MarineForum Wochenschau vom 13. Januar 2017

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der „Marine­Fo­rum – Zeitschrift für mar­itime Fra­gen“ veröf­fentlicht.

MarineforumNAH-/MITTELOST

Die militärische/sicherheitspolitische Lage im Nahen-/Mit­tleren Osten bleibt vom Bürg­erkrieg in Syrien und von der Bekämp­fung des islamistis­chen Ter­rors in Irak, Syrien bestimmt.

Ein über­raschen­der Besuch des rus­sis­chen Flugzeugträgers „Admi­ral Kuznetsov“ vor Tobruk (Libyen) weckt Befürch­tun­gen, dass Rus­s­land nach Syrien nun auch auf Libyen blickt. Ver­brüderung mit der Ost-Libyschen Gegen­regierung der inter­na­tion­al anerkan­nten Regierung in Tripo­lis kön­nte die nach Vertrei­bung des IS aus Sirte zumin­d­est vorder­gründig beruhigte Lage in Libyen erneut destabilisieren.

KAMPF GEGEN DEN ISLAMISTISCHEN TERROR (Fortschrei­bung)

Bei der Bekämp­fung des islamistis­chen Ter­rors bleibt eine inter­na­tion­al über­greifende Koali­tion weit­er­hin Fernziel. Noch zu viele Eigen­in­ter­essen einzel­ner Staat­en sowie die Spal­tung zwis­chen Schi­iten und Sun­niten bes­tim­men die Entwick­lung. Den­noch wird der IS in Syrien und im Irak zunehmend aus Kernge­bi­eten seines „Kali­fats“ zurückge­drängt, auch wenn die vor drei Monat­en begonnene Offen­sive auf Mosul nur langsam vorankommt.

Syrien – Irak: US-geführte Koali­tion („Oper­a­tion Inher­ent Resolve“)

Eine US-geführte multi­na­tionale Koali­tion set­zt mit Oper­a­tion „Inher­ent Resolve“ Luftschläge gegen islamistis­che Ter­ror­grup­pen im Irak und in Syrien fort. Ziele sind Kom­man­dozen­tren (vor allem auch Führungsper­so­n­en), Stützpunk­te, Depots und von Islamis­ten kon­trol­lierte Öl-Anla­gen, daneben aber auch logis­tis­che Straßen­trans­porte und Grup­pen ver­legen­der Kämpfer, die im Irak auf den Flüssen Euphrat und Tigris vor allem auch Boote nutzen. Viele Angriffe dienen der direk­ten Unter­stützung (Close Air Sup­port) irakisch­er Boden­trup­pen oder kur­dis­ch­er Milizen — aktuell vor allem bei der Offen­sive zur Rücker­oberung von Mosul. Zum Ein­satz kom­men zurzeit nur landgestützt von Flug­plätzen der Golf­s­taat­en, Jor­daniens und der Türkei operierende Kampf­flugzeuge der Stre­itkräfte zahlre­ich­er Staat­en. Die britis­che Roy­al Air Force nutzt ihre Basis in Akrotiri (Zypern).

Momen­tan ist kein US-Flugzeugträger in der Region im Ein­satz. Die Führung der Task Force 50 (TF 50) in Oper­a­tion „Inher­ent Resolve“ hat der britis­che Com­modore Andrew Burns auf dem Hub­schrauberträger „Ocean“ der Roy­al Navy.

Die im Per­sis­chen Golf operierende „Ocean“ kann zwar selb­st keine Kampf­flugzeuge ein­set­zen, aber mit ihren Führungs- und Fer­n­meldesys­te­men die Ein­sätze der landgestützt operieren­den Koali­tions­flugzeuge koor­dinieren. Sie soll diese Auf­gabe bis Feb­ru­ar durch­führen, wenn mit der „George H.W. Bush“ Car­ri­er Strike Group der näch­ste US-Flugzeugträgerver­band zu einem geplanten mehrmonati­gen Ein­satz in der Gol­fre­gion eintrifft.

Der seit Ende Novem­ber im Zuständigkeits­bere­ich der 5. US-Flotte operierende amphibis­che Träger „Makin Island“ der US Navy ist am 8. Jan­u­ar in den Per­sis­chen Golf ein­ge­laufen. Er kön­nte vom nord­west­lichen Golf aus an Bord mit­ge­führte Kampf­flugzeuge AV-8B Har­ri­er des US Marine Corps in Luftschläge gegen IS im Irak (Mosul) einbringen.

