Deutschland — Ein Jahrhundert deutsche U‑Boote

Flagge Deutschland

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

Eine Waf­fen­gat­tung, vom Mythos belegt, die in zwei Kriegen hohe Opfer gebracht hat und heute Spitzen­tech­nolo­gie darstellt

von Raimund Wall­ner
(Kapitän zur See Raimund Wall­ner, seit 37 Jahren mit Unter­brechun­gen in ver­schiede­nen, mit U‑Booten befassten Ver­wen­dun­gen, leit­et im Vertei­di­gungsmin­is­teri­um das Refer­at für U‑Boot-Rüs­tung.)

In bei­den Weltkriegen tru­gen U‑Boote die Haupt­last der deutschen Kriegführung gegen die west­lichen Seemächte und hat­ten extrem hohe Ver­luste. Admi­ral­ität bzw. Seekriegsleitung planten keineswegs, U‑Booten von Anfang an diese Rolle zuzuweisen. Doch die Kriegsver­läufe zwan­gen sie dazu. Die U‑Boote des Kaisers hat­ten 12 Mil­lio­nen Brut­toreg­is­ter­ton­nen Han­delschiff­s­raum versenkt, während seine »Schim­mernde Wehr«, die Hochseeflotte, auf der Jade düm­pelte. Zum Zeit­punkt von Hitlers Über­fall auf Polen standen 32 U‑Boote in See, ger­ingfügig mehr als die 1914 noch in den Kinder­schuhen steck­ende Waffe an Ein­heit­en zählte. Mit keinem Seekriegsmit­tel wussten die Deutschen nach zwei Kriegen bess­er umzuge­hen. Die für die Bun­des­ma­rine vorzuse­hen­den U‑Boote soll­ten allerd­ings nicht mehr im ozeanis­chen Han­del­skrieg, son­dern als Plat­tfor­men zur mar­iti­men Vorn­ev­ertei­di­gung im Bünd­nis mit den Geg­n­ern von einst einge­set­zt wer­den. Seit Ende des Kalten Krieges operieren deutsche U‑Boote wieder in ent­fer­n­ten Seegebieten.

Nähme man den Unter­see­boot­bau als Kri­teri­um für den Beginn ein­er nationalen U‑Boot-Geschichte, dann wäre es für Deutsch­land sich­er legit­im, dafür schon den 18. Dezem­ber 1850 festzule­gen. An diesem Tag hat­te der bay­erische Artillerie-Unterof­fizier Wil­helm Bauer für das schleswig-hol­steinis­che Heer den Bau seines Brand­tauch­ers vol­len­det und führte die Über­wass­er-Probe­fahrt auf der Kiel­er Förde durch.

Nach­dem er und seine Gefährten den ersten, miss­lun­genen Tauchver­such fast mit dem Leben bezahlt hat­ten, akquiri­erte – wie wir heute sagen wür­den – Bauer in Preußen, in Eng­land und Rus­s­land, wo er schließlich 1855 das Tauch­boot SEETEUFEL bauen und in über hun­dert Tauchgän­gen erfol­gre­ich testen kon­nte. Marineforum Zeichnung Wilhelm Bauers aus dem Jahre 1851 So sehr man später das U‑Boot mit deutschem Seekrieg assozi­ieren wird – als es um die Ein­führung dieses neuen Seekriegsmit­tels ging, war die Kaiser­liche Marine zöger­lich. Großad­mi­ral Alfred v. Tir­pitz, der des Kaisers Lieblingsstre­it­macht – die Flotte – zum Instru­ment für die Erlan­gung von Welt­gel­tung aus­baute, begrün­dete dies später in »Erin­nerun­gen« mit sein­er »bewährte[n] Meth­ode, die Kriegs­brauch­barkeit ein­er neuen Erfind­ung vor ihrer all­ge­meinen Ein­führung abzuwarten. Er »habe es abgelehnt, für U‑Boote Geld wegzuw­er­fen, solange sie nur in Küstengewässern fahren … kon­nten; sobald aber seefähige Boote gebaut wur­den« sei er der erste gewe­sen, »der sie in großem Stil förderte und trotz dem aufer­legten Geld­man­gel darin bis an die Gren­ze unser­er tech­nis­chen Leis­tungs­fähigkeit« gegan­gen sei.

Eber­hard Rössler, der uner­müdliche Chro­nist des deutschen U‑Boot-Baus zählte 181 UBoot-Entwürfe, die zwis­chen 1861 und 1900 den deutschen Mari­nen zur Aus­führung ange­boten wur­den. Einzig der »Bau Nr. 333« wurde bei der Kiel­er Howaldtwerft 1897 real­isiert, kam aber über das Exper­i­men­tier­sta­di­um nie hin­aus. Der spanis­che Inge­nieur d’Equevilley war 1901 mit seinem eige­nen U‑Boot-Entwurf beim franzö­sis­chen Marine­m­i­nis­teri­um erfol­g­los gewe­sen und wandte sich Anfang 1902 an Krupp in Essen. Die Keimzelle der deutschen U‑Boot-Waffe ist – wenn man so will – durch einen frus­tri­erten Inge­nieur auf der Suche nach Arbeit über den Rhein »pro­lif­eriert« wor­den. Marineforum Tauchboot FORELLE Bei der Ger­ma­ni­aw­erft in Kiel ent­stand das Tauch­boot FORELLE – ein Exper­i­men­tal­muster, mit dem bei ver­schiede­nen Mari­nen Akqui­si­tion betrieben wurde. Prinz Hein­rich per­sön­lich saß bei ein­er Tauch­fahrt im Dezem­ber 1903 am Tiefen­rud­er, der Kaiser besichtigte das Boot und auch rus­sis­che Mari­ne­of­fiziere. Bevor noch die deutsche Marine einen Auf­trag erteilte, gin­gen im Juni 1904 drei größere U‑Boote für die Marine des Zaren bei der Ger­ma­ni­aw­erft unter Ver­trag und die FORELLE als Dreingabe mit nach St. Petersburg.

Erst dieser Exporter­folg und der Druck der öffentlichen Mei­n­ung führten bei Tir­pitz zum Umdenken und bere­its im Dezem­ber 1904 bestellte das Reichs­marineamt ein den rus­sis­chen Booten ähn­lich­es Tauch­boot, das auf Grund von nachträglichen Änderun­gen um ein Jahr verzögert am 14. Dezem­ber 1906 als U1 in Dienst gestellt wer­den kon­nte. Das Heißen von Flagge und Wim­pel auf U1 markiert den Geburt­stag der deutschen U‑Boote.

Team GlobDef

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