NAH-/MITTELOST
Die militärische/sicherheitspolitische Lage im Nahen-/Mittleren Osten bleibt von der Bekämpfung des islamistischen Terrors, den Bürgerkriegen in Syrien und Jemen sowie dem politischen Konflikt mehrerer arabischer Staaten mit dem Emirat Katar bestimmt.
KATAR
Der politische Konflikt einer von Saudi-Arabien angeführten Gruppe arabischer Staaten mit dem Emirat Katar dauert an. Eine gegen Katar verhängte Blockade (Schließung von Luftraum und Landgrenzen) bleibt bestehen, auch wenn Saudi-Arabien die Passage von Mekka-Pilgern erlaubt. Hinter den Kulissen dürfte man weiterhin nach einer für alle Parteien gesichtswahrenden politischen Lösung für einen politischen Konflikt suchen. Nicht zuletzt die kürzliche volle Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen Katars zum Iran dürfte allen Beteiligten nachhaltig vor Augen geführt haben, dass letztendlich nur der Iran von der Lage profitieren kann – und daran hat keiner der Golf-Staaten und am wenigsten Saudi Arabien Interesse.
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
ISLAMISTISCHER TERROR IN SYRIEN UND IRAK
Bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors in Syrien und Irak bleibt eine international übergreifende Koalition weiterhin Fernziel. Unverändert bestimmen divergierende Eigeninteressen zahlreicher Staaten sowie die Spaltung zwischen Schiiten und Sunniten die Entwicklung.
SYRIEN — IRAK: US-geführte Koalition (Operation „Inherent Resolve“)
Eine US-geführte multinationale Koalition Flugbetrieb auf der ‘Nimitz’ setzt mit Operation „Inherent Resolve“ Luftschläge gegen islamistische Terrorgruppen im Irak und in Syrien fort. Ziele sind Kommandozentren (Führungspersonen), Stützpunkte, Depots und von Islamisten kontrollierte Öl-Anlagen, daneben aber auch logistische Straßentransporte und Gruppen verlegender Kämpfer. Viele Angriffe dienen der direkten Unterstützung (Close Air Support) irakischer Truppen und syrischer (kurdischer) Oppositionsmilizen. Zum Einsatz kommen US-Trägerkampfflugzeuge und landgestützt von Flugplätzen der Golfstaaten, Jordaniens und der Türkei operierende Kampfflugzeuge und Drohnen der Streitkräfte zahlreicher Staaten. Die britische Royal Air Force nutzt ihre Basis in Akrotiri (Zypern).
Der US-Flugzeugträger „Nimitz“ setzt im Persischen Golf den Einsatz seiner Kampfflugzeuge gegen IS-Ziele in Irak und Syrien fort. Der am 1. Juni mit dem Auslaufen aus Everett (Washington) begonnene Einsatz der „Nimitz“ Carrier Strike Group wird länger als die ursprünglich geplanten sechs Monate dauern.
In den Seegebieten um die Arabische Halbinsel (Zuständigkeitsbereich der 5. US-Flotte) operiert weiterhin die „Bataan“ Amphibious Ready Group (ARG) der US Navy. Auf dem amphibischen Träger „Bataan“ eingeschiffte Jagdbomber AV-8B Harrier und Kampfhubschrauber des US Marine Corps können bei Bedarf auch über Land (z.B.gegen islamistische Terrorgruppen im Jemen oder in Somalia) eingesetzt werden. Die in Norfolk beheimatete „Bataan“ ARG ist schon seit Ende Februar unterwegs, nähert sich also dem Ende eines normalen Einsatzes.
‘America’ (Foto: US Navy)
Ablösung ist mit der in San Diego (Kalifornien) beheimateten „America“ ARG auch bereits auf dem Weg, hat es aber nicht sonderlich eilig. Nach Übungen in Südostasien war die „America“ nach der Kollision des US-Zerstörers „John S. McCain“ vor Singapur in die Search & Rescue-Operation eingebunden. Am 28. August verließ der amphibische Träger Singapur, wobei vorerst noch unklar bleibt, ob er nun Kurs auf die Golfregion genommen hat, oder zunächst noch weitere Übungen in Südostasien durchführen soll.