Bei der Pas­sage der Straße von Hor­muz kam es zu einem Zwis­chen­fall, als vier Speed­boote der iranis­chen Rev­o­lu­tion­s­gar­den (IRGC) mit hoher Fahrt auf das US-Schiff zuhielten.

Der den Tran­sit sich­ernde US-Zer­stör­er „Mahan“ warnte zunächst mit Leucht­mu­ni­tion, aber erst bei Abgabe von Warn­schüssen dreht­en die iranis­chen Boote ab. Schon im let­zten Hal­b­jahr 2016 hat­te es ähn­liche Zwis­chen­fälle gegeben, bei denen iranis­che Rev­o­lu­tion­s­gar­den ein alle inter­na­tion­al akzep­tierten Regeln ignori­eren­des, „unpro­fes­sionelles und gefährlich­es“ Ver­hal­ten an den Tag gelegt hatten.

Syrien: Rus­s­land – Türkei

Rus­s­land nimmt zwar auch islamistis­che Ter­ror­grup­pen ins Visi­er, macht aber weit­er­hin keinen Unter­schied zwis­chen Islamis­ten und Milizen der syrischen Oppo­si­tion, die gle­icher­maßen als “Ter­ror­is­ten” gel­ten. Nach wie vor erfol­gen viele rus­sis­che Luftan­griffe in direk­ter Unter­stützung syrisch­er Stre­itkräfte in Gebi­eten, in denen islamistis­che Milizen nicht aktiv sind. Das US-Pen­ta­gon erken­nt im Kampf gegen IS „prak­tisch kein­er­lei Unter­stützung durch Russland“.

Rus­s­land und die Türkei haben eine Koor­dinierung ihrer „Angriffe auf Ter­ror­is­ten“ vere­in­bart. Die Türkei bekämpft zwar Islamis­ten, ist daneben aber zugle­ich im Rah­men ihrer nationalen Kur­den­poli­tik bemüht, auf Autonomie set­zende syrische Kur­den (zugle­ich syrische Rebellen) weit nach Osten in Rich­tung Irak abzudrängen.

BÜRGERKRIEG IN SYRIEN (Fortschrei­bung rus­sis­che Intervention)

Die Kon­flik­t­parteien im Lande sind eben­so wie aus­ländis­che Mächte und Reli­gion­s­grup­pen (Schiiten/Sunniten) weit­er­hin unfähig, teils auch unwillig zu ein­er poli­tis­chen Lösung.

Eine von Rus­s­land und der Türkei ini­ti­ierte Waf­fen­ruhe ist sehr brüchig, und noch immer ist unklar, ob in diesem Monat in Kasach­stan geplante Friedens­ge­spräche tat­säch­lich stat­tfind­en kön­nen. Mehrere Kon­flik­t­parteien, u.a. auch der syrische Machthaber Assad sowie dessen Ver­bün­dete Iran und His­bol­lah, set­zen offen­bar vor­rangig noch immer auf mil­itärischen Erfolg.

Mar­itime Aspekte

Der Nord­flot­ten­ver­band um den Flugzeugträger „Admi­ral Kuznetsov“ hat wie vom rus­sis­chen Gen­er­al­stab angekündigt unmit­tel­bar nach den Feier­lichkeit­en zum ortho­dox­en Wei­h­nachts­fest das östliche Mit­telmeer ver­lassen und den Rück­marsch in die Heimat ange­treten. Zum Ver­band gehören neben dem Flugzeugträger noch der nuk­lear­getriebene Kreuzer „Petr Velikiy“, der Zer­stör­er „Severo­morsk“ sowie mehrere Hil­f­ss­chiffe (Tanker, Bergeschlep­per). Möglicher­weise begleit­en auch nuk­lear­getriebene U‑Boote den Ver­band; aus offe­nen Quellen lässt sich dies nicht ver­i­fizieren, wäre aber nicht ungewöhn­lich. Auch Trägerkampf­grup­pen der US Navy und der franzö­sis­chen Marine wer­den rou­tinemäßig von U‑Booten begleitet.

