3. Die Globalisierung als Rahmen — exogene Entwicklungschancen in einer interdependenten Welt
3.1. Die intensivierte Globalisierung – zunehmende Interdependenzen mit folgenreichen Konsequenzen für die Entwicklungsländer
Seit mehreren Jahrzehnten haben sich die weltweiten Handels- und Kapitalströme vervielfacht. Die Dichte und die Geschwindigkeit an Kommunikation und Kontakten aller Art zwischen entfernten Nationen und Orten haben entsprechend enorm zugenommen. Neue Technologien haben neue Kontingenzen geschaffen, die wiederum neue, dynamische Prozesse der Verflechtung und Integration angetrieben haben. Neue Informations- und auch Transporttechnologien waren hier besonders von Bedeutung. Dies wurde unterstützt durch eine entsprechende politische Ausrichtung in den Motor- und Antriebsländer der Globalisierung. Verstärkte Interdependenzen und strukturelle Kopplungen auf internationaler Ebene bedeuten aber einen vielschichtigen und komplexen exogenen Rahmen für die Entwicklungsländer. Die zunehmende globale Interdependenz schwächt die Steuerungsfunktion des Staates und konfrontiert ihn mit zunehmenden Herausforderungen. Global agierende nichtstaatliche Akteure einerseits, aber auch diverse Probleme und Prozesse globaler Reichweite gehören zu diesen Herausforderungen und minimieren die Problemlösungsfähigkeit des Staates. Finanzcrashs, Volatilitäten von Finanzströmen und Wirtschaftskrisen haben auf wirtschaftlichem Gebiet eine zunehmende Verbreitungsgeschwindigkeit. So hatte die Asienkrise weltweite Implikationen und Auswirkungen, die auch andere Schwellenländer getroffen haben. Zudem sind deren Wirkreichweiten größer und deren Wirktiefe und Intensität immer öfters auch stärker. Andererseits breiten sich globale sicherheitspolitische Gefährdungen wie Terrorismus und regionale Instabilitäten aus. Gerade in Afrika, aber zum Teil auch in Asien existieren brisante Konfliktlagen. Allerdings ergeben sich über globale Handelsvernetzungen und Informationstransfers auch Chancen, an diesem weltweiten Wachstum zu partizipieren und selbst Teil dieses dynamisch sich entwickelnden Prozesses zu werden. Solch eine Entwicklung hin zur Konvergenz ist dabei sicherlich kein Automatismus, doch wird grundsätzlich angenommen, dass Partizipation an den globalen Handelsströmen positive Entwicklungschancen in sich birgt. Man kann daher nicht mehr wie bei den bürgerlichen Theorien der Entwicklungsökonomik von diesem bedeutungsvollen internationalen Rahmen absehen. Denn jener produziert einerseits zu viele Limitationen, andererseits aber auch zu viele Chancen für die Entwicklungsländer, um konzeptionell unbeachtet zu werden. Um dies mit Anknüpfung an die Systemtheorie konzeptionell zu fassen: Die durch das internationale System an das System Staat herangetragenen internationalen Wirtschafts- und Sicherheitsbedingungen (Input) in Form von internationaler Finanzhilfe, Direktinvestitionen, Wettbewerb, Exportbeschränkungen, Politikdirektiven, geforderten Strukturanpassungsprogrammen, weltwirtschaftlichen Konjunkturzyklen und regionalen Konflikten und Kriegen bieten dem Staat sich sowohl positiv auswirkende Einflüsse, als auch irritierende, störende oder gar destruktive Einwirkungen. Je nach innerer Verfasstheit und Strukturierung des Staates, können sich diese positiven oder negativen Einwirkungen entwicklungshemmend oder entwicklungsfördernd potentiell auswirken. Die Subsysteme des Staates, die dortige endogene Struktur mit Bezug auf Wirtschaft, Gesellschaft, Eliten und Interessengruppen entscheidet dies. Die Verarbeitung des Input hängt generell bei komplexen, nichttrivialen Systemen nicht nur von der Art des Inputs, sondern auch von der inneren Strukturierung des Systems ab und damit auch von der jeweilig wirkenden Transformationsfunktion, die systemspezifisch Input in Output umformt . Daher haben auch die Dependenziatheorien und Weltsystemtheorie zu kurz gegriffen, da sie pauschal die exogene Rahmung der Entwicklungsländer durch die internationale Weltwirtschaft als negativ und ausbeuterisch modellierten.