SYRIEN: Russland – Türkei
Russland gibt der Bekämpfung des IS in Syrien zwar Priorität, macht allerdings unverändert keinen wirklichen Unterschied zwischen Islamisten und Oppositionsrebellen; außerhalb von erklärten „De-Eskalationszionen“ gelten alle gleichermaßen als “Terroristen”. Nach wie vor erfolgen russische Luftangriffe in direkter Unterstützung syrischer Regierungstruppen auch in Gebieten, in denen keine islamistischen Milizen aktiv sind.
Hauptziel der Türkei scheint weniger der Kampf gegen IS als die „Neutralisierung“ von Kurden. Bei verstärkten Operationen in grenznahen Gebieten Nordsyriens kommt es offenbar auch schon zu direkten Kampfhandlungen zwischen türkischen Soldaten und von den USA im Kampf gegen IS (mit „embedded“ Special Forces) unterstützten kurdischen Milizen. Die türkische Regierung hat den Irak öffentlich gewarnt, das im September geplante Referendum zu einer unabhängigen kurdischen Region zuzulassen; Präsident Erdogan kündigte öffentlich sogar eine anti-kurdische Kooperation mit dem Iran an.
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BÜRGERKRIEG IN SYRIEN (Fortschreibung)
In den auf Initiative von Russland, Syrien, dem Iran und der Türkei erklärten „De-Eskalationszonen“ herrscht weiterhin vergleichsweise Ruhe. Andernorts gehen die Kämpfe weiter; islamistische Milizen bleiben ohnehin grundsätzlich von allen Feuerpausen ausgenommen. Russland, die USA und die syrische Regierung haben sich auf Einrichtung einer „De-Conflicting“-Zone in Nordost-Syrien verständigt; eine Art Pufferzone, in der man sich bei der Bekämpfung von IS nicht gegenseitig ins Gehege kommen will.
Russland sieht in „De-Eskalationszonen“ die Basis für ein Ende des Bürgerkrieges. Sie zwängen Oppositionsmilizen zur räumlichen Trennung von islamistischen Terrorgruppen, und dies eröffne Chancen für einen politischen Dialog. In den Zonen vereinbarte Feuerpausen konnten teilweise auch schon in formelle regionale Waffenstillstände überführt werden. Russland strebt auch eine unabhängige Überwachung von deren Einhaltung an, kann aber ohne UN-Mandat noch keine nicht im syrischen Bürgerkrieg involvierte Länder zur Entsendung von Friedenstruppen bewegen. So werden vorerst nur russische Militärpolizisten eingesetzt.
Maritime Aspekte
Im östlichen Mittelmeer operiert weiterhin das von der russischen Schwarzmeerflotte geführte Ständige Mittelmeergeschwader (MedSqn) der russischen Marine. Einzige Kampfeinheiten sind zurzeit die Fregatte „Admiral Essen“ der Schwarzmeerflotte sowie zwei in der Ostsee gebaute, neue U‑Boote, die ihre Überführungsfahrt ins Schwarze Meer für einen vorübergehenden Einsatz bei der MedSqn unterbrochen haben. „Velikiy Novgorod“ und „Kolpino“, die letzten beiden von insgesamt sechs bei der Admiralitätswerft in St. Petersburg für die Schwarzmeerflotte gebauten U‑Boote der KILO-III-Klasse, haben am 28. August in Begleitung eines Bergeschleppers der Baltischen Flotte die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer passiert und sind seitdem formell der MedSqn unterstellt. Es ist nicht auszuschließen, dass sie auch als quasi „abschließende Waffenerprobungen“ Marschflugkörper Kalibr auf IS-Ziele in Syrien schießen sollen.
Der am 12. August ins Mittelmeer eingelaufene Nordflottenzerstörer „Vitseadmiral Kulakov“ hat sich dagegen nicht der MedSqn angeschlossen. Das Schiff hat nach Zwischenversorgung in Limassol (Zypern) den Suezkanal passiert und wird seit dem 31. August bei Anti-Piraterie-Operationen im Golf von Aden gemeldet. Für den am 7. August ins Schwarzmeer zurückgekehrten Minensucher „Valentil Pikul“ wurde noch immer kein Ersatz zur MedSqn nachgeführt. Damit scheinen die Anfang 2016 begonnenen, ablösenden Einsätze von Minensuchern zur Verhinderung verdeckten Minenlegens vor der syrischen Küste tätsächlich beendet.