Der Syrien-Ein­satz des Flugzeugträgers war bloße Pro­pa­gan­daak­tion, völ­lig ungeeignet, die oper­a­tive Lage an Land zu bee­in­flussen. Rus­s­land wollte Fähigkeit­en und Willen zu heimat­fern­er „Pow­er Pro­jec­tion From-the-Sea“ demon­stri­eren — ganz sich­er auch Aus­druck eines unter Präsi­dent Putin wach­senden Selb­st­be­wusst­seins mit Anspruch auf Anerken­nung als „auf Augen­höhe mit den USA“ glob­al operierende Super­ma­cht. Dieses Ziel war für die rus­sis­che Führung mit kurz nach Ein­tr­e­f­fen des Ver­ban­des vor Syrien durchge­führten „koor­dinierten Schlä­gen“ einiger weniger Trägerkampf­flugzeuge, Fern­bombern der rus­sis­chen Luft­waffe sowie von ein­er Fre­gat­te geschosse­nen Marschflugkör­pern seit Mitte Novem­ber „abgear­beit­et“.

Danach beschränk­te sich der Flugzeugträger mehr oder weniger auf bloße Präsenz. Aus offiziellen Erk­lärun­gen von Vertei­di­gungsmin­is­teri­um und Gen­er­al­stab und auch aus der Berichter­stat­tung rus­sis­ch­er Medi­en war er bis zum nun­mehri­gen Ablaufen kom­plett ver­schwun­den. Absturz zweier Trägerkampf­flugzeuge und Ein­satzrate taugten offen­sichtlich nicht für Propagandazwecke.

Drei Tage nach Ver­lassen der Gewäss­er vor Syrien traf die „Admi­ral Kuznetsov“ am 11. Jan­u­ar über­raschend vor Tobruk (Libyen) ein. Der Befehlshaber der mit der inter­na­tion­al anerkan­nten Regierung in Tripo­lis ver­fein­de­ten ostlibyschen Stre­itkräfte, Feld­marschall Haf­tar, wurde zu einem formellen Besuch an Bord begrüßt und führte von dort sog­ar eine Videokon­ferenz „zum The­ma Ter­ror­is­mus“ mit dem rus­sis­chen Vertei­di­gungsmin­is­ter Shoigu durch.

Vor der syrischen Küste operiert nach dem Abzug des Flugzeugträgerver­ban­des nun nur noch das Ständi­ge Mit­telmeergeschwad­er (Med­Sqn). Zu diesem von der Schwarzmeer­flotte geführten und rou­tinemäßig zwis­chen Zypern und der syrischen Küste einge­set­zten Ver­band gehören zurzeit neben eini­gen Hil­f­ss­chif­f­en als einzige Kampfein­heit­en der Zer­stör­er „Smetliviy“ und der Minen­such­er „Kovrovets“ (bei­de Schwarzmeerflotte).

Die zur NATYA-Klasse gehörende „Kovrovets“ hat in der abge­laufe­nen Woche Schwest­er­boot „Ivan Gol­u­bets“ abgelöst, das nun eben­so wie zur Unter­stützung des Flugzeugträgerver­ban­des aus dem Schwarzmeer ins östliche Mit­telmeer ver­legte Tanker den Rück­marsch ins Schwarzmeer antreten dürfte.

Mit Frach­tum­schlag im rus­sis­chen Schwarzmeer­hafen Noworossiysk (Anbindung an das rus­sis­che Eisen­bahn­netz), dauert die auch als „Syr­i­an Express“ beze­ich­nete Liefer­ung von Rüs­tungs­gütern nach Syrien und Nach­schub der dort einge­set­zten rus­sis­chen Trup­pen an. Fast täglich passieren Lan­dungss­chiffe der rus­sis­chen Marine (auch der Nord­flotte und der Baltischen Flotte) oder speziell für diese Trans­porte gebraucht in der Türkei gekaufte und als Hil­f­ss­chiffe in die rus­sis­che Marine inte­gri­erte, ex-zivile Frachtschiffe den Bosporus süd- oder nordlaufend.

Nach Abschluss eines zwis­chen­staatlichen Abkom­men mit Syrien zur kün­fti­gen Nutzung der rus­sis­chen Liegen­schaften in der Marineba­sis Tar­tus (samt Erweiterung und infra­struk­turellem Aus­bau) haben sich die Trans­port­fahrten noch inten­siviert. Zusät­zlich zu Lan­dungss­chif­f­en und Hil­f­ss­chif­f­en der rus­sis­chen Marine wer­den inzwis­chen auch einige gechar­terte zivile Frachter und Con­tain­er­schiffe bei Fahrten nach Tar­tus erkannt.

