MarineForum Wochenschau 06. Januar 2017

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der „Marine­Fo­rum – Zeitschrift für mar­itime Fra­gen“ veröf­fentlicht.

NAH-/MITTELOST

Die militärische/sicherheitspolitische Lage im Nahen-/Mit­tleren Osten bleibt vom Bürg­erkrieg in Syrien und von der Bekämp­fung des islamistis­chen Ter­rors in Irak, Syrien bestimmt.

KAMPF GEGEN DEN ISLAMISTISCHEN TERROR (Fortschrei­bung)

Bei der Bekämp­fung des islamistis­chen Ter­rors bleibt eine inter­na­tion­al über­greifende Koali­tion weit­er­hin Fernziel. Noch zu viele Eigen­in­ter­essen einzel­ner Staat­en sowie die Spal­tung zwis­chen Schi­iten und Sun­niten bes­tim­men die Entwick­lung. Den­noch wird der IS in Syrien und im Irak, wo die Offen­sive auf Mosul fort­dauert, zunehmend auch aus Kernge­bi­eten seines „Kali­fats“ zurückgedrängt.

Syrien – Irak: US-geführte Koali­tion („Oper­a­tion Inher­ent Resolve“)

Eine US-geführte multi­na­tionale Koali­tion set­zt mit Oper­a­tion „Inher­ent Resolve“ Luftschläge gegen islamistis­che Ter­ror­grup­pen im Irak und in Syrien fort. Ziele sind Kom­man­dozen­tren (vor allem auch Führungsper­so­n­en), Stützpunk­te, Depots und von Islamis­ten kon­trol­lierte Öl-Anla­gen, daneben aber auch logis­tis­che Straßen­trans­porte und Grup­pen ver­legen­der Kämpfer, die im Irak auf den Flüssen Euphrat und Tigris vor allem auch Boote nutzen. Viele Angriffe dienen der direk­ten Unter­stützung (Close Air Sup­port) irakisch­er Boden­trup­pen oder kur­dis­ch­er Milizen — aktuell vor allem bei der Offen­sive zur Rücker­oberung von Mosul. Zum Ein­satz kom­men zurzeit nur landgestützt von Flug­plätzen der Golf­s­taat­en, Jor­daniens und der Türkei operierende Kampf­flugzeuge der Stre­itkräfte zahlre­ich­er Staat­en. Die britis­che Roy­al Air Force nutzt ihre Basis in Akrotiri (Zypern).

Zurzeit ist kein US-Flugzeugträger in der Region im Ein­satz. Die Führung der Task Force 50 (TF 50) in Oper­a­tion „Inher­ent Resolve“ hat der britis­che Com­modore Andrew Burns auf dem Hub­schrauberträger „Ocean“ der Roy­al Navy über­nom­men. Die im Per­sis­chen Golf operierende „Ocean“ kann zwar selb­st keine Kampf­flugzeuge ein­set­zen, aber mit ihren Führungs- und Fer­n­meldesys­te­men die Ein­sätze der landgestützt operieren­den Koali­tions­flugzeuge koor­dinieren. Sie soll diese Auf­gabe bis zum Feb­ru­ar 2017 durch­führen, wenn mit der „George H.W. Bush“ CSG der näch­ste US-Flugzeugträgerver­band zu einem geplanten mehrmonati­gen Ein­satz in der Gol­fre­gion eintrifft.

Die seit Ende Novem­ber im Zuständigkeits­bere­ich der 5. US-Flotte operierende „Makin Island“ Ampibi­ous Ready Group (ARG) der US Navy wurde Ende Dezem­ber unverän­dert bei amphibis­chen Übun­gen im Golf von Aden gemeldet, hat anschließend wohl den Jahreswech­sel in/vor Dschibu­ti verbracht.

Ob die ARG nach dem Jahreswech­sel in den Per­sis­chen Golf ver­legt, bleibt abzuwarten. Der amphibis­che Träger „Makin Island“ kön­nte vom nord­west­lichen Golf aus die an Bord mit­ge­führten Kampf­flugzeuge AV-8B Har­ri­er des US Marine Corps in Luftschläge gegen IS im Irak (Mosul) einbringen.

