Bantu-Afrika (Einführungsdossier)

Jen­seits von Asien — Afrika: 

Die Ban­tus­prachen (grau) inner­halb der Niger-Kon­go-Sprachen Bildquelle: www.wikipedia.de

So viele Ein­wohn­er wie Chi­na, so vielfältig wie Europa — ist der “ver­lorene Kon­ti­nent” das neue große Anlegerziel?.
Im Bewusstein viel­er Europäer hat der schwarze Kon­ti­nent zwei Gesichter.
Ein betören­des, das von Safaris in der Serengeti und Wein­ber­gen in Südafri­ka geprägt ist. Und ein ver­stören­des, entstellt von Bürg­erkriegen und Hunger.
Und allmäh­lich formt sich ein drittes Bild. Von einem Afri­ka, in dem die Men­schen wohlhaben wer­den und per Mobil­tele­fon shoppen …”

€uro — 03/2010

Der West­en darf Afri­ka nicht Chi­na über­lassen. .…
Afri­ka ist ein Kon­ti­nent voller Chan­cen, der mit­ten im Auf­bruch steckt und voller Kreaitiv­ität ist. Und Südafri­ka ist das Kraftwerk Afrikas.”

Michael Otto in der Wirtschaftswoche 23/2010

 

 

 

Schon lange vor diesen Zeitschriften — und Jahre vor der Fußball­welt­meis­ter­schaft 2010 haben wir uns des Kon­ti­nents und sein­er einzel­nen Län­der und Eth­nien angenom­men. Den­noch ist das Jahr 2010 auch ein Anlass, unsere Dossiers zu aktualisieren.

Aber erst ein­mal:
fangen wir mit der Geschichte der let­zten bei­den Jahrtausende an — und ein­er Wan­derung, die fast dem gesamten Mit­tel- und Südteil des Kon­ti­nents eine ethisch nahe ver­wandte Bevölkerung gebracht hat.

Ban­tuwan­derung — ein Volk erobert einen Kontinent:

Teoría de la expan­sión ban­tú a par­tir del gol­fo de Guinea.
Quelle: Wikipedia

Ban­tu” bedeutet in den meis­ten Ban­tus­prachen “Men­schen” (vgl. abantu (aus isiZu­lu = Men­schen). Aus den sehr nahe ver­wandten Ban­tus­prachen haben Wis­senschaftler sehr früh den Schluss eines gemein­samen Ursprungs der Ban­tu-Völk­er gezo­gen, die sich in his­torisch­er Zeit über den Großteil Afrikas aus­ge­bre­it­et hät­ten — was allerd­ings wis­senschaftlich lange umstrit­ten war.
Die Gren­ze zwis­chen Ban­tus­prache und den Sudansprachen fällt — abge­se­hen von Enklaven — unge­fähr mit der Wald­gren­ze zusam­men. Ban­tu-Völk­er leben in einem Gebi­et, das in etwa südlich den 5. Bre­it­en­grades von Süd­kamerun aus die Gren­ze zwis­chen der Zen­tralafrikanis­chen Repub­lik und Zaire (Ouban­gi-Fluss) ent­lang führt, etwa die südlichen 2/3 Ugan­das umfasst und weite Teile Tansa­nias sowie Kenias (Kikuyu) ein­schließt.
Das gemein­same “Ban­tu-Erbe”, das ja dem gesamten süd-zen­tral- und ostafrikanis­chen Bere­ich gemein­same sprach­liche Wurzeln, eine Ver­wandtschaft im Bere­ich der kul­turellen Sym­bole und eine aufeinan­der bezo­gene Chronolo­gie in der Geschichte der Ver­flech­tung von Getrei­dewirtschaft und Viehkom­plex und den Beziehun­gen zu Jägern und Samm­lern gibt, führte zur Kon­sti­tu­ierung ein­er Großre­gion, die prak­tisch den größten Teil Afrikas umfasst. Die Ban­tus­prache zer­fällt in fünf große Grup­pen, und die Völk­er­schaften kön­nen sich wenig­stens zum Teil untere­inan­der verständigen. 

