Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Piraterie 2008
LE PONANT – Folgen und Folgerungen
(Dr. Michael Stehr ist in der Redaktion des MarineForum zuständig für den Themenbereich See- und Völkerrecht)
Das französische Segelkreuzfahrtschiff LE PONANT befindet sich am 4. April mit 30 Besatzungsmitgliedern ohne Passagiere auf dem Transfer von den Seychellen ins Mittelmeer. Der »Weekly Piracy Report« des Piracy Reporting Center in Kuala Lumpur, Malaysia, vermerkt als Position des Überfalls 13:12N- 50:14E (mitten im Golf von Aden, rund 95 Meilen nördlich von Quandala, Provinz Bari). Die Angreifer brachten Schiff und Mannschaft ohne Gegenwehr in ihre Gewalt.
Das MarineForum berichtete auf seiner Website unter »Aktuelles«:
Die Piraten gehörten zur in der Region wohl notorischsten Gruppe der »Somali Marines«, einem Netzwerk somalischer ehemaliger Fischer, die in Piraterie ein lukrativeres Einkommen sehen. Sie verfügen über eine moderne Ausrüstung, die von Handwaffen über Panzerfäuste bis hin zu Satellitentelefonen reicht. Ein Großteil der geschätzt mindestens etwa 150 (hohe Dunkelziffer) Überfälle des letzten Jahres gehen auf das Konto der »Somali Marines«. … Der Segler wurde zunächst aus der Luft mit MPA Breguet Atlantique 2 und dann von der herangeführten Fregatte COMMANDANT BOUAN (Typ AVISO A‑69) eng – auch innerhalb somalischer Hoheitsgewässer – beschattet. Am 7. April gingen die Piraten bei Eyl vor Anker, nahmen Kontakt zur Reederei auf und begannen Lösegeldverhandlungen. … Um auf Eventualitäten vorbereitet zu sein, wurden Soldaten des Antiterrorkommandos GIGN auf dem Luftwege nach Djibouti verlegt. Als einige Piraten zur Auffüllung von Vorräten mit einem Boot an Land wollten, zeigte sich, dass ihr Rückhalt in der örtlichen Bevölkerung nur gering ist. Erst nach einem kurzen Feuergefecht mit örtlichen Milizen (mit zwei Toten) konnten sie an Land gehen. Der Regionalgouverneur erklärte unverblümt, er wäre »glücklich, wenn die Piraten getötet« würden.
Nach Erfahrungen früherer Schiffsentführungen stellte man sich auf mehrwöchige Verhandlungen ein, und die französische Marine beorderte Verstärkungen in die Region. Am 9. April nahm der derzeit auf einer Ausbildungsreise nahe Madagaskar kreuzende Hubschrauberträger JEANNE D’ARC Kurs auf die somalische Küste, … um eine Operationsplattform für mögliche Hubschraubereinsätze zu bieten. Allen Befürchtungen zum Trotz fand die Entführung dann doch ein sehr schnelles, vor allem aber für die Geiseln glückliches Ende. Nach Zahlung eines Lösegeldes durch die Reederei (genannt werden 2 Mio. US-Dollar) wurden alle Geiseln am 11. April freigelassen, und die Piraten verließen auch die LE PONANT.
Während Schiff und Mannschaft bereits in Sicherheit waren, setzten sich die Täter landeinwärts über ein gut einsehbares Gebiet fahrend ab – unter Beobachtung durch ein MPA Breguet Atlantique II. Diese Situation nutzte die französische Antiterroreinheit GIGN. Mehrere Hubschrauber von der JEANNE D’ARC griffen die Piraten an und konnten durch Beschuss den Jeep der Täter stoppen. Vom Hubschrauber abgesetzte Soldaten der GIGN ergriffen sechs Piraten und stellten einen Teil des Lösegeldes sicher. Die übrigen Täter – die Gruppe bestand aus 12 bis 15 Personen – entkamen. Ob die Festgenommenen zum Führungspersonal der Bande zählen, ist unklar. Auf sie wartet jedenfalls die Aburteilung in Frankreich in einem medienwirksamen Verfahren, dass Gelegenheit bieten wird, der Öffentlichkeit in Europa das Problem der Piraterie vor Augen zu führen.