Allgemein — Arktis Wird Eisfrei — Und das bedeutet

Dass hier drin­gend Lösun­gen gefun­den wer­den müssen, illus­tri­eren die bere­its heute existieren­den Dis­pute, die teil­weise auch mil­itärisch aus­ge­tra­gen wer­den. So entsendet z.B. Rus­s­land wieder­holt Kriegss­chiffe in das Seege­bi­et um die Sval­bard-Inseln, um die dort von Nor­we­gen prak­tizierte Hochseefis­cherei zu unterbinden und nor­wegis­che Board­ings rus­sis­ch­er Trawler zu ver­hin­dern. Auch in der Beringsee gibt es wieder­holt kleinere Geplänkel zwis­chen rus­sis­ch­er und US-Marine. Diese sind auf die Unwilligkeit des rus­sis­chen Par­la­ments zur Rat­i­fizierung eines bilat­eralen Fis­chereiabkom­mens zurück­zuführen. Die USA sehen dabei die Beringsee qua­si als Bin­nen­meer, was ja schließlich auch bis 1867 unter rus­sis­chem Besitz von Alas­ka Gültigkeit hat­te und aus Sicht der USA mit dem Verkauf von Alas­ka an den neuen Besitzer stillschweigend mit überge­gan­gen sein soll. Dies ist eine Begrün­dung die über­rascht, da eine gle­ich lau­t­ende, die Nord­west­pas­sage betr­e­f­fende, kanadis­che Begrün­dung seit­ens der USA rundweg abgelehnt wird. 

Wie auch immer die Entwick­lun­gen auf allen drei hier skizzierten Feldern weit­er gehen wer­den, eines erscheint jedoch als gesichert: Es ist davon auszuge­hen, dass in der Ark­tis kün­ftig eine sig­nifikante Zunahme des Schiffsverkehrs und men­schlich­er Aktiv­itäten zu beobacht­en sein wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass auf­grund der noch ungelösten Rechts­fra­gen und der damit zusam­men­hän­gen­den Verteilungskämpfe kriegerische Auseinan­der­set­zun­gen zu erwarten wären. Gle­ich­wohl wird die ver­stärk­te men­schliche Anwe­sen­heit und Nutzung des Ark­tis­chen Ozeans das Poten­zial für mehr Unfälle und ökol­o­gis­che Katas­tro­phen verstärken. 

Marineforum - STATOIL Flüssiggaspier auf einer Insel vor Hammerfest
STATOIL Flüs­sig­gaspi­er auf ein­er Insel vor Hammerfest 

In der Folge zwingt dies zur ver­stärk­ten Seer­aumüberwachung sowie zum Ein­richt­en zahlre­ich­er neuer Such- und Ret­tungs­di­en­ste mit Spezialaus­rüs­tung. Es ist davon auszuge­hen, dass die aktuell vorhan­de­nen 13 unbe­waffneten kanadis­chen Coast Guard Eis­brech­er, die drei schw­eren US-Eis­brech­er, die je vier eisver­stärk­ten dänis­chen Fre­gat­ten und Boote, die vier für »Oper­a­tio­nen in nördlichen Gewässern« befähigten nor­wegis­chen Coast Guard Off­shore Patrol Ves­sels sowie die nuk­learen Unter­see­boote der US- und Roy­al Navy für das beschriebene Auf­gaben­spek­trum in einem Seege­bi­et dieser Aus­dehnung keines­falls aus­re­ichen wer­den. Inwieweit hier andere NATO-Natio­nen mit ihren Mari­neein­heit­en zur Unter­stützung kün­ftig in der Lage sein wer­den, wird angesichts der aktuell in Pla­nung bzw. im Bau befind­lichen Mari­neschiffe als eher mar­gin­al eingeschätzt. Dabei ist jedoch stets im Auge zu behal­ten, dass es einen ganzjährig völ­lig »eis­freien« Ark­tis­chen Ozean gemäß der Prog­nosen erst nach 2040 bis 2060 geben wird. 