Neuere Forschun­gen — etwa an einem Magen­bak­teri­um — scheinen die enge genetis­che Ver­wandtschaft der Ban­tu-Völk­er zu bestäti­gen
extern­er Link:
Heli­cobac­ter auf Reisen — (www.wissenschaft.de)

Nach archäol­o­gis­chen und lin­guis­tis­chen Erken­nt­nis­sen begann im let­zten Jahrtausend v. Chr. mit der begin­nen­den Aus­trock­ung der Sahara eine archais­che Völk­er­wan­derung von Bauern und Ziegenbe­sitzern (die Worte für “Ziege” sind allen Ban­tu-Sprachen gemein­sam), den soge­nan­nten “Pro­to-Ban­tu” mit ein­er früheisen­zeitlichen Kul­tur. “Die fortschre­i­t­ende Aus­trock­nung der Sahara hat­te später eine weit­ere Bevölkerungs­be­we­gung zur Folge, die sog. Ban­tu-Wan­derung. So kam es zur Aus­bre­itung der schwarzafrikanis­chen Bevölkerung von einem Aus­gangspunkt im west­lichen Afri­ka (Kamerun) in das gesamte zen­trale, östliche und südliche Afri­ka in der his­torisch kurzen Zeit von 2000 vor bis 1500 nach unser­er Zeitrech­nung. Während im alten West­afri­ka eine Unzahl von sehr ver­schiede­nen Sprachen nebeneinan­der existierte und damit beweist, daß sich die Völk­er West­afrikas sehr früh — über Tausende von Jahren — in rel­a­tiv­er Iso­la­tion voneinan­der sprach­lich auseinan­der­en­twick­elt haben, sind die Ban­tus­prachen sehr eng miteinan­der ver­wandt und deck­en prak­tisch den gesamten afrikanis­chen Raum südlich der großen Regen­wald­zone ab.” 

Bildquelle: www.uni-tuebingen.de

Wie David Phillip­son (Archäologe am “British Insti­tute of His­to­ry and Archae­ol­o­gy in East Africa) recht überzeu­gend aus­führt (Sep­trum de Wis­senschaft, Dossier: Sprachen — 2007) bre­it­ete sich diese früheisen­zeitliche Kul­tur von ihrem Ursprungs­ge­bi­et im Südosten Nige­rias (Benin) und von Kamerun ent­lang des Nor­dran­des des Qäu­a­to­r­i­al-Waldes am Südrand der Zen­tralafrikanis­chen Repub­lik ent­lang nach Osten aus, wo im Gebi­et des heuti­gen Ugan­da am Vic­to­ria See (“Ure­we-Keramik”, ca. 500 v. Chr.) zen­tral­su­dane­sis­che Hirtenele­mente (die Ban­tu-Worte für “Rind” und “Schaf” sollen aus zen­tral­su­dane­sis­chen Sprachen kom­men) in die Ban­tu-Kul­tur aufgenom­men wur­den. Von dort führten zwei Wan­der­be­we­gun­gen — eine west­liche Route am Südrand des Waldes ent­lang — und eine östliche Route wohl östlich des ostafrikanis­chen Graben­bruch­es — nach Süden.Der west­liche Zweig vere­inigte sich etwa um die Zeit­en­wende mit anderen Ban­tu-Stäm­men, die von Kamerun aus — möglicher­weise ent­lang des Meeres oder der tro­pis­chen Flüsse — über die Kon­go-Mün­dung nach Süden vorge­drun­gen waren. Die so ent­standene Volks­gruppe bildete wohl um ca.500 n. Chr. ein Kul­turzen­trum im Hochland von West­zen­tral­sam­bia und im SO der DR Kon­go, so diese Ban­tu-Stämme wieder in Kon­takt mit dem östlichen Zweig der Ban­tu-Völk­er­wan­derung geri­eten. Späteisen­zeitliche Werk­stät­ten (ab ca. 11. Jhdt. nach Chr.) aus der östlichen Hälfte des Ban­tu-Ver­bre­itungs­ge­bi­etes, die deut­liche Verbindun­gen zur west­lichen Ban­tu-Gruppe zeigen, deck­en sich nach Phillip­son im Ver­bre­itungs­ge­bi­et mit der geo­graphis­chen Verteilung von Ban­tu-Dialek­ten die auf west­lich­es Ban­tu zurück­ge­hen. Die östlichen Hochland­sprachen haben also das früheisen­zeitliche Ban­tu des östlichen Zweiges über­lagert. Die Ban­tu-Wan­derung des früheisen­zeitlichen östlichen Zweiges erre­ichte etwa um 300 bis 400 n. Chr. den Nor­dosten des südlichen Afri­ka mit Sim­bab­we und etwa um 500 bis 600 n.Chr. Süd­west­sam­bia. Die Viehzüchter und Hirten­bauern (und wohl die Träger der afrikanis­chen Eisen­ver­ar­beitungskul­tur) besiedel­ten — unter Ver­drän­gung der ursprünglichen San-Kul­turen — in der Folge jene Gebi­ete ver­stärkt, die Viehhal­tung erlauben. Von Zen­tral- und Ostafri­ka aus wur­den über par­al­le­len Völk­er­wan­derun­gen, ständig begleit­et von gegen­seit­i­gen Kriegen, schließlich Südafri­ka erre­icht. Frühe Ban­tu-Funde sollen bere­its um 200 n. Chr. aus Botswana bekan­nt sein, aber noch um 1200 n. Chr. haben die Vorgänger der Ban­tu — die San- und Khoe-Völk­er — mit ihren Jäger‑, Samm­ler- und Hirtenkul­turen gemein­sam mit Ban­tu-Bauern und ‑Hirten in Botswana gelebt. Der Nieder­gang des “Reich­es” von Toutswe (650 — 1300 n. Chr. mit ein­er Blüte kurz nach der Jahrtausendwende) führte wohl zu ein­er Entvölkerung Botswanas, die erst um 1500 n. Chr. mit der (erneuten) Zuwan­derung von Ban­tu-Völk­ern been­det wurde. Während die Tswana ver­mut­lich schon um das Jahr 1400 nördlich des Vaal-Flusses auf die Ure­in­wohn­er der Kapre­gion stießen, wur­den Xhosa 1686 an der Küste von Transkei genan­nt. Als let­zte erre­icht­en ver­mut­lich um 1700 die Sotho das Gebi­et südlich des Flusses Limpobo an der Nord­gren­ze des heuti­gen Staates Südafri­ka. Externe Links:
Ban­tu — (www.wikipedia.org)
Zur Geschichte der Try­panoso­mi­asen — (www.collasius.org)
Region­al­ge­bi­et Afri­ka: „Der matri­lin­eare Gür­tel“ — (http://elaine.ihs.ac.at)
Das Land und seine Bewohn­er — (www.uni-giessen.de)