Syrien: Rus­s­land – Türkei

Rus­s­land nimmt zwar auch islamistis­che Ter­ror­grup­pen ins Visi­er, macht aber weit­er­hin keinen Unter­schied zwis­chen Islamis­ten und Milizen der syrischen Oppo­si­tion, die gle­icher­maßen als “Ter­ror­is­ten” gel­ten. Nach wie vor erfol­gen viele rus­sis­che Luftan­griffe in direk­ter Unter­stützung syrisch­er Stre­itkräfte in Gebi­eten, in denen islamistis­che Milizen nicht aktiv sind.
Die Türkei bekämpft zwar Islamis­ten, ist daneben aber zugle­ich im Rah­men ihrer nationalen Kur­den­poli­tik bemüht, auf Autonomie set­zende syrische Kur­den weit nach Osten in Rich­tung Irak abzudrängen.

BÜRGERKRIEG IN SYRIEN (Fortschrei­bung rus­sis­che Intervention)

Die Kon­flik­t­parteien im Lande sind eben­so wie aus­ländis­che Mächte und Reli­gion­s­grup­pen (Schiiten/Sunniten) weit­er­hin unfähig, teils auch noch unwillig zu ein­er poli­tis­chen Lösung.

Eine von Rus­s­land und der Türkei ini­ti­ierte Waf­fen­ruhe ist sehr brüchig, und noch ist nicht sich­er, ob in diesem Monat in Kasach­stan geplante Friedens­ge­spräche tat­säch­lich stat­tfind­en kön­nen. Mehrere Kon­flik­t­parteien, u.a. auch der syrische Machthaber Assad sowie dessen Ver­bün­dete Iran und His­bol­lah, set­zen offen­bar noch immer vor­rangig auf mil­itärischen Erfolg.

Mar­itime Aspekte

Mit dem Nord­flot­ten­ver­band um den Flugzeugträger „Admi­ral Kuznetsov“, den Kampfein­heit­en und Hil­f­ss­chif­f­en des Ständi­gen Mit­telmeergeschwaders (Med­Sqn), kurzfristig aus dem Schwarzmeer ver­legten Schif­f­en, sowie im Trans­port mil­itärisch­er Güter nach Syrien einge­set­zten Lan­dungss­chif­f­en und Frachtern sind nach wie vor bis zu etwa 15 Kampf- und Hil­f­ss­chiffe der rus­sis­chen Marine im Östlichen Mit­telmeer präsent. Eine in Medi­en/In­ter­net-Blogs behauptete Präsenz von nuk­lear­getriebe­nen U‑Booten lässt sich aus offe­nen Quellen weit­er­hin nicht ver­i­fizieren, wäre aber nicht ungewöhn­lich. Auch Trägerkampf­grup­pen der US Navy und der franzö­sis­chen Marine wer­den rou­tinemäßig von U‑Booten begleitet.

Neben dem zum Nord­flot­ten­ver­band gehören­den FK-Kreuzer „Petr Velikiy“ und dem U‑Jagdzerstörer „Severo­morsk“ ist zurzeit nur noch der Zer­stör­er „Smetliviy“ der Schwarzmeer­flotte in den Sicherungsver­band um den Flugzeugträger inte­gri­ert. Ein­heit­en des rou­tinemäßig zwis­chen Zypern und der syrischen Küste operieren­den Ständi­gen Mit­telmeergeschwaders (Med­Sqn) unter­stützen zwar den Ein­satz des Flugzeugträgers, allerd­ings gehört zurzeit mit Aus­nahme eines Minen­such­ers der NATYA-Klasse kein Kampf­schiff zur Med­Sqn. Hier wird in diesen Tagen der Minen­such­er „Ivan Gol­u­bets“ vom neu zuge­laufe­nen Schwest­er­schiff „Kovrovets“ abgelöst.

