Allgemein — Entwicklungsperspektiven

1.Einleitung und Problemfassung

1.1. Ein­leitung
“Fifty years ago, at inde­pen­dence, Ghana was rich­er than South Korea. At the time, the Asian coun­try was depict­ed as a hope­less mess. Korea’s record — and Ghana’s recov­ery from no few­er than five mil­i­tary coups — shows that a good edu­ca­tion and work eth­ic and a sound busi­ness envi­ron­ment can dra­mat­i­cal­ly alter a country’s for­tunes for the bet­ter.” Die Entwick­lung von Staat­en und Gesellschaften ist kein automa­tis­ch­er Prozess und zudem hochkom­plex. Per­spek­tiv­en wan­deln sich über die Zeit zwangsläu­fig, da sie sich bewähren müssen. Sie erfahren entsprechende Neube­w­er­tun­gen angesichts der realiter erfol­gten Entwick­lung, wie auch im Fall von Ghana und Süd­ko­rea deut­lich zu sehen ist. Der Entwick­lung­sprozess ist daher abhängig von diversen endo­ge­nen und exo­ge­nen Fak­toren. Die staats- und gesellschaftsspez­i­fis­chen Merk­male bezüglich der Kul­tur, der Iden­titätss­tif­ten­den und Hand­lung­sori­en­tieren­den Nor­men und Ethiken, der Ressourcenverteilung und der vorhan­de­nen wirtschaftlichen Poten­ziale und Bil­dung sind genau­so entschei­dend wie inter­na­tionale Hil­fe, inter­na­tionale Insti­tu­tio­nen, die welt- und han­del­spoli­tis­chen Rah­menbe­din­gun­gen und regionale Krisen­la­gen. Auf­grund dieser mul­ti­plen Fak­toren geben die Entwick­lungslän­der der Drit­ten Welt der 1950er und 1960er Jahre (zumeist arti­fizielle Staat­sneu­grün­dun­gen als Folge der Entkolo­nial­isierung ) heute ein sehr het­ero­genes Bild ab: Wie ein­gangs beschrieben haben sie sehr unter­schiedliche Entwick­lungsp­fade genom­men und dies oft kon­trär zu den damals herrschen­den Überzeu­gun­gen und Analy­sen. Auch hier sieht man deut­lich, dass Per­spek­tiv­en his­torischen Wand­lun­gen unter­liegen und wie Entwick­lung selb­st auch kon­textspez­i­fisch betra­chtet wer­den müssen.