CHILE

Die chilenis­che Marine denkt offen­bar an einen Ersatz ihrer FK-Korvet­ten der CAS­MA-Klasse (israelis­ch­er Typ SAAR‑4) durch Neubauten.

zwei Boote der CAS­MA-Klasse (Foto: US Navy)Die 58-m-Boote (450ts) waren Anfang der 1970er Jahre in Israel für zunächst die israelis­che Marine gebaut wor­den. Im Zuge eines Mod­ernisierung­spro­gramms verkaufte diese aber schon 1979 bzw 1981 zwei erste Boote samt Bewaffnung (u.a. Seeziel-FK Gabriel) an die chilenis­che Marine. 1997 fol­gten noch zwei weit­ere Boote, von denen eines allerd­ings nur als schwim­mendes Ersatzteilager den Besitzer wech­selte und nach und nach „kan­ni­bal­isiert“ wurde.

Trotz Anfang der 2000er Jahre durchge­führter Mod­ernisierung mit u.a Erneuerung der kom­plet­ten Antrieb­san­la­gen sieht die chilenis­che Marine für die noch drei mehr als 40 Jahre alten Boote „im kom­menden Jahrzehnt“ das Ende ihrer Nutzbarkeit erre­icht und macht sich denn auch schon Gedanken über ihren Ersatz. Immer­hin verge­hen zwis­chen Ini­ti­ierung eines Beschaf­fung­spro­gramms bis zum tat­säch­lichen Zulauf neuer Kriegss­chiffe üblicher­weise gut 10 bis 15 Jahre.

Nun hat sich seit der Beschaf­fung der CAS­MA-Klasse das oper­a­tive Ein­satzpro­fil der chilenis­chen Marine deut­lich gewan­delt. Nach den durch das inter­na­tionale Seerechtsabkom­men (UNCLOS) geschaf­fe­nen Erweit­erten Wirtschaft­szo­nen ste­hen über das unmit­tel­bare Küsten­vor­feld hin­aus­ge­hende, bis ins Süd­po­larmeer und weit in den Süd­paz­i­fik reichende Hochsee­op­er­a­tio­nen im Vorder­grund. Nach ein­er ersten Mark­t­sich­tung ist die Marine­führung offen­bar zum Ergeb­nis gekom­men, dass die neuen Ansprüche erfül­lende, größere FK-Korvet­ten auf dem Gebrauchts­markt zurzeit nicht erhältlich sind. Zwar beschaf­fen viele Mari­nen solche Schiffe, die aber für einen Weit­er­verkauf noch zu neu sind. Das Augen­merk der Chile­nen richtet sich denn auf vorzugsweise im eige­nen Land herzustel­lende Neubaut­en, in Kampfkraft und Ein­sat­zop­tio­nen deut­lich leis­tungs­fähiger als die alten CASMA/SAAR‑4.

Eine mögliche Nach­folge wird bere­its mit der staatlichen ASMAR-Werft disku­tiert. Basis kön­nte das von der deutschen Fass­mer entwick­elte Design des Off­shore Patrol Ves­sel OPV-80 (PILOTO PAR­DO-Klasse) wer­den. Mit 80m Länge und ein­er Ver­drän­gung von 1.800 ts sind diese OPV deut­lich größer als die alten israelis­chen FK-Korvet­ten, aber eine von der chilenis­chen Marine ins Auge gefasste Vari­ante soll sog­ar noch größer aus­fall­en. Fachme­di­en wollen von mit Seeziel- und Flu­gab­wehr-FK bestück­ten 2.200ts bis 2.600ts großen Mehrzweck-Korvet­ten erfahren haben.

FRANKREICH

Spaziergänger am Nord-Ost­see-Kanal kon­nten vor eini­gen Tagen ein mit der Seiten­num­mer „P 800“ offen­sichtlich mil­itärisches aber in leuch­t­en­dem Rot gestrich­enes Schiff bestaunen.