3.2.Globale Risiken und globale Problemfelder als Friktionen für Entwicklungsländer – Ein Überblick
Die Herausforderungen und Risiken, die sich durch die intensivierte Globalisierung und den damit verbundenen erhöhten Grad an Interdependenz ergeben, sind komplex und vielschichtig. Letztlich kommt es mehr und mehr zu einer Verflechtung sicherheitspolitischer, wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer, ökologischer und sozialer Tatbestände in mehr und mehr komplexen Prozessen, die über den Rahmen des jeweiligen Nationalstaates hinausdiffundieren. Doch welche Problemstellungen bestehen nun letztlich konkret? Die ökologischen Probleme verschlimmern sich. Einerseits bedroht der Klimawandel insbesondere die Länder des Südens durch vermehrte Dürre und Versteppung oder an den Küsten durch Flutkatastrophen. Andererseits ergibt sich langfristig durch den Ressourcenraubbau in den Entwicklungsländern selbst ein Nachhaltigkeitsproblem für diese Länder. Dann gibt es die globalen Sicherheitsprobleme . Die Ausbreitung des Terrorismus, Bürgerkriege oder schwelende interne Konflikte in zerfallenden Staaten können sich auch negativ auf benachbarte Staaten auswirken. Konflikte und Kriege suchen Entwicklungsländer statistisch häufiger heim als Schwellenländer oder Industrieländer. Flüchtlingsströme sind die Folge, die Entwicklungsprozessen schaden. Migrationsbewegungen können zur Belastung für schwache Entwicklungsländer werden und dies in mehrfacher Hinsicht. Besonders problematisch ist hier insbesondere der brain drain. Aufgrund fehlender Perspektiven, Kriegen und Konflikten und durch die Aufnahmebereitschaft der Industrieländer wandern so Fachkräfte aus den Entwicklungsländern ab, die dringend benötigen werden.
Daneben bestehen aber auch noch wirtschaftliche Problemlagen. Die globalen Finanzströme sind hochvolatil, was für inzwischen etwas entwickeltere Länder zum großen Problem werden kann. Jene sind den Schocks und Krisen der krisenanfälligen Finanzströme noch stärker ausgeliefert als die Industrieländer. Des Weiteren sind die Entwicklungsländer pauschal in den internationalen Finanzinstitutionen unterrepräsentiert. Hier bestehen durchaus einige strukturelle Benachteiligungen: Die Industrieländer drängen darauf, dass die Entwicklungsländer ihre Märkte liberalisieren und öffnen, während sie aber beständig ihre Subventionen für Agrargüter verteidigen und selbst ihre Märkte für Waren aus Entwicklungsländer kaum öffnen wollen. Zudem bestehen ähnliche Differenzen zwischen Schwellenländern und Entwicklungsländern. Daher gibt es gerade für die ärmeren Entwicklungsländer erhebliche Barrieren auf internationaler Ebene, die die Beteiligung an globalen Handelsströmen hintertreiben. Dies führt zur Exklusion aus den globalen wirtschaftlichen Strukturen. Aufgrund zusätzlicher fehlender Wettbewerbsfähigkeit sind sie erst gar nicht am Weltmarkt beteiligt. Auf diese Weise ist ihnen jede Chance genommen, an der globalen wirtschaftlichen Entwicklung teilzunehmen. Dies bedeutet aber auch, dass die endemische Armut gerade in den ärmeren Entwicklungsländern nicht zurückgeht oder bekämpft werden kann – eben weil in diesen Ländern bei diesen Rahmenbedingungen keine Entwicklung vorankommt. Vielschichtige ökonomische, soziale und sicherheitspolitische Problemfälle, die teils endogen mit verursacht sind, teils rein exogenen Charakters sind, stellen große Herausforderungen dar. Eine effektive global governance wäre auf diesem Grund von großer Wichtigkeit und Bedeutung, um diese globalen Probleme einer effektiven globalen Bewältigung zuzuführen. Davon würden auch die Entwicklungsländer profitieren, da auch ihre Staaten bezüglich der Problemlösungsfähigkeit globaler Probleme überfordert sind. Funktionierende Sicherheitsregime, die Sicherheit und die Eingrenzung lokaler Konflikte garantieren würden, effektive Umweltregime, die den Klimawandel mitsamt Folgekosten abfedern und effektive Wirtschaftsregime, die Instabilitäten eindämmen und jedem Land eine Partizipationschance gäben, wären das ideale Mittel um Entwicklung in den Entwicklungsländern zu fördern. Daher geht der neuere entwicklungspolitische Diskurs in die Richtung, dass die Globalisierung entwicklungsfreundlich gestaltet werden muss.