Die logis­tis­che Kom­po­nente des Flugzeugträgerver­ban­des beste­ht weit­er­hin aus mit dem Nord­flot­ten­ver­band ver­legten zwei Bergeschlep­pern und drei Tankern/Versorgern, darunter auch ein Spezial­tanker zur bedarf­sweisen Auf­fül­lung der Dampf­sys­teme der Antrieb­san­la­gen des Flugzeugträgers und des Kreuzers mit speziellem Speise­wass­er (Des­til­lat). Zusät­zlich hat die Schwarzmeer­flotte zwei Flot­ten­tanker/-ver­sorg­er ins Mit­telmeer geschickt.

Der Ein­satz des Flugzeugträgers ist bloße Pro­pa­gan­daak­tion, völ­lig ungeeignet, die oper­a­tive Lage in Syrien zu bee­in­flussen. Rus­s­land will Fähigkeit­en und Willen zu heimat­fern­er „Pow­er Pro­jec­tion From-the-Sea“ demon­stri­eren — ganz sich­er auch Aus­druck eines unter Präsi­dent Putin wach­senden Selb­st­be­wusst­seins mit Anspruch auf Anerken­nung als „auf Augen­höhe mit den USA“ glob­al operierende Super­ma­cht. Dieses Ziel ist für die rus­sis­che Führung mit kurz nach Ein­tr­e­f­fen des Ver­ban­des vor Syrien durchge­führten „koor­dinierten Schlä­gen“ einiger weniger Trägerkampf­flugzeuge, Fern­bombern der rus­sis­chen Luft­waffe sowie von ein­er Fre­gat­te geschosse­nen Marschflugkör­pern seit Mitte Novem­ber „abgear­beit­et“.

Seit­dem beschränken sich die Aktiv­itäten der „Admi­ral Kuznetsov“ mehr oder weniger auf bloße Präsenz. Aus offiziellen Erk­lärun­gen von Vertei­di­gungsmin­is­teri­um und Gen­er­al­stab und auch aus der Berichter­stat­tung rus­sis­ch­er Medi­en ist sie kom­plett ver­schwun­den. Ganz offen­sichtlich tau­gen seit Wochen (und nach Absturz zweier Trägerkampf­flugzeuge) wed­er Ein­satzrate noch „Erfolge“ der Trägerkampf­flugzeuge zu Pro­pa­gan­dazweck­en. Aktuell kommt noch hin zu, dass in außer­heimis­che Gewäss­er ver­legte rus­sis­che Kriegss­chiffe ohne­hin tra­di­tionell die Zeit von Ende Dezem­ber bis zum ortho­dox­en Wei­h­nachts­fest (6. Jan­u­ar), oft auch noch darüber hin­aus, inak­tiv vor Anker verbringen.

Am 6. Jan­u­ar kündigte der rus­sis­che Gen­er­al­stab­schef die “unmit­tel­bar bevorste­hende” Rück­ver­legung der „Admi­ral Kuznetsov“ zur Nord­flotte an. „Nach der erfol­gre­ichen Kam­pagne zur Rücker­oberung Alep­pos“ habe Präsi­dent Putin eine Trup­penre­duzierung in Syrien ange­ord­net, und im Umset­zung dieser Weisung werde der Trägerver­band als erste Ein­heit abge­zo­gen. Nun wurde allerd­ings schon vor Wochen die Ankun­ft der „Admi­ral Kuznetsov“ im Heimath­afen Sewero­morsk für den 9. Feb­ru­ar angekündigt, der Flugzeugträger hätte also ohne­hin die lange Heim­reise in der kom­menden Woche begin­nen müssen. So aber kann man der eige­nen Bevölkerung den Ein­satz des „nun nicht mehr benötigten“ Ver­ban­des noch ein­mal pro­pa­gan­dis­tisch als Erfol­gssto­ry und wesentlichen Beitrag im Krieg gegen den Ter­ror­is­mus „verkaufen“.