Diese Völk­er­wan­derung ist — ähn­lich der ger­man­is­chen Völk­er­wan­derung am Ende des römis­chen Imperi­ums — als ein stetiges Umher­streifen und “Ver­wirbeln” ver­schieden­er Volks­grup­pen zu sehen, die sich ver­mis­cht­en oder auch bekriegten. Begün­stigt durch die mod­er­nen Verkehrsmit­tel sowie neue Medi­en begin­nen sich heute mehrere Han­dels-und Verkehrssprachen durchzusetzen.

Im Osten Afrikas — von Ugan­da über Tansa­nia bis nach Sam­bia und Mosam­bik, in Malawi und auf den Komoren­sowie in Ruan­da, Burun­di und im Osten der Demokratis­chen Repub­lik Kon­go — ist Kisua­he­li als Verkehrs- und Han­delssprache gebräuch­lich. Fern­er wurde es auf dem Gipfel­tr­e­f­fen der Afrikanis­chen Union im Juli 2004 als Arbeitssprache über­nom­men und wird als Han­delssprache von ca. 90 Mil­lio­nen Men­schen gesprochen.

In Südafri­ka und Sim­bab­we schließt die Unter­gruppe der Ngu­ni-Sprachen, der auch isiZu­lu, isiX­hosa, isiN­de­bele und Siswati ange­hören. Mit ca. 11 Mil­lio­nen Men­schen Sprech­ern ist “isiZu­lu dabei wohl der am häu­fig­sten ver­wen­dete Dialekt. “isi” bedeutet so viel wie “Sprache” (vgl. “Kis“Suaheli und “Ki“Luba oder “li“Ngala). Die Sprachen der Ngu­ni-Gruppe sind so eng ver­wandt, dass eine gegen­seit­ige Ver­ständi­gung zwis­chen den Sprecher­grup­pen weit­ge­hend prob­lem­los ist. 