Die auch als „Syrian Express“ bezeichneten Lieferung von Rüstungsgütern nach Syrien und Nachschub für die dort eingesetzten russischen Truppen wird fortgesetzt, offenbar aber mit deutlich reduziertem Umfang.
Nach fast vier Wochen „operativer Pause“ wurde am 25. August mal wieder ein einzelnes Landungsschiff der Schwarzmeerflotte mit (vermutlich) Kurs auf Syrien in den Türkischen Meerengen gesichtet. Zuvor hatten jede Woche mehrere Landungsschiffe oder von der Russischen Marine speziell für die Transporte gekaufte Frachter den Bosporus passiert. Gründe für die Reduzierung, ja sogar vorübergehende Einstellung der Transporte sind nicht bekannt. Da sich am Bedarf wenig geändert haben dürfte, mag man vielleicht eine Reaktion auf „Kräfteüberdehnung“ vermuten.
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FRANKREICH
Die neue Fregatte „Auvergne“ hat sich in Lorient auf den Weg zu einer viermonatigen Fahrt in den Indischen Ozean gemacht.
Nach Passage des Suezkanals schloss sich die Fregatte im Arabischen Meer zunächst der multinationalen Combined Maritime Force (CMF) 150 in der Anti-Terroroperation „Enduring Freedom“ an. Später geht es dann weiter nach Süden. Abgestützt auf Reunion soll die im April von der Bauwerft an die französische Marine gelieferte „Auvergne“ im südwestlichen bis in den südlichen Indik hinein unter wechselnden klimatischen Bedingungen letzte operative Erprobungen und Systemzertifizierungen durchführen. Dazu wurde auch einer der neuen französischen Marinehubschrauber NH-90 Caiman eingeschifft.
Die Reise steht am Ende einer fast einjährigen Serie von Ausbildungsphasen und Erprobungen zur Erlangung vorläufiger Einsatzreife (Ende Mai). Nach ihrer Rückkehr soll die „Auvergne“ dann formell als „operativ voll einsatzklar“ erklärt und in Dienst gestellt werden.
Die „Auvergne“ ist die vierte Fregatte der AQUITAINE-Klasse – eigentlich schon die fünfte, aber Baunummer zwei „Normandie“ wurde kurzfristig nach Ägypten verkauft. Damit werden statt ursprünglich geplanter neun Schiffe nun nur noch acht dieser Mehrzweckfregatten vom Typ FREMM (Frégate Multi-Mission) für die frazösische Marine gebaut – übrigens im Rahmen eines bilateralen Vorhabens mit der italienischen Marine (dort BERGAMINI-Klasse).
Auf zwei zwischenzeitlich geplante zusätzliche für Flugabwehr/Luftraumverteidigung optimierte FREMM wird verzichtet. Diese vorab als FREDA (Frégate Défense Aérienne) bezeichneten Schiffe sollten eigentlich die Streichung von zwei weiteren Flugabwehr-Zerstörer der HORIZON-Klasse kompensieren. Stattdessen sollen nun zwei der acht normalen FREMM verbesserte Flugabwehrfähigkeiten erhalten. Statt der auf den normalen FREMM eingerüsteten Flugabwehr-FK Aster-15 sollen sie Aster-30 erhalten, die sie mit Reichweiten von offiziell bis zu 100km auch zur Verbandsflugabwehr, später mit einer zurzeit entwickelten neuen Variante der Aster-30 auch zur exo-athmosphärischen Raketenabwehr gefähigt. Alle acht FREMM sollen überdies mit landzielfähigen Marschflugkörpern bestückt werden. Übrigens: abweichend von international üblichem Standard tragen die französischen Fregatten der AQUITAINE-Klasse in ihrer Seitennummer das eigentlich Zerstörern vorbehaltene „D“.
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LETTLAND (multinational)
Auch in diesem Sommer fand in der östlichen Ostsee wieder die multinationale Minenräumübung „Open Spirit“ statt.
Das seit 1996 (damals noch unter dem Namen „Baltic Sweep“) unter der NATO-Initiative Partnership for Peace stattfindende „Open Spirit“ ist weit mehr als ein Manöver. Neben dem bloßen Üben von Minenabwehrverfahren in einem multinationalen Umfeld geht es vor allem um das Aufspüren und Beseitigen von Minen und Munitionslasten zweier Weltkriege vor der Küste der Baltischen Staaten, einem Seegebiet, das in Zeiten des Kalten Krieges jahrzehntelang hermetisch abgeriegelt war.Minensprengung bei ‘Open Spirit’ (Foto: lett. Marine) „Open Spirit“ leistet damit einen ganz entscheidenden Beitrag dazu, Schifffahrt und Fischerei in der östlichen Ostsee sicherer zu machen.