Mit Frach­tum­schlag im rus­sis­chen Schwarzmeer­hafen Noworossiysk (Anbindung an das rus­sis­che Eisen­bahn­netz), dauert die auch als „Syr­i­an Express“ beze­ich­nete Liefer­ung von Rüs­tungs­gütern nach Syrien und Nach­schub der dort einge­set­zten rus­sis­chen Trup­pen an. Fast täglich passieren Lan­dungss­chiffe der rus­sis­chen Marine (auch der Nord­flotte und der Baltischen Flotte) oder speziell für diese Trans­porte gebraucht in der Türkei gekaufte und als Hil­f­ss­chiffe in die rus­sis­che Marine inte­gri­erte, ex-zivile Frachtschiffe den Bosporus süd- oder nordlaufend.

In den let­zten Wochen haben sich diese vom rus­sis­chen Vertei­di­gungsmin­is­ter Shoigu als „über­wiegend human­itäre Hil­fe“ darstell­ten Trans­porte noch inten­siviert. Grund dürfte ein am 23. Dezem­ber von Präsi­dent Putin abschließend genehmigtes zwis­chen­staatlich­es Abkom­men mit Syrien sein, die rus­sis­chen Liegen­schaften in der Marineba­sis Tar­tus zu erweit­ern und infra­struk­turell auszubauen. Seit­dem wer­den zusät­zlich zu Lan­dungss­chif­f­en und Hil­f­ss­chif­f­en der rus­sis­chen Marine auch noch mehrere gechar­terte zivile Frachter und Con­tain­er­schiffe bei Fahrten nach Tar­tus erkan­nt. Sie trans­portieren offen­bar nicht-mil­itärisches Mate­r­i­al und Gerät für den Aus­bau des einzi­gen Aus­landsstützpunk­tes der rus­sis­chen Marine.

CHINA

Mitte Novem­ber war der chi­ne­sis­che Flugzeugträger „Liaon­ing“ offiziell als „oper­a­tiv voll ein­satzk­lar“ erk­lärt worden.

Einen Monat später begann der erste chi­ne­sis­che Flugzeugträger — die halbfer­tig in der Ukraine gekaufte, frühere sow­jetis­che „Yaryag“ der KUZNETSOV-Klasse — umfan­gre­iche Übun­gen. Nord­west­lich von Dalian standen in der Bohai See Ver­band­sübun­gen auf dem Pro­gramm, die offen­sichtlich als oper­a­tives Work-up ein­er Trägerkampf­gruppe gedacht waren. Gemein­sam mit Zer­stör­ern und Fre­gat­ten übte der Flugzeugträger auf Ver­band­sebene U‑Jagd, Luftraumvertei­di­gung und Flugkör­per­ab­wehr sowie die Bekämp­fung von Seezie­len. Trägergestützte Kampf­flugzeuge J‑15 Fly­ing Shark („Eige­nen­twick­lung“, optisch eher Nach­bau der rus­sis­chen Su-33) führten grup­pen­weise Ein­sätze zur Aufk­lärung und Seer­aumüberwachung um den Ver­band durch und bekämpften aus­ge­brachte Seeziele mit Bor­d­kanonen, Bomben und Flugkörpern.

Direkt im Anschluss an diese Übun­gen ver­legte die „Liaon­ing“ mit ihren Begleitschif­f­en zunächst ins Gelbe Meer und von dort weit­er ins Ostchi­ne­sis­che Meer. Dort wur­den die in der Bohai See noch auf bloßes Ver­fahren­strain­ing aus­gelegten Übun­gen fort­ge­führt und zu einem “full-ele­ment train­ing“ inten­siviert. Vor dem Hin­ter­grund eines tak­tis­chen Szenar­ios übte die Trägerkampf­gruppe die Pas­sage eines Seege­bi­etes mit Ver­sorgung in See, Aufk­lärung und Vertei­di­gung gegen Mehrfachbedro­hung; die Kampf­flugzeuge grif­f­en dabei unter „real­is­tis­chen Bedin­gun­gen“ Seeziele an und vertei­digten sich und ihr Mut­ter­schiff gegen feindliche Flugzeuge.

