Der Mensch möchte Ordnung in seinem Weltbild. Er strebt nach Verständnis der Dinge, die um ihn herum wahrgenommen werden und die ihn und seine Familie beeinflussen.
Mit den heutigen Medien — Satelliten, TV, Radio, Internet — “rückt die Welt zusammen”. Gleichzeitig wird der eigene Horizont weiter, also der Bereich, der selbst in groben Zügen “überblickt” werden kann.
Wenn es früher Monate, ja sogar Jahre dauerte, bis die Nachricht von einem schweren Erdbeben in Portugal den europäischen Kontinent durcheilte, dann ist es heute eine Fragen von Stunden, ja sogar Minuten, bis eine Meldung von irgendwo auf dieser Welt im heimischen Wohnzimmer empfangen werden kann.
Dies führt zu einer zunehmenden Erkenntnis über andere Länder und Kontinente, und zum Bewusstsein, dass eine Vielzahl von Entwicklungen — weit ab, weg vom heimischen Herd — geeignet ist, das eigene Wohlbefinden entscheidend zu beeinflussen.
Ost gegen West ist Vergangenheit
Seit dem Ende der bipolaren Konfrontation nach dem Zweiten Weltkrieg — also seit dem Ende des kalten Krieges und dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks — beherrscht eine Supermacht das Geschehen.
Diese einzige verbliebene Supermacht — die Vereinigten Staaten von Amerika . sieht sich zunehmend isoliert. Regionale Bündnisse kooperieren und opponieren immer deutlicher, auch gegen die eindeutigen Erklärungen und Absichten der USA. So etabliert sich die EU zunehmend in einer eigenständigen Rolle als “Mitspieler”. Es zeichnet sich ab, dass diese regionale Bündnisse und Zusammenschlüsse zunehmend die Entwicklung der Weltpolitik beeinflussen.
Mit China ist dazu ein weiterer, militärisch nicht unbedeutender “Mitspieler” auf dem geopolitischen Schachbrett aufgetaucht.
Drei Weltenlehre — erste, zweite, dritte Welt
Nach der Welteinteilung in Ost- und West sowie die “Blockfreien” (i.d.R. Entwicklungsländer) zirkulierte die Idee der ersten, zweiten und dritten Welt.
Die erste Welt bildete der hochtechnisierte “Westen”, die zweite Welt war den weniger industrialisierten Staaten zugedacht, die auf dem Weg zur technischen Zivilisation waren, und die “Dritte Welt” bildete die Mehrheit der Entwicklungsländer, die sich vor oder auf der Schwelle zur Industrialisierung befanden. Letztere waren “Objekte des Handelns” der Ersteren, in einer absolut untergeordneten Rolle — bestenfalls “Objekte der Fürsorge” (Entwicklungshilfe) und schlechtestenfalls politische Vasallen in einem faktisch halbkolonialen Status und in der Rolle von rein formal selbstständigen Befehlsempfängern mit einer tatsächlich nur geringen eigenen Entscheidungskompetenz der nationalen Führungseliten.
Diese mehr wirtschaftliche Welteinteilung sollte sich auch in politisch-sozialer Hinsicht auswirken. Der “Ersten Welt” wurden Werte wie Demokratie und Wohlstand zugewiesen, mit der Vermutung, dass nur eine demokratisch legitimierte politische Führung auch — um wieder gewählt zu werden — den Wohlstand aller (zumindest der Mehrheit) fördert und der Erwartung, dass zunehmender Wohlstand auch zunehmende Bildung und damit funktionierende politische Mündigkeit und Mitbestimmung fördert, freilich ohne dass diese Zuweisungen immer und überall richtig wären.
Die “größte Demokratie der Erde”, wie sich Indien gerne bezeichnet, wurde und wird den ärmlichen Entwicklungsländern zugerechnet. Arabische Fürstenhäuser dagegen, deren Gesellschaft nicht auf demokratischen Werten sondern vielfach noch auf überlieferten Clan-Strukturen beruhen, gehören zu den wohlhabendsten und prosperierendsten Staaten der Erde. China hingegen, der erwachende und prosperierende Drache, der den indischen Elefanten seit Jahren wirtschaftlich in den Schatten stellt, ist nach wie vor ein “Ein-Parteien-System” unter Führung einer kommunistischen Partei, deren Erfolge diametral entgegen dem klassischen Weltbild stehen.