Der operative Nutzen für die Teilnehmer ist beträchtlich, denn nur sehr selten haben Minenabwehreinheiten die Möglichkeit, abseits jeder Übungskünstlichkeit unter realen Einsatzbedingungen scharfe Minen und Munition zu suchen und zu räumen. Regelmäßig werden bei „Open Spirit“ Dutzende alter Sprengkörper gefunden und medienwirksam „spektakulär entsorgt“.
Nicht von ungefähr beteiligen sich an „Open Spirit“ auch Minenabwehreinheiten und ‑spezialisten von Nicht-Ostseeanrainern wie Frankreich, Großbritannien und Norwegen, ja auch Kanada und den USA und diesmal sogar Neuseeland. Zwischen 2003 und 2007 brachte sogar die russische Baltische Flotte Minenjagdboote in die jährlichen Übungen ein. Nach dem Georgien-Konflikt (2008) legte die russische Marine eine zunächst nur zweijährige Pause ein; vor dem Hintergrund des Ukraine-Konfliktes ist sie nun seit 2014 nicht mehr dabei.
Die Ausrichtung von „Open Spirit“ wechselt in jährlicher Rotation zwischen den drei Baltischen Staaten. Gastgeber für „Open Spirit 2017“ war vom 18. bis 31. August die lettische Marine. Operationsgebiet waren die lettischen Küstengewässer in der Irbenstraße im Eingang zum Rigabusen
„Open Spirit 2017“ begann mit der Anreise von 15 Minenabwehrfahrzeugen, sechs Minentauchergruppen und Spezialisten aus insgesamt 11 Ländern (Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen, Schweden) nach Mersrags, am Eingand der Irbenstraße. Einige teilnehmende Marinen waren im NATO-Einsatzverband SNMCMG‑1 oder im gemeinsamen Geschwader „Baltron“ der Baltischen Staaten repräsentiert.
Wie üblich standen nach dem Eintreffen am 18. August in Mersrags über das Wochenende erst einmal gegenseitiges Kennen lernen, Übungsvorbereitungen und letzte Besprechungen sowie ein „Open Ship“ für die örtliche Bevölkerung auf dem Programm. Am 21. August liefen die Boote dann in die Irbenstraße aus, um in designierten Räumgebieten aktiv Minen und Munition zu suchen. Beim diesjährigen „Open Spirit“ wurden insgesamt 143 Unterwasserobjekte entdeckt und genauer untersucht; 56 davon waren alte Minen, Torpedos oder Granaten, die entschärft wurden. Nach der Seephase ging es zur Übungsnachbesprechung noch einmal in den lettischen Hafen zurück, bevor alle Einheiten dann die Rückreise in die Heimat antraten oder sich zur am 8. September beginnenden nächsten Ostsee-Übung „Northern Coasts 2017“ auf den Weg nach Schweden machten.
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MEXIKO
Mit dem traditionellen Einsetzen einer Münze („Coining“) hat in Vlissingen (Niederlande) der Bau einer neuen Fregatte begonnen.
Die mexikanische Marine pflegt schon seit Jahren enge Beziehungen zur niederländischen Damen Schelde Naval Shipbuilding (DSNS). 2011 begann bei der mexikanischen ASTIMAR in Tampico der Bau von 43-m-Wachbooten der TENOCHITLAN-Klasse – Lizenzbauten des DAMEN STAN PATROL 4207 Designs. Anfang dieses Jahres waren Verträge zum Bau eines größeren Kampfschiffes unterzeichnet worden, die nun bereits umgesetzt werden. Bei dem Neubau handelt es sich um eine SIGMA 10514, eine größere (107m, 2.750ts) Fregatte der von den Niederländern international angebotenen SIGMA-Familie. Solche Schiffe werden mit DSNS-Hilfe auch in Indonesien für die indonesische Marine gebaut, aber es bleibt vorerst unklar, ob und wie sich das mexikanische Schiff im Detail in Ausrüstung und Bewaffnung unterscheiden wird.