Damit nicht genug, nahm der Ver­band anschließend Kurs auf den West-Paz­i­fik. Am 25. Dezem­ber passierte die kom­plette Trägerkampf­gruppe die Miyako Straße zwis­chen den japanis­chen Inseln Miyako und Oki­nawa. Japanis­che Aufk­lärungs­flugzeuge melde­ten neben der „Liaon­ing“ drei Zer­stör­er LUJANG-II/III und zwei Fre­gat­ten JIANGKAI-II. Mit dabei waren noch eine Korvette der JIANG­DAO-Klasse und ein Ver­sorg­er, die aber wohl nach Pas­sage der Meerenge ins Ostchi­ne­sis­che Meer zurück­kehrten. Knapp östlich der Miyako-Straße soll ein japanis­ches U‑Boot der SORYU-Klasse den Ver­band beschat­tet haben, der auch einen U‑Jagdhubschrauber Z‑9C zur Suche nach dem U‑Boot einsetzte.

Offizielle Pressemel­dun­gen sprachen von geplanten „Blue Water“ Übun­gen im offe­nen Paz­i­fik. Tat­säch­lich aber lief die Trägerkampf­gruppe unmit­tel­bar nach Pas­sage der Miyako-Straße östlich von Tai­wan nach Süden und fuhr ohne weit­ere Aktiv­itäten (alle Trägerkampf­flugzeuge unter Deck im Hangar) durch den Baschi-Kanal ins Süd­chi­ne­sis­che Meer. Am 27. Dezem­ber lief der Ver­band im Marinestützpunkt Sanya (Hainan) ein.

Schon 2013 hat­te die „Liaon­ing“ eine erste Fahrt ins Süd­chi­ne­sis­che Meer durchge­führt, hat­te damals aber durch die Tai­wanstraße west­lich Tai­wans vor der eige­nen Küste ver­legt. Beobachter sehen in der nun­mehri­gen erst­ma­li­gen Pas­sage Tai­wans außer­halb der ersten Inselkette vor allem ein poli­tis­ches Sig­nal – neben bloßer Macht­demon­stra­tion auch eine War­nung auch an den kün­fti­gen US-Präsi­den­ten Trump, Tai­wan nicht zu Unab­hängigkeits­be­stre­bun­gen zu ermutigen.

Nach mehrtägigem Aufen­thalt in Sanya (Jahreswech­sel) wurde die Trägerkampf­gruppe am 2. Jan­u­ar erneut in See gemeldet. Dies­mal gab es auch wieder Flug­be­trieb. Nur 90sm südlich von Tai­wan übten mehrere J‑15 Fly­ing Shark im Süd­chi­ne­sis­chen Meer Starts und Lan­dun­gen vom Flugzeugträger. Die weit­eren Absicht­en der „Liaon­ing“ und ihrer Begleitschiffe sind unklar. Mögliche Optio­nen sind weit­ere Übun­gen im Süd­chi­ne­sis­chen Meer (vielle­icht demon­stra­tiv in ter­ri­to­r­i­al umstrit­te­nen Gebi­eten), Rück­kehr zur Nord­flotte mit Pas­sage der Tai­wan Straße oder aber doch noch Übun­gen im offe­nen Westpazifik.

ITALIEN

Kurz vor Wei­h­nacht­en hat sich die Fre­gat­te „Cara­biniere“ auf den Weg zu ein­er vier­monati­gen Aus­land­sreise gemacht.

Das weniger als zwei Jahre alte Schiff ist die vierte von ins­ge­samt acht ital­ienis­chen Mehrzweck­fre­gat­ten der BERGAMI­NI-Klasse, der vom Kon­sor­tium Oriz­zonte Sis­te­mi Navali (Fin­cantieri, Leonar­do-Fin­mec­ca­ni­ca) gebaut­en ital­ienis­chen Vari­ante des auch von der franzö­sis­chen Marine beschafften Typs FREMM (in Ital­ien Fre­ga­ta Multi-Missione).

Der Kurs führt die „Cara­biniere“ von La Spezia durch das Mit­telmeer und den Suezkanal nach Südostasien und bis nach Australien.