Bei dem Neubau han­delt es sich um die von der franzö­sis­chen Marine bes­timmte bei der Crist-Werft in Gdin­gen (Polen) bestellte „Astro­labe“. Die 1990 gegrün­dete Werft hat sich auf Spezial­fahrzeuge für die Off­shore Indus­trie (mit beson­derem Fokus auf Ein­satz in Polargewässern) spezial­isiert, und die „Astro­labe“ ist eines solch­er Produkte.
die ‘Astro­labe’ im Nord-Ost­see-Kanal (Foto: Deutsche Marine)
Mit der Seiten­num­mer P‑800 ist der Neubau formell als „Patrouil­len­schiff“ klas­si­fiziert, als Polar Logis­tic Ves­sel (PLV) aber wohl eher als Hil­f­ss­chiff zu betra­cht­en. Die „Astro­labe“ ist speziell für den Ein­satz in antark­tis­chen Gewässern konzip­iert. Von der franzö­sis­chen Marine betrieben und mit mil­itärisch­er Besatzung wird das 72-m-Schiff der Region „Südliche und Antark­tis­che Ter­ri­to­rien“ (Ter­res Aus­trales et Antarc­tiques Fran­cais­es) zugeteilt, soll dort u.a. die franzö­sis­chen Antark­tis­sta­tio­nen Dumont d’Urville und Con­cor­dia ver­sor­gen und Forschung­sun­ternehmen unter­stützen, daneben aber auch die Region „patrouil­lieren“ und SAR-Dienst leisten.

Die pol­nis­che Werft hat das Schiff gebaut, aber Endaus­rüs­tung und endgültige Fer­tig­stel­lung der „Astro­labe“ erfol­gen bei der franzö­sis­chen Piri­ou-Werft in Con­car­neau. Die Über­gabe an die franzö­sis­che Marine ist im Sep­tem­ber geplant. Die „Astro­labe“ kön­nte also schon im kom­menden antark­tis­chen Som­mer den Dienst aufnehmen.

INDIEN

Der geplante Ersatz alter Minen­such­er durch mod­erne Neubaut­en entwick­elt sich immer mehr zur „unendlichen Geschichte“.

Schon seit mehr als 15 Jahren ste­hen neue, mod­erne Minen­jagdboote auf der Wun­schliste der indis­chen Marine. Die hochseefähi­gen Boote sollen die oper­a­tiv­en Fähigkeit­en über die unmit­tel­bare Heima­tre­gion hin­aus erweit­ern, vor allem aber zwölf alte Minen­such­er der PONDICHERRY (NATYA)-Klasse erset­zen, die zwis­chen 1978 und 1988 in der dama­li­gen Sow­je­tu­nion gebaut wor­den waren.

Obwohl der Bedarf der Marine von der Poli­tik immer anerkan­nt wurde, vergin­gen im Zuständigkeitswirrwarr ver­schieden­er Instanzen und Behör­den mehr als acht Jahre, bis die Beschaf­fung 2008 endlich inter­na­tion­al aus­geschrieben wer­den kon­nte. Wer nun zügi­gen Fortschritt erwartete, sah sich ein­mal mehr ent­täuscht. Ort­sübliche Bürokratie verzögerte das Pro­jekt erneut, und als im Som­mer 2011 endlich die Entschei­dung für ein süd­ko­re­anis­ches Design fiel, unter­stellte die im Wet­tbe­werb unter­legene ital­ienis­che Inter­ma­rine Kor­rup­tion. Eine Unter­suchung fand dafür zwar keine Beweise, aber das Pro­jekt ver­schwand erst ein­mal wieder in den Schubladen des Verteidigungsministeriums.

Ende 2013 wurde die Entschei­dung für das süd­ko­re­anis­che Design bestätigt. Mit der dor­ti­gen Kang­nam wurde der Bau von acht Booten des auch für die süd­ko­re­anis­che Marine entwick­el­ten Designs SK-5000 (YANG YANG-Klasse) vere­in­bart. Die fast 900 ts ver­drän­gen­den 59-m-Hochsee-Minen­jagdboote ver­fü­gen über mod­ern­ste Minen­jag­daus­rüs­tung. Ihre oper­a­tive Reich­weite wird mit 3.000 sm angegeben. Die ersten bei­den Boote soll­ten bei Kang­nam in Pusan gebaut wer­den; die restlichen sechs dann unter einem Tech­nolo­gi­etrans­fer­abkom­men bei Goa Ship­yard. Bis 2018 wollte man das gesamte Vorhaben abschließen, ja die Marine machte sich sog­ar Hoff­nung, in Wahrnehmung von Optio­nen let­z­tendlich bis zu 24 dieser Boote beschaf­fen zu können.

