Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
Die US-Navy zieht Konsequenzen aus den Negativerfahrungen bei der LCS-Einführung (Littoral Combat Ship). Zwar werden die für Einsätze in den Litoralgewässern ausgerichteten Schiffe weiterhin in Dienst gestellt, doch gab Vice Admiral Tom Rowden, Befehlshaber der Überwasserstreitkräfte der US-Navy, am 8. September einschneidende Änderungen bekannt. Die Neuordnung ist das Resultat einer umfassenden zweimonatigen Überprüfung des LCS-Programms unter Berücksichtigung der Technologie, der Einsatzkonzepte sowie der Personalzusammensetzung. Admiral John Richardson, Chief of Naval Operations, hatte angesichts anhaltender Pannen bei der LCS-Flottille die Studie in Auftrag gegeben.
Abkehr vom „Multi-Mission“ Konzept
Ein Kernelement des LCS-Einsatzkonzepts war von Anfang an die Mehrzweckfähigkeit. Jedes Schiff sollte grundsätzlich für U‑Jagd, Minenkampf und Bekämpfung von Oberflächenzielen herangezogen werden. Da LCS zu klein ist, um ständig für sämtliche Aufgaben ausgestattet zu sein, wurden auswechselbare Einsatzmodule konzipiert; die Schiffe sollten im Hafen oder – nach ursprünglicher Planung – sogar auf See mit dem gerade erforderlichen Modul ausgestattet werden.
Nun soll jedes Schiff ständig auf nur eine der drei Hauptaufgaben ausgerichtet werden. Grundsätzlich können die Nutzlastmodule weiterhin ausgewechselt werden, doch soll dies nur noch in Ausnahmefällen vorkommen. „Wir kehren ab vom Konzept Hansdampf in allen Gassen“, erklärte Admiral Rowden. Die Besatzungsmitglieder sollen sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren und Experten in Minenkampf, U‑Jagd oder Seekrieg werden.
Auch das Personalsystem wird angepasst. Bislang fährt jedes Schiff mit einer fünfzig-köpfigen Kernbesatzung (anfänglich nur vierzig). Hinzu kommt eine mit dem jeweiligen Nutzlastmodul wechselnde Zusatzmannschaft von 20 Personen sowie eine gesonderte Flugabteilung (23 Personen). Die Spezialisierung der Schiffe ermöglicht nun die ständige Integration der Nutzlastspezialisten in die Kernbesatzung, die fortan aus 70 Personen bestehen soll. Diese Integration soll die Zusammenarbeit der Crew fördern. Die Flugabteilung bleibt aus technischen Gründen weiterhin gesondert.
Künftig wird jedes Schiff zwei komplette, als „Blau“ und „Gold“ bezeichnete Besatzungen haben, die sich alle vier bis fünf Monate auf dem Schiff ablösen (in Übersee befindliche LCS bleiben bis zu 24 Monate im Ausland). Bislang verwendet das LCS-Programm ein experimentelles System, bei dem drei Kernbesatzungen für jeweils zwei Schiffe zur Verfügung stehen. Dieser Zyklus sollte Personal einsparen und gleichzeitig eine gesteigerte Überseepräsenz gewährleisten, führte aber in der Praxis zur Überbelastung der Crew. Die Änderung bedeutet, dass für 28 Schiffe künftig 46 anstatt 40 komplette Besatzungen zu stellen sind. Rund 480 zusätzliche Soldaten müssen der LCS-Flottille zugeteilt werden.
Neue Geschwader
Bis 2023 sollen insgesamt 28 LCS-Einheiten in der gegenwärtigen Konfiguration (je 14 Einheiten der FREEDOM-Klasse und der INDEPENDENCE-Klasse) in Dienst gestellt werden.
Gemäß der neuen Planung sollen die ersten vier LCS künftig ausschließlich als Erprobungsplattform für Einsatzsysteme und ‑konzepte verwendet werden. Dies hat den Vorteil, dass kurz- und langfristige Testreihen durchgeführt werden, ohne den Entsendungszyklus der Einsatzflotte zu beeinträchtigen, erklärte Admiral Rowden. Erkenntnisse könnten schneller als unter der bisherigen Praxis gezogen und umgesetzt werden, ergänzte Admiral John Richardson, Chief of Naval Operations.
Die übrigen 24 Einheiten werden in sechs Geschwader zu je vier Schiffen organisiert. Drei Schiffe aus jedem Geschwader werden regelmäßige Entsendungen absolvieren. Das vierte Schiff dient als Ausbildungsschiff des Geschwaders. Alle Schiffe eines Geschwaders werden für die gleichen Aufgaben ausgerichtet; es entstehen demnach jeweils zwei Geschwader für U‑Jagd, für Minenkampf beziehungsweise für allgemeine Seekriegsführung. Je drei Geschwader werden an der Ost- beziehungsweise an der Westküste stationiert.
Admiral Rowden geht davon aus, dass sich ständig vierzehn Schiffe im Überseeeinsatz befinden werden, während vier in den USA einen Wartungszyklus durchlaufen. Jedes Einsatzschiff soll zwischen 16 und 24 Monate im Ausland verbringen und anschließend zwecks Überholung in den Heimathafen zurückkehren. Sieben Schiffe sollen in Bahrain, vier in Singapur und drei voraussichtlich in Japan Vorauspräsenz leisten.
Mängelbericht
Die Navy erwartet, dass die Neuordnung sowohl die Belastung der Crew reduziert als auch den Wartungsstand der Schiffe verbessert. Seit Dezember erlitten fünf der acht im Dienst beziehungsweise in der Seeerprobung befindlichen LCS schwere Maschinenschäden. Es wird geprüft, ob ein Teil der erlittenen Maschinenschäden grundsätzlich auf Designfehler zurückzuführen sind; schließlich plagten technische Mängel das LCS-Programm von Anfang an.