Bei der mexikanischen Marine wird das Schiff unter der Bezeichnung „POLA“ (Patrulla Oceánica de Largo Alcance) geführt. Es soll mit drei Wochen Seeausdauer die Fähigkeiten zu langdauernden Hochseepatrouillen und Teilnahme an internationalen Einsätzen stärken und als Teil einer fälligen Flottenmodernisierung wohl auch den Ersatz teils mehr als 50 Jahre alter ex-US-Fregatten einleiten.
Der Bau erfolgt in Modulen, wobei die DSNS-Mutterwerft in Vlissingen nur zwei solche fertigt und dann nach Mexiko verschifft. Dort werden mit DSNS-Hilfe weitere vier Module hergestellt und das Schiff dann auch zusammengebaut, ausgerüstet und erprobt. Der Stapellauf ist erst einmal für Oktober 2018 geplant. Sollten das Schiff die Erwartungen der mexikanischen Marine erfüllen, kann wohl eine Bestellung weiterer Einheiten — mit Lizenzbau in Mexiko – erwartet werden.
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NORDKOREA (Fortschreibung)
Wie nicht anders zu erwarten, haben sich vor dem Hintergrund der südkoreanisch-amerikansichen Übung “Ulchi Freedom Guardian 2017” die Spannungen erneut verschärft.
Start der Hwasong-12 (Foto: staatl. nordkor. Medien)Schon im Vorfeld der am 21. August begonnenen Übung war die staatliche Propaganda Nordkoreas wieder deutlich aggressiver geworden, hatte — wie schon in den Vorjahren — die jährliche Computerübung als einen “unkontrollierbaren Schritt in Richtung auf einen Atomkrieg” gebrandmarkt. Wie üblich wurden verbalen Drohungen mit Demonstrationen militärischer Stärke untermauert.
Nach Schüssen von drei Kurzstreckenraketen ins Japanische Meer (26. August) wurde am 29. August eine Mittelstreckenrakete Hwasong-12 von einem Startplatz nahe Pyongyang über das japanische Meer und direkt über Japan hinweg in den Westpazifik geschossen. Bei einer Flugstrecke von 2.700 wurde die mögliche Reichweite der Rakete bei Weitem nicht ausgeschöpft, aber deutlich gemacht, dass die US-Insel Guam problemlos hätte getroffen werden können. Dass die Rakete bei Wiedereintritt in die Atmosphäre in drei Teile zerbrach (und damit unverändert Probleme bei der Entwicklung eines verlässlichen Waffensystems offenbarte), spielte für Nordkoreas Propaganda keine Rolle. Lautstark wurde erklärt, der Schuss sei nur Auftakt zu einer Serie weiterer Raketenstarts zur nachhaltigen Isolierung Guams.
Auch wenn Japan zuvor offiziell angekündigt hatte, über sein Gebiet fliegende nordkoreanische Raketen aktiv zu bekämpfen: Weder Japan noch die USA unternahmen auch nur den Versuch eines Abfangens der Hwasong-12. Auch erneute Erklärungen von US-Präsident Trump (“Zeit für Gespräche vorbei”, “alle Optionen auf dem Tisch”), ein einen Tag später von der US-Navy vor Hawaii durchgeführter, erfolgreicher Raketenabwehrtest und schließlich demonstrative Flüge strategischer US-Bomber über Südkorea konnten nicht verdecken, dass die “größte Provokation seit 2009” im Grunde unbeantwortet blieb. Raketenabwehroptionen (Grafik: CNN)Warum Japan auf eine Abwehr verzichtet und sich mit Luftalarm für die Bevölkerung begnügt hat, bleibt unklar. Das Abschießen einer nordkoreanischen Rakete über eigenem Staatsgebiet wäre schwerlich als offensiver kriegerischer Akt anzuprangern gewesen.
Eine Zerstörung der nordkoreanischen Rakete auf ihrem Flug hätte dagegen die Existenz einer effektiven Raketenabwehr nachdrücklich unterstrichen und nordkoreanischen Drohungen eine wesentliche Grundlage entzogen. Die dazu notwendigen Waffensysteme sind vorhanden und mehreren räumlich gestaffelten Verteidigungslinien offenbar auch schon disloziert (siehe dazu die vom US-Sender CNN anhand offizieller Angaben zusammengestellte Grafik). Möglicherweise war man sich aber der Effektivität der Abwehrsysteme nicht wirklich sicher; ein Fehlschlag hätte jedenfalls katastrophalen Gesichts- verlust bedeutet und Nordkorea nur Anlass zu weiterer Eskalation gegeben.