2014 stoppten neue Kor­ruputionsvor­würfe (Nutzung eines nach indis­chem Recht ver­bote­nen „Zwis­chenagen­ten“) das Vorhaben. Kang­nam wurde als Auf­trag­nehmer ver­wor­fen und entsch­ieden, bis zu 12 neue Minen­jagdboote sämtlich unter einem Tech­nolo­gi­etrans­fer­abkom­men bei Goa Ship­yard bauen zu lassen. Erst im Sep­tem­ber 2015 lud die Werft inter­na­tionale Schiff­bauer ein, sich in ein­er bilat­eralen Joint Ven­ture (ohne weit­ere Part­ner) am mit ins­ge­samt etwa 1 Mrd. Euro dotierten Vorhaben zu beteili­gen. Mit ein­er einzi­gen Aus­nahme antworteten die angeschriebe­nen Werften gar nicht erst, und diese Aus­nahme war – die süd­ko­re­anis­che Kang­nam. Sie wurde dann auch im März 2016 mit Son­der­genehmi­gung des Vertei­di­gungsmin­is­teri­ums zum Tech­nolo­gi­etrans­fer-Part­ner benannt.

Endlich schien das Vorhaben in trock­e­nen Tüch­ern, find­et sich aber nun erneut in schwierigem Fahrwass­er. Plöt­zlich hat Kang­nam Ein­wände. Zum einen sehen die Süd­ko­re­an­er Goa Ship­yards auch unter einem Tech­nolo­gi­etrans­fer­abkom­men nur bed­ingt fähig, die Boote zu bauen und lehnen auch bei eigen­er Überwachung des Baus eine Garantie für diese ab. Dif­feren­zen gibt es aber wohl vor allem an der für die Süd­ko­re­an­er unan­nehm­baren Forderung des indis­chen Vertei­di­gungsmin­is­teri­ums nach „uneingeschränk­ten Urhe­ber­recht­en für das Design“. So weit will Kang­nam einen Tech­nolo­gi­etrans­fer nun doch nicht ver­standen wissen.

USA    

Mit der Ende Dezem­ber veröf­fentlicht­en neuen „Sur­face Force Strat­e­gy“ set­zt die US Navy auf ein neues Oper­a­tionskonzept: Sea Con­trol durch „Dis­trib­uted Lethality“.

Im Mit­telpunkt des bish­eri­gen Oper­a­tionskonzeptes ste­hen Ein­satzver­bände um Flugzeugträger (Car­ri­er Strike Groups) oder amphibis­che Träger (Amphibi­ous Ready Groups). Diese sind zwar kampf­s­tark, aber die bei einem Ein­satz in einem räum­lich begren­zten Gebi­et konzen­tri­erten Ein­heit­en sind für einen Geg­n­er rel­a­tiv leicht berechen­bar und bieten damit auch leichte Ziele. Abseits von CSG oder ARG operierende Ein­heit­en sind dage­gen nur bed­ingt in der Lage in größeren Gebi­eten See­herrschaft (Sea Con­trol) herzustellen oder einem Geg­n­er Oper­a­tio­nen zu ver­wehren (Sea Denial). Dauer­hafte Erlan­gung von Sea Con­trol wiederum ist für die US Navy unab­d­ing­bare Voraus­set­zung für andere Ziele mit hoher Pri­or­ität: All domain access, Deter­rence, Pow­er Pro­jec­tion und Mar­itime Security.

Im die let­zten Jahrzehnte dominieren­den Küsten-nahen Seekrieg (Lit­toral War­fare) spiel­ten diese Nachteile nur eine nach­ge­ord­nete Rolle. Krisen­ge­bi­ete und damit Ein­satzge­bi­ete waren ohne­hin räum­lich begren­zt; abseits liegende offene Seeräume rel­a­tiv unwichtig. Mit Blick auf die Entwick­lung der Mari­nen von Chi­na und Rus­s­land wird nun aber eine Rückbesin­nung auf ozeanis­che Seekriegführung notwendig, und hier greift das bish­erige Konzept nicht mehr greifen. CSG und ARG operieren ohne weiträu­mige Eigen­wirkung und sind unter hoher Bedro­hung vor allem erst ein­mal selb­st Ziele. So soll Chi­na z.B. einen weit über 1.000km reichen­den bal­lis­tis­chen Flugkör­p­er speziell für die Bekämp­fung von Flugzeugträgern entwick­elt haben.

