Allgemein — Die weltpolitische Ordnung als sich selbst tragendes Puzzlegefüge – Unordnung inklusive

2.) Die heutige Wel­tord­nung und die unter­schiedlichen Wahrnehmungen
Die heutige Wel­tord­nung kann man ver­gle­ichen mit ein­er Art kom­plex­en Hier­ar­chie, die mehrere Hier­ar­chi­estufen hat und zwis­chen den Staat­en unter­schiedliche Verbindun­gen und Inten­sitäten ken­nt. Ein ander­er, vielle­icht noch eingängiger­er Ver­gle­ich wäre, wenn man sich die Staat­en als Berggipfel und deren Höhe als Aus­druck von Macht vorstellt.
Die USA sind die alleinige Super­ma­cht. Mil­itärisch sind sie fast unbe­sieg­bar, sie sind sozusagen unum­strit­ten der höch­ste Gipfel. Nichts­destotrotz sind sie eben nicht allmächtig und eben auch nicht der einzige hohe Gipfel, denn sie sind angewiesen je nach Poli­tik­bere­ich auf die Mith­il­fe oder zumin­d­est die Indif­ferenz der nach­fol­gen­den mehrpo­laren zweit­en Hier­ar­chi­estufe: Jen­er Mächte, die mit unter­schiedlichen Poten­zialen aus­gerüstet, die mul­ti­po­lare Welt bilden sollen. Diese zweite Gruppe von Staat­en ist deut­lich weniger stark als die USA. Sie befind­en sich nicht auf real­er Augen­höhe mit den USA in allen Bere­ichen. Aber sie sind eben auf einzel­nen Gebi­eten (so die EU im Bere­ich Wirtschaft) so mächtig, dass die USA trotz ihrer Stärken nicht unum­schränkt hege­mo­ni­al wirken und herrschen kann in allen Teilen der Welt. Zu diesen Län­dern und Staaten­grup­pen gehört die EU, gehört Chi­na, gehört Rus­s­land und auch zum Teil Japan. Indi­en wächst ger­ade auch in diese Gruppe von Län­dern hinein. Danach fol­gen dann diverse Schwellen­län­der, die dann etwas unter­ge­ord­neter sind im Gefüge.
Man kön­nte daher heute von ein­er gebroch­enen, pseudo­mul­ti­po­laren Unipo­lar­ität sprechen: Je nach­dem wie stark man nun die Macht­pole definieren will, je nach­dem welche Fähigkeit­en man mit ihnen verbinden will, so sieht denn auch die derzeit­ige Mach­tord­nung aus. Daher kann man wed­er von ein­er rein unipo­laren, noch von ein­er rein mul­ti­po­laren Welt sprechen, da eben je nach poli­tis­chen Fähigkeits­ge­bi­eten (Mil­itär, Wirtschaft, Forschung, Tech­nolo­gie, Devisenbestände usw.) die Asym­me­trien und Rela­tio­nen zwis­chen den großen Mächt­en anders aussehen.

Wir haben also momen­tan eine gebroch­ene mul­ti­lat­erale und mul­ti­po­lar beschränk­te unipo­lare Welt. Doch was bedeutet dies nun let­ztlich?
Wie schon angedeutet: Die lokalen, regionalen und glob­alen Kon­flik­t­felder und Inter­es­sen­ge­gen­sätze kön­nen sich nun zwis­chen den diversen lokalen, regionalen und glob­alen Akteuren ohne die ein­schränk­ende Kraft des Block­kon­flik­tes ent­fal­ten. Natür­lich – wie ger­ade argu­men­tiert – war dieser Block­ge­gen­satz nicht grundle­gend für alle Kon­flik­te, aber er schränk­te doch einiges ein. Nun kön­nen sich diese Kräfte fast vol­lkom­men frei ent­fal­ten. Lokale War­lords bekämpfen einan­der in zer­fal­l­en­den afrikanis­chen Staat­en um die Kon­trolle um Dia­man­ten­mi­nen. In moslemis­chen Staat­en kämpfen diverse radikale, teil­weise mit einan­der ver­fein­dete Grup­pen gegen die jew­eili­gen Regime. Lokale „Schurken­staat­en“ wie Iran oder Nord­ko­rea ver­suchen ihre eigene poli­tis­che Agen­da durchzuset­zen – gegen die jew­eili­gen beste­hen­den regionalen poli­tis­chen Ord­nun­gen.
Es gibt kur­zlebige strate­gis­che Allianzen und ständi­ge neue Fre­und-Feind-Schema­ta. Und es kann sog­ar dazu kom­men, dass in der Ablehnung gegen eine neuen UNO-Rat (den neuen UN-Rat für Men­schen­rechte) die USA in ihrer Ablehnung Seite an Seite ste­ht mit Län­dern wie dem Sudan, Iran oder Kuba.
Heute und in Zukun­ft wird die inter­na­tionale Ord­nung durch mehre­bige und vielschichtige Prob­leme und Kon­flik­te struk­turi­ert wer­den. Kon­flik­te, in die die unzäh­li­gen staatlichen und nicht­staatlichen Akteure mit ihren diversen Sichtweisen, Poten­zialen und Zie­len jew­eils ein­steigen – oder eben auch nicht.
Klare Muster und Fron­ten wird man nun mehr und mehr vergebens suchen in ein­er kom­plex­eren, vielschichtigeren und mehr und mehr ver­bun­de­nen Welt. Wie selb­st im Kalten Krieg wer­den mehr und mehr Zweck­allianzen an einem Tag geschlossen und am näch­sten Tag gebrochen wer­den – das beste Beispiel dafür war Afghanistan: Die Amerikan­er, die Regierun­gen Sau­di-Ara­bi­ens und Pak­istan ver­bün­de­ten sich mit radikalen, gewalt­bere­it­en Islamis­ten und Fun­da­men­tal­is­ten ver­schieden­ster Spielart um die Sow­jets zu besiegen. Doch nach diesem Inter­mez­zo haben sich nun die radikalen Neo­fun­da­men­tal­is­ten und Islamis­ten gegen die USA und die saud­is­che und pak­istanis­che Regierung gewandt. 

Team GlobDef

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