Damit stellt sich die Frage, welche Fol­gerun­gen seit­ens NATO oder Deutsch­er Marine im Hin­blick auf die abse­hbaren Entwick­lun­gen in den Gewässern des High North zu ziehen sind. Die NATO wird sich mit ihrem Pro­gramm zur Verbesserung der Sicher­heit auf See (»Mar­itime Sit­u­a­tion­al Aware­ness«) auch mit Seege­bi­eten befassen müssen, die jen­seits des Hor­i­zonts der aktuell laufend­en Unter­suchun­gen liegen. Im Weit­eren besitzt die NATO mit dem Euro- Atlantic Dis­as­ter Relief Coor­di­na­tion Cen­ter bere­its ein Ele­ment, das bei entsprechen­der Auf­gaben­er­weiterung kün­ftig im Rah­men des polaren Such- und Ret­tungs­di­en­stes bzw. im Katas­tro­phen­fall eine koor­dinierende Funk­tion zwis­chen den Ark­tikan­rain­ern wahrnehmen kön­nte. Die NATO kön­nte außer­dem als Forum dienen, um mit­tels Kon­sul­ta­tio­nen im NATO-Rus­s­land-Rat und der Koop­er­a­tion z.B. mit dem Arc­tic Coun­cil und der EU, etwaige Dif­feren­zen zwis­chen den vier NATO-Mit­gliedern und Rus­s­land gar nicht erst aufkom­men zu lassen. Gle­ich­wohl darf hier die Real­ität nicht aus dem Auge ver­loren wer­den, da aktuell andere Seege­bi­ete wie Schwarzes Meer, west­lich­er Indik und östlich­er Atlantik mit­tel­fristig deut­lich­er im Focus des poli­tis­chen und mil­itärischen Inter­ess­es stehen. 

Für die Deutsche Marine sind aus dieser Analyse ins­beson­dere zwei Kon­se­quen­zen abzuleit­en. So wie sich durch Öff­nung der Ark­tis die strate­gis­che Sit­u­a­tion im Nor­dat­lantik verän­dert, so wird »Mar­itime Secu­ri­ty« in Zukun­ft auch Seege­bi­ete weit jen­seits unseres aktuellen Radarhor­i­zonts umfassen. Das Flot­tenkom­man­do wird als Schnittstelle der nationalen und inter­na­tionalen Lage­bil­dor­gan­i­sa­tion kün­ftig noch mehr Infor­ma­tio­nen ver­ar­beit­en müssen, um ein valides Lage­bild zu gener­ieren. Inwieweit im SAR-Ver­bund des Nor­dat­lantiks und sein­er Rand­meere neue Anforderun­gen entste­hen wer­den, bleibt abzuwarten. 

Für die deutschen See- und Seeluft­stre­itkräfte wer­den auf abse­hbare Zeit aus dem Aspekt »High North« kaum neue Aufträge oder konkrete Auf­gaben erwach­sen. Gle­ich­wohl sind bei der Pla­nung neuer Ein­heit­en die Erken­nt­nisse unser­er Part­ner mit ihren Pro­jek­ten mit zu berück­sichti­gen – wie z.B. die Erfahrun­gen Kanadas mit seinem eisver­stärk­ten Patrouil­len­boot oder Nor­we­gens Erken­nt­nisse mit seinen Off­shore Patrol Ves­sels »capa­ble of north­ern operations«. 

Angesichts der in der deutschen Bevölkerung gefühlten Bedro­hungsperzep­tion und vor dem Hin­ter­grund der neuen konzep­tionellen Aus­rich­tung der Deutschen Marine sowohl in Rich­tung »Expe­di­tionary Navy« als auch zum Schutz u.a. der Seewege, sollte die Marine aber darauf vor­bere­it­et sein, Antwort auf die Frage geben zu kön­nen, inwieweit bere­its in Dienst befind­liche Schiffe, Boote und Luft­fahrzeuge unter welchen Voraus­set­zun­gen zur Teil­nahme an den oben skizzierten Oper­a­tio­nen in Seege­bi­eten des High North fähig sein könnten. 

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

Alle Beiträge ansehen von Team GlobDef →