autos auf dem Weg nach Somalia, als es 4 Meilen vor Bossasso von einem Boot aus beschossen und geentert wurde. Einen Tag später griffen somalische Milizen mit rund 110 Mann im Hafen von Bossasso zu. Drei der sieben Piraten und ein Milizangehöriger wurden nach offiziellen Angaben verletzt, die 16 Mann starke Besatzung des Frachters soll unversehrt geblieben sein. Den Piraten droht nach Angaben der »Regierung« der somalischen Region Puntland die Todesstrafe.