Wie geht es nun weiter?
Anmerkung (04 Sep): der neue Atomwaffentest hat die nachfolgende Einschätzung in großen Teilen überholt und die Lage wieder deutlich eskaliert. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten
Aus den USA kommen keine klaren Signale. Während Präsident Trump „nach 25 Jahren nordkoreanischer Erpressung in Gesprächen keine Antwort“ sieht, besteht nach Aussage von Verteidigungsminister Mattis durchaus noch Spielraum für eine diplomatische Lösung. China und Russland sehen eine solche in einer „beiderseitigen Aufgabe“ („dual suspension“) von Positionen und schlagen vor, Nordkorea solle seine Atomwaffen- und Raketenprogramme einfrieren, Südkorea und die USA ihrerseits auf bilaterale Manöver verzichten. Die Vorschläge sind nicht neu und übersehen geflissentlich, dass Nordkorea schon seit Jahrzehnten sämtliche internationalen Beschlüsse ignoriert, während die südkoreanisch-amerikanischen Manöver keinerlei UN-Resolutionen verletzen; und während Nordkorea — übrigens in Ignorierung von UN-Resolutionen — eine bereits vorhandenen Nuklearwaffen und Raketen behalten und nur weitere Forschung zurückstellen soll, wird von Südkorea eine de facto Reduzierung realer militärischer Fähigkeiten bis hin zur Aufgabe des Bündnisses mit den USA gefordert.
Die Übung “Ulchi Freedom Guardian 2017” wurde planmäßig am 31. August beendet. Damit bietet sich nun wieder die Chance einer — zumindest vorläufigen — verbalen Entspannung. Experten wollen sogar nicht ausschließen, dass Nordkoreas Propaganda der eigenen Bevölkerung das Übungsende als unmittelbares Ergebnis des jüngsten Raketenstarts und der Drohungen mit Luftschlägen auf Guam “verkauft”. Natürlich wäre dies lächerlich, aber es würde Diktator Kom Jong-un daheim zum “Sieger” machen, der sich nun — ganz überlegener Staatsmann — großzügig einen Rückzug aus der aktuellen Konfrontation erlauben könnte. Er dürfte sich auch darüber im Klaren sein, dass das (ungestrafte) “Überschreiten der Roten Linie” mit dem letzten Raketenschuss den Spielraum der Regierungen in Japan und in den USA so begrenzt hat, dass schon allein zur Wahrung der Glaubwürdigkeit beim nächsten Start einer nordkoreanischen Mittelstreckenrakete kein Weg mehr am Einsatz der Abwehrsysteme vorbeiführt.
Wirklich erfolgversprechende, international abgestimmte Vorschläge zu einer politischen Lösung sind nicht in Sicht, und ungeachtet möglicher katastrophaler Konsequenzen sind „militärische Optionen“ denn auch nicht vom Tisch. Die US Navy verzichtet aber zurzeit auf sichtbare Präsenz in der Region um die koreanische Halbinsel; momentan operiert im Westpazifik kein einziger Flugzeugträger. Die permanent in Japan stationierte „Ronald Reagan“ liegt in ihrem Heimatstützpunkt Yokosuka (bei Tokio). Vor der kalifornischen Küste steht die „Theodore Roosevelt“ Carrier Strike Group unmittelbar vor dem Abschluss einer mehrwöchigen „Composite Training Unit Exercise“ (COMPTUEX); letztes operatives work-up vor der Verlegung in einen Einsatz, der nun jederzeit beginnen könnte.
Die britische Regierung hat am 31. August angekündigt, in einem Signal der Solidarität mit Japan die Fregatte „Argyll“ zu Übungen mit der japanischen Marine in die Region zu verlegen. Die Fregatte wurde in einem Upgrade zwar mit dem neue Flugabwehr-FK-System Sea Ceptor nachgerüstet, das aber nur den Nahbereich abdeckt und für eine Abwehr exo-atmosphärisch fliegender ballistischer Raketen nicht geeignet ist.