Die „South­east Asia & Aus­tralia Naval Cam­paign“ ist allerd­ings nicht nur nor­male Reise zur Aus­bil­dung oder als „Botschafter in Blau“ zur Fes­ti­gung von Aus­lands­beziehun­gen, son­dern vor allem auch eine „Pro­mo­tion Tour“ für die ital­ienis­che Rüs­tungsin­dus­trie, die wohl auch einen Teil zur Finanzierung beiträgt. Mehrere große Fir­men wie Fin­cantieri, Leonar­do-Fin­mec­ca­ni­ca und MBDA Italy sind mit der Par­tie und wollen die Fre­gat­te bei Besuchen in „mehr als zehn“ aus­ländis­chen Häfen als schwim­mende Messe­halle nutzen und ihre jew­eili­gen Pro­duk­te präsen­tieren. Ver­stärk­end für mögliche Verkauf­s­ab­schlüsse ist dabei, dass viele der ange­bote­nen Sys­teme und Waf­fen — bis hin zur Gesamtschiff — aktiv und „zum Anfassen“ vorhan­den sind. Ähn­liche Aus­land­sreisen der ital­ienis­chen Marine gab es auch schon früher.

Ein erster Besuch fand bere­its in Dschid­dah (Sau­di Ara­bi­en) statt, wo die „Cara­biniere“ am 1. Jan­u­ar ein­traf. Weit­ere Stopps sind u.a. in Colom­bo (Sri Lan­ka) und Jakar­ta (Indone­sien) geplant, bevor sich die Fre­gat­te dann in gle­ich vier aus­tralis­chen Häfen vorstellt. Besuche sind in Ade­laide, Fre­man­tle, Mel­bourne und Syd­ney geplant. In Fre­man­tle sollen sich Experten der aus­tralis­chen Marine und des Vertei­di­gungsmin­is­teri­ums zu ein­er aus­giebi­gen Begutach­tung auf der „Cara­biniere“ einschiffen.

Der Grund für das große Inter­esse an Aus­tralien ist klar: Fin­cantieri bietet im inter­na­tionalen Wet­tbe­werb um das aus­tralis­che „Project SEA 5000“ (Beschaf­fung von neun, ab 2020 zu bauen­den neuen Fre­gat­ten) eine Design­vari­ante der Fre­gat­te an. Die aus­tralis­chen Experten sollen das Schiff auch im oper­a­tiv­en Betrieb ken­nen­ler­nen und bei gemein­samen Übun­gen mit der aus­tralis­chen Marine vor allem seine Fähigkeit­en in der U‑Jagd ein­schätzen kön­nen. Auch sollen let­zte Absprachen zu geplanten Besuchen aus­tralis­ch­er Mari­ne­of­fiziere in Ital­ien mit Ein­schif­fung auf anderen Fre­gat­ten der BERGAMI­NI-Klasse getrof­fen werden.

Der Rück­weg führt dann über Sin­ga­pur zunächst nach Malaysia, wo in Langkawi die Teil­nahme an der inter­na­tionalen Rüs­tungsmesse LIMA 2017 (21.–25. März) auf dem Pro­gramm ste­ht. Es fol­gen noch weit­ere Besuche in (u.a.) Karatschi (Pak­istan) und Muskat (Oman), bevor die „Cara­biniere“ dann in der zweit­en April­hälfte in der Heimat zurück erwartet wird.

RUSSLAND

Am 23. Dezem­ber hat die Sev­mash-Werft in Sewerod­win­sk (Weißes Meer) das achte nuk­learstrate­gis­che U‑Boot der BOREJ-Klasse auf Kiel gelegt.