Schon seit gut zwei Jahren ist denn auch ein neues Oper­a­tionskonzept im Gespräch, das auf „räum­lich verteilte“ (dis­trib­uted) „tödliche Schlagkaft“ (Lethal­i­ty) set­zt. In diesem Konzept operieren einzelne Kriegss­chiffe weit auseinan­derge­zo­gen und über große Seege­bi­ete verteilt, sind dabei aber in einem Ver­bund von Sen­soren und Waf­fen eng ver­net­zt. Die Ein­heit­en aber auch Flugzeuge, Langstreck­endrohnen und Satel­liten tra­gen mit ihren Sen­soren zu einem umfassenden Lage­bild bei, und ein Kriegss­chiff kann mit Waf­fen großer Reich­weite auch effek­tiv (bis hin zu CEC – Coop­er­a­tive Engage­ment Capa­bil­i­ty) in das Gebi­et eines anderen, im Net­zw­erk ver­bun­de­nen Schiffes hinein­wirken. Dabei kön­nen z.B. von einem Zer­stör­er gelieferte Dat­en dur­chaus Grund­lage des Ein­satzes eines amphibis­chen Ver­ban­des sein. Große Seege­bi­ete wer­den so kon­trol­liert, ohne dass ein Geg­n­er in der Lage ist, Ziele „höch­ster Bedro­hung“ zu iden­ti­fizieren, zu selek­tieren und schließlich zu bekämpfen.

Das neue Konzept erfordert neben weit reichen­den Sen­soren und Fähigkeit­en zu einem Sys­temver­bund über ozeanis­che Ent­fer­nun­gen auch neue Offen­siv- und Defen­sivwaf­fen. Bei Offen­sivfähigkeit sind Waf­fen­sys­teme (Flugkör­p­er) gefordert, die weit über den eige­nen Ortung­shor­i­zont hin­aus mit von frem­den Sen­soren erfassten und über­mit­tel­ten Dat­en ein Ziel bekämpfen kön­nen. Zugle­ich wächst für die als Einzelfahrer operieren­den Kampf­schiffe die Notwendigkeit zu effek­tiv­er Eigen­vertei­di­gung gegen Bedro­hun­gen aus der Luft, von See und von U‑Booten – auch für den Fall eines Aus­falls des Net­zw­erkver­bun­des. Größter Hand­lungs­be­darf wird denn auch bei Waf­fen und Sen­soren mit erhöhter Offen­siv-Reich­weite, inte­gri­ert­er Luftraumverteidigung/Raketenabwehr, verbessert­er Lage­bilder­stel­lung (bat­tle­space aware­ness) und Zielzuweisung, sowie Aus­bil­dung zu extrem kurzen Reak­tion­szeit­en gesehen.

Man mag nun argu­men­tieren, dass mit dem Konzept „Dis­trib­uted Lethal­i­ty“ die tra­di­tionellen Flugzeugträgerver­bände oder amphibis­chen Ein­satz­grup­pen von min­der­er Bedeu­tung sind, ja vielle­icht sog­ar verzicht­bar wer­den kön­nten. Solchen Über­legun­gen erteilt der Befehlshaber der Über­wass­er-Seestre­itkräfte der US Navy aber eine klare Absage. Zum einen würde auch unter neuer Hin­wen­dung zu ozeanis­ch­er Seekriegführung das Konzept „From the Sea“ nicht obso­let. Nach wie vor müsse man von See her auf Krisen und Kon­flik­te an Land reagieren kön­nen. Überdies spiele im Vor­feld eines Kon­flik­tes die Ver­legung ein­er Car­ri­er Strike Group nicht zulet­zt schon als poli­tis­ches Sig­nal und zur Abschreck­ung eine wesentliche Rolle, auch wenn der Ver­band dann in einem schar­fen Kon­flikt mit einem zu Hochseekriegführung fähi­gen Geg­n­er (wie Chi­na oder Rus­s­land) ver­wund­bar sei.