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USA
Mehrere Havarien von Einheiten der US-Pazifikflotte (mit insgesamt 17 Toten) sorgen bei der US Navy für erhebliche Unruhe.
Im Januar war der Kreuzer „Antietam“ vor Japan auf Grund gelaufen; im Mai hatte dann der Kreuzer „Lake Champlain“ ein südkoreanisches Fischerboot gerammt. Während diese beiden Havarien noch glimpflich verliefen, kamen am 17. Juni sieben US-Soldaten ums Leben, als der Zerstörer „Fitzgerald“ vor Yokosuka (Japan) mit einem philippinischen Containerschiff kollidierte. Nur zwei Monate später wurden am 21. August weitere zehn Soldaten getötet, als der Zerstörer „John S. McCain“ vor Singapur mit einem Tanker kollidierte.
Sichtlich nervös, hat Marinebefehlshaber Admiral Richardson nach dem letzten Zwischenfall eine „umfassende Prüfung von Ausbildung und Zertifizierungsverfahren“ befohlen, ordnete dazu eine ein- bis zweitägige „operative Pause“ für die gesamte Überwasserflotte an und ließ den Befehlshaber der Pazifikflotte „wegen Verlust des Vertrauens in seine Führungsfähigkeit“ ablösen. Nicht zuletzt durch ein negatives Medienecho ist auch die Politik aufmerksam geworden. Nach der parlamentarischen Sommerpause wird sich das House Armed Services Committee im US Congress mit der Unfallserie befassen.
Rumpf der ‘John S. McCain’ nach der Havarie (Foto: US Navy)Die Suche nach den Ursachen der Havarien ist noch nicht abgeschlossen. In der Öffentlichkeit machten sich schnell Gerüchte breit. Da war die Rede von „Cyber-Attacks“ und (vor Singapur) sogar einem absichtlichen Rammen durch den Tanker. Für all diese Spekulationen gibt es bisher keinerlei Bestätigung. Zunehmend zeichnen sich allerdings gravierende Defizite bei der Ausbildung von Brücken- und Navigationspersonal und der Umsetzung von Notverfahren ab. So wurde auf der „John S. McCain“ erst zwei Minuten nach(!) der Kollision die Kollisionswarnung ausgelöst – und es dauerte mehr als vier Stunden, bis in einer ersten Vollzähligkeitsmusterung das Fehlen von zehn Besatzungsmitgliedern festgestellt wurde.
Nur wenige Tage nach der Havarie der „John S. McCain“ berichteten US-Medien unter Berufung auf „Insider“ über „systemische Probleme“ beim Betrieb der Flotte. Schon seit Jahren habe es Warnungen vor den Folgen eines zu hohen operativen Tempos (Optempo) gegeben. Bei zu häufigen, zudem verlängerten Einsätzen seien vorgeschriebene Wartungszyklen verkürzt und verschoben worden, und auch für eine gründliche Ausbildung der Besatzungen sei keine Zeit mehr gewesen. Die Marineführung habe dies schon länger erkannt und sich auch bemüht, hier gegenzusteuern, habe sich allerdings gleichzeitig mit noch zunehmenden Einsatzforderungen konfrontiert gesehen. Nach einem Jahrzehnt immer größerer Belastungen sei das System nun zu einem “knirschenden Halt“ gekommen.
Im Bemühen um Schadensbegrenzung und Rückkehr zu sicherem Betrieb soll der Befehlshaber des Fleet Forces Command, Adm Davidson, in einer 60-tägigen, umfassenden Überprüfung unter Einbeziehung erfahrener pensionierter Offiziere („Greybeards“) Vorschläge erarbeiten, wie „Top-to-Bottom“ auf allen Ebenen Einsatzbelastung (Optempo), Leistungsfähigkeit, Wartung und Instandsetzung, Material und nicht zuletzt Ausbildung den Anforderungen einer einsatzbereiten Flotte angepasst werden können. Als ein Schwerpunkt wird – nicht von ungefähr – die Ausbildung (Befähigungsnachweise) von Brücken- und Navigationspersonal genannt. Daneben sollen in einem auf mehrere Jahre angelegten Vorhaben die Fähigkeiten der Besatzungen zu bordeigener Wartung und Instandsetzung gestärkt werden. Damit bliebe nach Rückkehr aus einem Einsatz in Heimathäfen mehr Zeit für gründliche Ausbildung.