Die kün­ftige „Knyaz Pozharskiy“ wird let­ztes U‑Boot dieser Klasse, die in den kom­menden Jahrzehn­ten die seegestützte Kom­po­nente der rus­sis­chen nuk­learstrate­gis­chen Abschreck­ung bilden soll. Die getaucht gut 24.000 ts ver­drän­gen­den, 170m lan­gen U‑Boote tra­gen jew­eils 16 strate­gis­che Flugkör­p­er (SLBM – Sub­ma­rine-launched Bal­lis­tic Mis­sile) vom Typ SS-N-30 Bula­va, eine Marin­ev­er­sion der landgestützten Interkon­ti­nen­tal­rakete SS-27 Topol‑M, die bei Reich­weite von „min­destens 8.000 km“ zehn nuk­leare Gefecht­sköpfe trägt. Bula­va sollte 2008 ein­satzreif sein, aber nach ein­er Serie fehlgeschla­gen­er Tests mochte das Vertei­di­gungsmin­is­teri­um dem neuen Waf­fen­sys­tem erst 2014 „seinen Segen“ geben (auch bei danach durchge­führten Testschüsse gab es übri­gens noch Fehlschläge).

Nicht nur bei der Entwick­lung von Bula­va, son­dern auch beim Bau der BOREJ U‑Boote selb­st kam es zu erhe­blichen Ver­spä­tun­gen. Nicht zulet­zt wegen erhe­blich­er finanzieller Prob­leme kon­nte Sev­mash das Typ­boot „Yuri Dol­go­rukiy“ erst 2007, nach gut zwölf Jahren Bauzeit, zu Wass­er lassen, und bis sein­er zur Indi­en­st­stel­lung bei der Nord­flotte dauerte es dann noch ein­mal fünf Jahre. „Alexan­der Nevskiy“ und „Vladimir Mono­makh“ wur­den 2014 als zweites und drittes Boot mit eben­falls mehreren Jahren Ver­spä­tung in Dienst gestellt, dienen heute bei der Pazifikflotte.

Im Laufe der über­lan­gen Bauzeit­en entwick­elte sich die Tech­nolo­gie in vie­len Bere­ichen (Sen­soren, Kom­mu­nika­tion etc) weit­er, und so entsprach die ursprüngliche Aus­rüs­tung der BOREJ zunehmend nicht mehr tech­nol­o­gis­chem Stan­dard. Nicht uner­wartet, wer­den nach den ersten drei BOREJ die weit­eren U‑Boote denn auch in ein­er leicht mod­i­fizierten Vari­ante mit mod­erner­er Aus­rüs­tung gebaut. Erstes Boot dieser BOREJ-A-Klasse ist die im Jan­u­ar 2015 zu Wass­er gelassene und 2017 in Dienst zu stel­lende Baunum­mer 4, „Knyaz Vladimir“.

Mit der für 2020 geplanten Indi­en­st­stel­lung des acht­en Bootes „Knyaz Pozharskiy“ endet der Bau der BOREJ-/BOREJ-A-Klasse. Die U‑Boote dürften bis nach 2040 dienen, aber bei lan­gen Pla­nungs- und Bauzeit­en richtet sich der Blick der rus­sis­chen Marine schon jet­zt darüber hin­aus in die Zukun­ft. Mit „Pro­jekt Khasky (Husky)“ hat die Desig­nen­twick­lung eines nuk­lear­getriebe­nen U‑Bootes „der 5. Gen­er­a­tion“ begonnen. Details sind noch nicht bekan­nt, aber erste Medi­en­berichte deuten auf ein Stan­dard-Design, das als Basis­mod­ell in ver­schiede­nen Vari­anten sowohl als mit SLBM bestück­tes nuk­learstrate­gis­ches U‑Boot (SSBN) als auch als Angriffs-U-Boot (SSN) hergestellt wer­den kann.

RUSSLAND

Tra­di­tionell wer­den am Ende eines Jahres Rüs­tungsvorhaben formell abgeschlossen, vor allem aber öffentlichkeitswirk­sam präsentiert.

Die Prax­is geht noch auf Sow­jet­zeit­en zurück, als hier die (Über-)Erfüllung des staatlich vorgegebe­nen Plan­solls zu verkün­den war. Heute ist es der Zeit­punkt, zu dem die Werften mit dem Abschließen von Bau­vorhaben durch Liefer­ung an die Marine ihre Büch­er bere­ini­gen und damit auch Ansprüche auf ausste­hende Zahlun­gen formell gel­tend machen kön­nen. Natür­lich aber nutzen Staats- und Marine­führung vor allem auch die Gele­gen­heit, der rus­sis­chen Bevölkerung die Leis­tungs­fähigkeit der heimis­chen Werftin­dus­trie und die wach­sende Kampfkraft der Marine nahe zu bringen.

