Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Blick auf die École navale
15 Jahre Deutsch-Französischer Offizieranwärteraustausch der Marine
Im Vorfeld der Feierlichkeiten zum dreißigjährigen Bestehen der Elysée-Verträge hatten der französische Präsident François Mitterand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl die Chance und Gelegenheit gesehen, die deutsch-französische Verteidigungszusammenarbeit auszuweiten. Dem Bereich der Ausbildung wurde, um den Kontakt der Soldaten auf allen Dienstgradstufen zu erleichtern, besondere Bedeutung zugemessen. Aus diesem Gedanken heraus entstand 1993 der »Deutsch-Französische Offizieranwärteraustausch der Marine«.
Als Teilnehmer dieses in der Deutschen Marine nicht sehr bekannten Austauschprogrammes möchte ich einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Austausches geben sowie die französische Offizierausbildung – und damit das Austauschprogramm selbst – vorstellen.
Seit der Gründung der Bundeswehr gab es viele vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den deutschen und französischen Streitkräften. So nehmen zum Beispiel seit 1957, also immerhin 6 Jahre vor dem Abschluss der Elysée-Verträge, jährlich zwei deutsche Offizierschüler an der Ausbildungsreise des französischen Schulschiffs JEANNE D’ARC teil. Nach über 30 Jahren der gemeinsamen Arbeit in der NATO und EG sollte der Schritt von der Verbindungspflege zur Kooperation gewagt werden.
Bereits 1988 wurde der Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat (DFVSR) gegründet und ein Jahr später die Deutsch- Französische Brigade ins Leben gerufen. Nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Abzug der französischen Besatzungstruppen aus Deutschland wurde die Verteidigungszusammenarbeit zwischen beiden Ländern weiter ausgebaut. So fand auf der Grundlage bilateraler Verhandlungen ab November 1991 der erste Offizieraustausch statt.
Im Gegensatz zu Verbindungsoffizieren sind Austauschoffiziere durch die Übernahme eines Dienstpostens des Gastlandes fest in dessen Personalstruktur integriert. Sie übernehmen in Ihrem Aufgabenbereich uneingeschränkte Verantwortung, die bis zur Vertretung der Interessen des Gastlandes auch gegenüber Drittstaaten reichen kann. Unter diesen Gesichtspunkten war es nur ein logischer, aber auch weitreichender Schritt, in der Ausbildung der Offiziere und Unteroffiziere enger zusammenzuarbeiten.
Aufgrund der Unterschiede beider Armeen in Ausrüstung, Personalstruktur und Führungsverständnis, erschien eine verallgemeinerte Zusammenarbeit bereits am Anfang der Offiziers- und Unteroffiziersausbildung durch gemeinsame Ausbildungsmodule nicht realisierbar. Ansätze für eine deutsch-französische Systemausbildung bei gemeinsamen Waffensystemen, wie zum Beispiel den 100-mm-Türmen der Zerstörer, wurden geprüft, aber letztendlich als nicht durchführbar eingestuft. Um dennoch dem politischen Auftrag Mitterands und Kohls gerecht zu werden, wurde durch die Deutsche Marine die Idee eines bilateralen Austausches in der Offizierausbildung entwickelt.
Das Prinzip des Austausches ist bestechend einfach und beweist viel Vertrauen in die Ausbildung der Partnernation: Beginnend mit der Crew VII/93 sollten jedes Jahr mindestens zwei Offizieranwärter für Ihre komplette Ausbildung (inklusive Studium, d.h. für 5 bis 6 Jahre) in das Partnerland entsendet werden. So wurde 1993 nicht nur das Eurokorps gegründet, sondern es nahm auch ein ambitioniertes Austauschprogramm zwischen der deutschen und französischen Marine Fahrt auf.