1.2. Prob­lem­fas­sung – Was sind Entwick­lungsper­spek­tiv­en und was ist Entwick­lung?
Das Haupt­to­pos dieser Arbeit sind Entwick­lung und Entwick­lungsper­spek­tiv­en. Auch die Def­i­n­i­tion von Entwick­lung kann im Rah­men entwick­lungspoli­tis­ch­er und the­o­retis­ch­er Diskurse nicht als mono­lithisch gegeben erscheinen und unter­liegt dem­sel­ben Wan­del wie die jew­eilig dom­i­nan­ten Entwick­lungsper­spek­tiv­en. Je nach Konzept und vorherrschen­der the­o­retis­ch­er Meinung/Schule und oder Mode verän­dert sich auch die nähere Def­i­n­i­tion von Entwick­lung: Sie geht von der bloßen Fokussierung auf wirtschaftlich­es Wach­s­tum und Kennz­if­fern der Volk­swirtschaftlichen Gesamtrech­nung (BIP) bis hin zu umfassenderen Ansätzen mit dem Fokus auf soziale Stan­dards und Bedin­gun­gen. Es gibt daher sowohl Konzepte, die nur auf wirtschaftlich­es Wach­s­tum und ein höheres BIP abstellen, als auch weit­erge­hende Konzep­tio­nen, die neben dem wirtschaftlichen Wach­s­tum noch weit­ere soziale Größen und Aspek­te betra­cht­en wie Gesund­heitsver­sorgung, Zugang und Ver­sorgung mit Bil­dung und Bekämp­fung von Armut und Reduzierung von sozialer Ungle­ich­heit. Abhängig von der jew­eils benutzten Konzep­tion von Entwick­lung und deren Imple­men­ta­tion sowie der nach­fol­gen­den Bewährung vor Ort vari­ierten auch die Entwick­lungsper­spek­tiv­en. Aber diese hän­gen und hin­gen eben nicht nur ab von den Erfol­gen der jew­eili­gen Ansätze in den Entwick­lungslän­dern und den Defiziten und Prob­lem­la­gen vor Ort. Von teil­weise größer­er Wichtigkeit waren und sind der jew­eilige Stand der rein the­o­retisch gefassten akademis­chen Debat­te unab­hängig von den empirischen Befun­den, per­sön­liche und akademis­che Eit­elkeit­en, der eigene the­o­retis­che und poli­tis­chnor­ma­tivweltan­schauliche Stand­punkt und die jew­eili­gen durch Son­der­in­ter­essen geset­zten Schw­er­punk­ten der Entwick­lungspoli­tik. Wie sahen also die Entwick­lungsper­spek­tiv­en in den früheren entwick­lungspoli­tis­chen und entwick­lungs­the­o­retis­chen Diskursen aus? Welche uni­for­men pos­i­tiv­en Entwick­lungs- und Fortschrittsper­spek­tiv­en existierten, die Gültigkeit für alle Län­der beansprucht­en und ihnen eine entsprechende Entwick­lung prophezeit­en? Wie kam es zu deren Dif­feren­zierung und wie gestal­ten sich heute die Entwick­lungsper­spek­tiv­en für die het­ero­gene, in sich dif­feren­zierte Dritte Welt? Einige Entwick­lungslän­der haben es geschafft sich zu Schwellen­län­dern fortzuen­twick­eln, wohinge­gen andere weit­er­hin im Ver­gle­ich zu den Indus­trielän­dern und zu den Schwellen­län­dern weit zurück­hinken ohne Anze­ichen deut­lichen Auf­holens. Wie wurde aber auf diese unter­schiedliche Entwick­lung auch konzep­tionell reagiert und welche Wirkung hat­te dies auf den the­o­retis­chen Diskurs?
Diese Fra­gen überblick­sar­tig zu beant­worten ist die Auf­gabe der fol­gen­den Aus­führun­gen.
Es geht hier um einen Überblick über die früheren und derzeit­i­gen Diskurse und auch um eine Würdi­gung und Dif­feren­zierung dieser Ansätze. Ziel ist es, die zu Anfang stark monokausalen und ein­seit­ig gewichteten The­o­riekonzepte darzustellen und im Rah­men heutiger, aus­d­if­feren­ziert­er The­o­riean­sätze einen all­ge­mein schema­tisch-konzep­tionellen Entwurf län­der­spez­i­fis­ch­er Entwick­lungsper­spek­tiv­en anhand genereller Entwick­lungskri­te­rien und Bedin­gun­gen zu geben. Hier­bei soll gezeigt wer­den, dass Entwick­lung auf­grund der jew­eili­gen Kom­plex­ität und Kon­tex­tu­al­ität der staatlich-gesellschaftlichen Sys­teme keine uni­forme, gle­ich­för­mige Erschei­n­ung sein kann, son­dern län­der­spez­i­fisch gedacht wer­den muss. Pauschale Urteile über Entwick­lungsper­spek­tiv­en sind daher mit Bezug auf die Entwick­lungslän­der als Groß­gruppe let­ztlich als ver­fehlt anzuse­hen. Viel eher sind Län­der- und Region­al­stu­di­en gefragt, um die jew­eili­gen spez­i­fis­chen Per­spek­tiv­en her­auszuar­beit­en. Nichts­destotrotz beste­hen bes­timmte Bedin­gun­gen der Möglichkeit mit Bezug auf die Entwick­lung eines Staates. Es bedarf bes­timmter voraus­set­zungsvoller Prä­fig­u­ra­tio­nen, die als zu erfül­lende funk­tionale Notwendigkeit­en fungieren. Jene müssen gegeben sein um spez­i­fis­che Entwick­lungsziele zu ermöglichen und zu erre­ichen. Daher müssen per­spek­tivisch bes­timmte Fak­toren, Voraus­set­zun­gen und Bedin­gun­gen gegeben sein als Bedin­gung der Möglichkeit von weit­er­er Entwick­lung. Diese kom­plexe Fak­toren­ver­ket­tung soll im Weit­eren dabei als im heuti­gen Diskurs zirkulieren­der, dif­feren­ziert­er Gege­nen­twurf zu den monokausalen Fak­torthe­o­rien der früheren Jahre überblick­sar­tig präsen­tiert wer­den. Die Frage nach den Entwick­lungsper­spek­tiv­en der so genan­nten Drit­ten Welt ist dabei let­ztlich von enorm großer Bedeu­tung. Die zunehmenden Inter­de­pen­den­zen in ein­er glob­alen und funk­tion­al sich immer weit­er inte­gri­eren­den Welt­ge­sellschaft bedeuten nicht nur pos­i­tive Möglichkeit­en und Chan­cen, son­dern auch Gefährdun­gen und ver­mehrtes Risiko und eine erhöhte Wahrschein­lichkeit der Betrof­fen­heit durch Prob­leme ander­er Wel­tre­gio­nen. Wir leben daher in ein­er „Wel­trisiko­ge­sellschaft“. Daher ist das Schick­sal der Staat­en des Südes in ein­er Zeit des glob­alen Ter­ror­is­mus, der blitzschnellen Kom­mu­nika­tion, der glob­alen möglichen Pan­demien und der wirtschaftlichen wech­sel­seit­i­gen Abhängigkeit­en auch für den transat­lantis­chen West­en von enormer Bedeu­tung. Denn aus Entwick­lung­sprob­le­men und Defiziten und fehlen­den Per­spek­tiv­en wer­den leicht erhe­bliche Sicherheits‑, Wirtschafts- und Umwelt­prob­leme, mit entsprechen­der Rück­wirkung auf die west­lichen Industrieländer. 

Team GlobDef

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