Dieser Prax­is fol­gend, trat am 31. Dezem­ber der für die Rüs­tungsin­dus­trie zuständi­ge stel­lvertre­tende Min­is­ter­präsi­dent Dmitri Rogozin vor die Presse und erk­lärte stolz, die staatlichen Aufträge für die rus­sis­che Marine seien 2016 zu „fast 100 Prozent“ erfüllt worden.

In Fachkreisen wurde diese Aus­sage mit Stirn­run­zeln reg­istri­ert, und rus­sis­che Inter­net-Blog­ger und Foren beeil­ten sich, die Aus­sage zu rel­a­tivieren. Ein­hel­lig stellte man fest, dass sie eigentlich nur für zahllose kleinere und kle­in­ste Hil­fs­fahrzeuge (hydro­graphis­che Boote, Hafen- und Reedeschlep­per) zutr­e­ffe, es bei den für die rus­sis­che Marine viel wesentlicheren Kampf­schif­f­en aber deut­liche Defizite gebe.

Einzige (und bemerkenswerte) Aus­nahme seien die von der Admi­ral­itätswerft in St. Peters­burg gebaut­en kon­ven­tionellen U‑Boote der KILO-III-Klasse, die sämtlich im ursprünglichen Zeit­plan geliefert wur­den. Zum noch für 2016 angekündigten aber dann nicht vol­l­zo­ge­nen Stapel­lauf des zweit­en nuk­lear­getriebe­nen U‑Bootes der YASEN-Klasse („Kazan“) schwieg sich der Min­is­ter eben­so aus, wie zur bis Jahre­sende geplanten Rück­kehr des U‑Bootes „Orel“ (OSCAR-II) zur Flotte nach Mod­ernisierung oder stock­enden Mod­ernisierun­gen älter­er U‑Boote der KILO-Klasse.

Auch bei neuen Fre­gat­ten ließ Rogozin (u.a. im fortbeste­hen­den Embar­go von EU und Ukraine begrün­dete) Verzögerun­gen völ­lig uner­wäh­nt. Rus­sis­che Medi­en hat­ten dage­gen kurz zuvor gemeldet, dass die schon mehrfach ver­schobene, zulet­zt für Ende 2016 angekündigte Indi­en­st­stel­lung der Fre­gat­te „Admi­ral Gor­shkov“ (Typ­schiff der gle­ich­nami­gen Klasse) erst „im ersten Hal­b­jahr 2017“ erfol­gen soll. Der für Ende 2016 angekündigte Stapel­lauf der 3. Ein­heit dieser Klasse („Admi­ral Golovko“) blieb eben­falls aus, ohne dass bish­er ein neuer Ter­min genan­nt wird.

Verzögerun­gen gibt es auch bei der Fer­tig­stel­lung von Fre­gat­ten der GRIG­OROVICH-Klasse. Zur „fest im Dezem­ber 2016“ geplanten aber aus­ge­bliebe­nen Indi­en­st­stel­lung der „Admi­ral Makarov“ ver­lor der Min­is­ter kein Wort aus, und Rogozin äußerte sich auch nicht zu den in 2016 geplanten aber nicht erfol­gten Liefer­un­gen zweier Korvet­ten der STERE­GUSHCHIY-Klasse („Sover­shen­niy“ and „Gromkiy“). Das neue Lan­dungss­chiff „Ivan Gren“ blieb eben­so uner­wäh­nt wie die längst über­fäl­li­gen Stapel­läufe des Minen­such­ers „Georgiy Kur­ba­tov“, des Aufk­lärungss­chiffes „Ivan Kurs“, des Mehrzweckschiffes „Akademik Alek­san­dr“ oder die nun schon zwei Jahre verzögerte Liefer­ung des neuen Ark­tis-Ein­satz­grup­pen­ver­sorg­ers „Elbrus“.