Ein wesentlicher Teil der im Einsatz entstanden Schäden ist allerdings auf menschliches Versagen zurückzuführen. So erlitt USS „Fort Worth“ (LCS 3) im Januar im Marinehafen Changi (Singapur) einen katastrophalen Getriebeschaden, weil zu wenig Schmiermittel verwendet wurde. Erst nach sechsmonatiger Reparatur konnte der Dieselantrieb wieder in Betrieb genommen werden. Solche Zwischenfälle sind zum Teil auf die übermäßige Reduzierung der Kernbesatzung zurückzuführen, die bewirkt, dass jedes Crewmitglied für drei verschiedene Aufgaben im Schiff zuständig ist. Crewmitglieder erhielten bei den ersten Einsatzfahrten über Wochen hinweg nur vier Stunden Schlaf täglich. Die Neuordnung soll durch die ständige Zuordnung zweier Besatzungen pro Schiff eine geordnetere Wartung gewährleisten. Die Ausbildung des schiffstechnischen Bordpersonals wird neu gestaltet und intensiviert. Zusätzliches Wartungspersonal wird den Geschwadern zugeteilt, um die Schiffscrew weiter zu entlasten.
Ein weiteres Problem belastet allerdings weiterhin die Einsatzbereitschaft der LCS-Flottille. Keines der vorgesehenen Einsatzmodule für U‑Jagd, Minenkampf oder Seekriegsführung ist derzeit voll einsatzbereit oder serienreif. Stattdessen werden bislang Einzelsysteme für die verschiedenen Aufgaben herangezogen. Mehrere ursprünglich eingeplante Komponenten der Einsatzmodule erwiesen sich als unzuverlässig, sodass nun neue Technologie erprobt oder entwickelt wird. Die Rechnungs- und Aufsichtsbehörde der US-Regierung (Government Accountability Office – GAO) schätzt, dass die drei Module erst 2019 imstande sein werden, die Mindestanforderungen der LCS-Einsatzkonzepte zu erfüllen. Bis dahin sollen bereits 22 LCS-Einheiten ausgeliefert werden.
Lessons Learned – oder nicht?
Dieser Zustand ist teilweise auf die ursprüngliche Entscheidung der Navy zurückzuführen, LCS vor Abschluss der Erprobungsphase in Dienst zu stellen, um möglichst schnell die Flottenkapazität zumindest numerisch zu erhöhen. Anstatt Prototypen zu erproben, wurde beschlossen, die ersten Einsatzschiffe für diese Aufgabe heranzuziehen. Als Resultat mussten aufwendige Nachbesserungen am Design vollzogen werden, nachdem strukturelle Schwachpunkte an den ersten beiden LCS-Einheiten festgestellt wurden.
Aus den Erfahrungen des LCS-Programms sollen Lehren für die Beschaffung künftiger Schiffsklassen gezogen werden, erklärt die Navy. Dieser Vorsatz sollte zuerst die geplante Entwicklung einer neuen leichten Fregatte auf der Grundlage von LCS betreffen. Tatsächlich scheint die Navy gewisse Fehler aus der ursprünglichen LCS-Beschaffung bei der LCS-Fregatte wiederholen zu wollen, stellte eine GAO-Studie in Juni fest. Der Zeitplan wirkt überhastet, der Beschaffungsbeginn soll bereits 2018 ohne Bewertung eines Prototypen beschlossen werden. Kosten- und Zeiteinsparung erhalten Priorität über die Leistung des einzuführenden Typs, befand die Studie.
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Oberhaus, Senator John Mc- Cain, und sein demokratischer Stellvertreter, Jack Reed, empfahlen Mitte September die Suspendierung der LCS-Beschaffung, bis verschiedene Probleme behoben werden. Ferner empfehlen McCain und Reed eine Reduzierung der Entsendungsdauer, um Verschleiß sowie Crew-Belastung zu reduzieren. Die wesentlichen Zuverlässigkeitsmängel und Systemausfälle, die die ersten drei LCS-Entsendungen kennzeichneten, belegen, dass das gegenwärtige Einsatztempo nicht aufrecht zu halten ist, erklärten die Senatoren. Sie forderten in ihrem Schreiben an das Pentagon ferner, dass die Navy bereits jetzt mit der Planung eines neuen fregattenäquivalenten Kampfschiffes beginnt, das unmittelbar im Anschluss an die LCS-Fregatte eingeführt werden sollte. Das neue Schiff sollte wesentlich kampfstärker als die auf LCS-basierte Variante sein, die im GAO-Bericht als Not- oder Übergangslösung eingestuft wird.
Admiral Richardson nahm die LCS-Klasse am 21. September im Rahmen der internationalen Marinetagung des Naval War College allerdings in Schutz. Das Beschaffungsprogramm sei zwar „komplex“, befinde sich aber zu neunzig Prozent auf Kurs, erklärte er. Man lerne ständig hinzu. Admiral Rowden erklärte bereits am 8. September, dass die Neuordnung grundsätzlich zu einer gesteigerten Übersee-/Entsendungspräsenz der LCS-Klassen führen soll. Die Reformen werden über fünf Jahre hinweg umgesetzt. Er betont, dass die Neuordnung künftig wieder adjustiert werden könnte. „Wir haben gelernt, dass dieses Programm ständige Neubewertung erfordert. Man braucht regelmäßige Erfahrungsberichte der Mannschaft, der Kommandanten, der Kommandeure, um festzustellen, was funktioniert und was nicht.“