Am 23. April hat ein derSchwerlast-Schwimmkran nun auch die Bugsektion der vor fast einem Monat (26. März) nach einer Explosion gesunkenen Fregatte CHEON AN gehoben. Wie die in der Vorwoche geborgene Hecksektion, wurde das große Wrackteil auf einen Ponton verfrachtet und wird nun zur näheren Untersuchung in einen Marinestützpunkt gebracht. Unmittelbar nach der Bergung hat die Suche nach noch im Wrackteil vermuteten sieben vermissten Besatzungsmitgliedern begonnen. Insgesamt waren 46 Seeleute beim Untergang der CHEON AN ums Leben gekommen.
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Unterdessen gehen die Spekulationen um die Ursache der Explosion vor der unmittelbar an der umstrittenen Seegrenze zu Nordkorea („Northern Limit Line“) gelegenen Insel Baengnyeong weiter. Eindeutig fest steht, dass es sich um „Waffenwirkung von außerhalb des Schiffes“ handelt, und hier spricht nicht zuletzt aufgrund der erkennbaren „sauberen Zweiteilung“ des Rumpfes immer mehr für einen Torpedotreffer. Auffahren auf eine Ankertaumine hätte vornehmlich den Bug zerstört, seitlicher Treffer durch eine Treibmine hätte mehr Schäden an der Rumpfwand über der Wasserlinie verursacht (solche sind nicht zu erkennen); beides hätte das Schiff wohl auch nicht so auseinander brechen lassen. Die Explosion muss eigentlich direkt unter dem Kiel der CHEON AN erfolgt sein, und dies ist nur möglich durch eine Grundmine (Magnet- oder Druckzünder) oder durch einen Torpedo, der tiefengesteuert unter seinem Ziel detoniert.
Südkoreanische Medien schließen sich inzwischen fast einhellig der „Torpedo-Theorie“ an und berufen sich dabei auf Aussagen „aus dem Verteidigungsministerium“. Angeblich habe der militärische Geheimdienst auch bereits einige Wochen vor dem Untergang der CHEON AN die Marine darüber informiert, dass die nordkoreanische Marine Unterwasser-Kommandos in Mini-U-Booten für Selbstmordanschläge (mit Torpedos !) gegen südkoreanische Kriegsschiffe vorbereite. Offiziell bestätigt werden diese Berichte bisher nicht.
Ein Aspekt wird bei der hiesigen Berichterstattung über die CHEON AN Affäre etwas vernachlässigt, spielt in Südkorea aber sicher eine nicht unwesentliche Rolle. Dort stehen nämlich im Juni Wahlen heran, und Regierung und Opposition sind gleichermaßen bemüht, den Vorfall für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Präsident Lee präsentiert sich als besonnener, nicht voreilig handelnder Staatsmann, der mit Blick auf die Gesamtpolitik seines Landes auch außen- und wirtschaftspolitische Aspekte berücksichtigen muss. Die konservative Opposition wirft ihm natürlich völliges sicherheitspolitisches Versagen (um nicht zu sagen “Feigheit”) im Umgang mit einer „eindeutigen Aggression“ des verfeindeten nördlichen Nachbarn vor.
Über die genaue Ursache wird letztendlich nur die unter Beteiligung internationaler Experten aus den USA, Großbritannien, Australien und Schweden begonnene „forensische“ Untersuchung der geborgenen Wrackteile und weiterer ggf. noch auf dem Meeresgrund zu findender Trümmer Aufschluss geben. Sollte sich ein Torpedotreffer bewahrheiten, wird dies natürlich zu Reaktionen führen, auch wenn man wohl nicht mit einem sofortigen militärischen Gegenschlag gegen Nordkorea rechnen darf. Auch bei einem Torpedo wäre ja eine nordkoreanische Urheberschaft noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen; Nordkorea wird sich in diesem Fall darauf berufen, dass es in der Region ja auch noch andere Marinen gibt. Ganz sicher wird es für die südkoreanische Marine neue, deutlich verschärfte Rules of Engagement geben, aus denen sich dann bei Antreffen nordkoreanischer Marineeinheiten in See auch neue, eskalierende Zwischenfälle entwickeln könnten. Ansonsten wären vornehmlich verschärfte politische und wirtschaftliche Sanktionen gegen Nordkorea (Einfrieren der 6‑Party-Talks, weitere internationale Isolierung) zu erwarten.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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