Im Kon­gob­eck­en wer­den Lin­gala (auch Ngála oder liNgála), KiKon­go und Tschilu­ba (auch Kilu­ba) gesprochen, wobei sich Lin­gala stetig als Han­dels- und Verkehrssprache aus­bre­it­et.Ban­tu-Afri­ka heute:Heute sprechen etwa 140 bis 150 Mil­lio­nen Men­schen die unter­schiedlichen, nah ver­wandten Ban­tu-Dialek­te. Das von Ban­tu-Völk­ern besiedelte Afri­ka nimmt ein Ver­bre­itungs­ge­bi­et ein, das ganz Süd- und Zen­tralafri­ka umfasst und dessen nördliche Aus­bre­itungs­gren­ze von Kamerun im West­en bis zum Aäqua­tor am indis­chen Ozean reicht.
Nach Jahrzehn­ten der Erschüt­terun­gen, der nachkolo­nialen Aus­beu­tung durch kor­rupte neue Eliten und der Bürg­erkriege begin­nt sich der von Ban­tu-Völk­ern bewohnte südliche und mit­tlere Teil des Kon­ti­nents langsam zu erholen. Südafri­ka bildet den Kern ein­er wirtschaftlichen Kon­so­li­dierung, die langsam und allmäh­lich nach Nor­den aus­greift. Während Staat­en wie Zim­bab­we vor dem wirtschaftlichen Kol­laps ste­hen — nur durch die Trans­fer­gelder der nach Südafri­ka geflüchteten Gas­tar­beit­er am Leben erhal­ten — haben die Minenkonz­erne der Welt die reichen Erzvorkom­men von Ango­la über den südlichen Kon­go bis Sam­bia erneut ent­deckt. Das Ende des Bürg­erkriegs in Ango­la erlaubt, die Boden­schätze erneut für den Welt­markt zu erschließen.

Ein Sym­bol dieses Auf­bruchs, ein Zeichen ist das Mobil­tele­fon, das Afri­ka erobert. Die kriegsz­er­störte Infra­struk­tur wird durch das schnur­lose Tele­fon erset­zt. Von 1999 bis 2004 haben sich — wie die FAZ berichtete — die Zahl der Kun­den auf dem gesamten Kon­ti­nent von 7,5 auf über 82 Mio. Men­schen mehr als verzehn­facht und habt bis Som­mer 2007 etwa 120 Mio. erre­icht. Bis 2010 sollen bere­its über 310 Mio. Kun­den über Handy erre­ich­bar sein. Inzwis­chen ist der Ver­sorgungs­grad der Bevölkerung z.T. auf über 10 % angewach­sen, und bei ein­er Gesamt­bevölkerung von über 850 Mil­lio­nen beste­ht ein noch weit aus­baufähiger Markt, den sich nicht nur Konz­erne aus dem ame­ri­an­is­chen, asi­atis­chen oder europäis­chen Aus­land teilen.Der südafrikanis­che Mobil­funkkonz­ern Voda­com ist neben dem afrikanis­chen Pio­nier Cel­tel (2005 für fast 3,5 Mrd. $ an kuwait­is­che Inve­storen verkauft) zum größten Anbi­eter im Erzge­bi­et von Kon­go-Kin­shasa gewor­den. Ein halbes Hun­dert “Super-Deal­er” ver­schafft dem südafrikanis­chen Anbi­eter Jahr für Jahr über bis zu 3000 Großkun­den, denen jew­eils max­i­mal 10 Läden mit jew­ils 20 bis 50 Straßen­händlern zuge­ord­net sind, mehr als ein­hun­dert­tausend Neukun­den also jährlich. Alleine im Gebi­et von Kon­go-Kin­shasa soll es im Som­mer 2007 bere­its über 6 Mil­lio­nen Handy­be­nutzer gegeben haben.   Das Handy eröffnet den Benutzern völ­lig neue wirtschaftliche Per­spek­tiv­en. Lebens­mit­tel wie Wild­fleisch wer­den nicht mehr “auf Ver­dacht” son­dern nach Bestel­lung über weite Streck­en geliefert — inclu­sive Kühlhaus­re­gal und Flugfracht. Die Händler liefern gezielt die Ware, die benötigt wird, bestellen per Handy und lassen sich mit “Gebührenein­heit­en” bezahlen, die über Funksig­nal von einem Handy zum anderen über­tra­gen wer­den kön­nen. In den ärmeren Gebi­eten haben Handys die Funk­tion der öffentlichen Tele­fonzellen über­nom­men, mit dem der Kon­takt zu Fam­i­lien­mit­gliedern gehal­ten — und den Schwarzhändlern der aktuelle Devisen­wech­selkurs mit­geteilt wird.  Das Handy ebnet den Weg in die Infor­ma­tion­s­ge­sellschaft. Unter­drück­ungs­maß­nah­men, Wahlfälschun­gen, aber auch Wer­bung und andere Infor­ma­tio­nen gehen in Sekun­den­schnelle über die Handy-Net­ze und ermöglichen den Han­dynutzern einen bre­it­en Informationsstand.