Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
(Fregattenkapitän Dipl.-Ing. Volkrad Kaphengst ist im Marinekommando, Referat Steuerung Technischer Betrieb, verantwortlich für übergreifende Sachverhalte der Einsatz- und Automationssysteme der Marine.)
Die Korvetten sind ein Bootstyp mit der Hauptaufgabe Überwasserseekriegsführung, insbesondere in Randmeeren und Küstengewässern, einschließlich der Überwachung und Aufklärung der Überwasserlage. Die Aufnahme eines unbemannten fliegenden Aufklärungssystems ist vorgesehen, jedoch noch nicht realisiert. Mit ihrem Flugdeck und Betankungsmöglichkeiten für H/C bis zu 15 t bildet die K130 aber eine bereits heute wichtige Basis in Einsatzverbänden zur Unterstützung der fliegenden Komponenten. Sekundäre Fähigkeit der Korvetten ist der Einsatz als Minenleger.
Die Einheiten haben sich nach mancherlei Anlaufschwierigkeiten im Einsatz bewährt. So wurden bereits mehrere Teilnahmen am maritimen Einsatzverband der Mission UNIFIL absolviert sowie jeweils als Ersatz für eine Fregatte eine Teilnahme an der Standing Maritime Group 1 sowie den EU-Missionen Atalanta und Sophia erfolgreich abgeschlossen. Insbesondere die Teilnahmen an UNIFIL und Atalanta haben mit Hilfe von Wechselbesatzungen auch wichtige Grundlagen für den zukünftigen Betrieb von Mehrbesatzungsmodellen auf Schiffen der Marine (F125 und MKS 180) gelegt. Trotz einer nur geringen Einschiffungskapazität konnte auch im EAV bereits das Portfolio der Klasse 130 zum Ausbildungsziel beitragen und z.B. beim internationalen Manöver Obangame Express vor Westafrika die internationale Kooperation gestärkt werden.
Gemäß Einsatzkonzept sind die Korvetten der Klasse 130 dafür vorgesehen, multinational und streitkräftegemeinsam sowie weltweit in Einsätzen zur internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus und der Piraterie, beizutragen. Dies schließt die Durchsetzung im Überwasserkampf auch höchster Intensität nebst einer gezielten und wirkungsvollen Bekämpfung von Zielen an Land ein. Die Korvetten sind dazu primär zur Seeraumüberwachung konzipiert worden, mit der Fähigkeit, Ziele an Land und auf dem Wasser anzugreifen. Zur Vorbereitung ihrer Einsätze absolvieren die Korvetten analog zu den Fregatten auch regelmäßig das Einsatztraining beim britischen Flag Officer Sea Training (FOST).
Von den englischen und deutschen Prüfteams wurden anschließend durchweg positive Resonanzen ausgefertigt. Diese beziehen sich sowohl auf die Besatzungen als auch auf das innovative und technisch hoch entwickelte System Korvette K130. Es gab viele Kommentare wie „dieses System konnten wir einfach nicht überlisten. Jeder Fehler, den wir eingespielt haben, haben Mensch und System automatisch ausgegrenzt oder kompensiert“. Kurz gesagt, die Besatzungen und ihre Plattformen haben unter Beweis gestellt, was in ihnen steckt.
Die Korvette hat sich also nicht nur qualifiziert, sondern als Waffensystem auch bewährt. Dabei ist es eindrucksvoll gelungen, insbesondere die Durchhaltefähigkeit und das herausragende taktisch-operative Lagebild der K130, auch im Zusammenwirken mit internationalen Partnern, zu demonstrieren. Dabei stellt die Korvette mit einem vergleichsweise geringen Ressourcenansatz vielfältige Fähigkeiten zur Verfügung. Bezogen auf den UNIFIL-Einsatz steht ihre Eignung völlig außer Frage. Natürlich kann die Korvette K130 noch deutlich mehr als das, was ihr in diesem Szenario derzeit abverlangt wird. Allerdings gibt es kein Schiff der Marine, kein System der Bundeswehr, das alles kann oder alle Fähigkeiten auf sich vereint. Die berühmte „Eier legende Wollmilchsau“ wird es auch in absehbarer Zukunft wohl kaum geben.
Es kommt daher je nach Mission auf den skalierbaren Fähigkeitsmix verschiedener Waffensysteme und Fähigkeiten an. Hierfür bietet die Korvette einen wichtigen Beitrag.
Was ist das Besondere an den Korvetten?
Zwei Punkte, die die Korvette K130 zu etwas Besonderem machen: der hohe Automatisierungsgrad sowohl des Einsatzsystems, als auch im Schiffsbetrieb und die hierdurch mögliche geringe Besatzungsstärke. Zum Vergleich: In anderen Nationen werden ähnlich große Schiffe mit ähnlich vielen Fähigkeiten mit mehr als der doppelten Besatzungsstärke betrieben. Darüber hinaus werden alle Betriebsräume inkl. der OPZ als „Hellräume“ gefahren. Dies steigert sowohl die Konzentrationsfähigkeit der Crews als auch die Kommunikation zwischen den Arbeitsplätzen.
Die hohe Automatisierung und das Personalkonzept der Korvette stellen sicherlich eine richtungweisende Innovation für zukünftige Entwicklungen dar, die mit F125 und MKS 180 noch weiter fortentwickelt wurden. Im Gegensatz zu F125 und MKS 180 gibt es jedoch nicht mehr Besatzungen als Plattformen, sondern die Besatzungen rotieren über die Einheiten. Das wirklich Beeindruckende ist die umfangreiche und vernetzte IT-Landschaft, die durchgängig alle Bereiche unter Berücksichtigung der IT-Sicherheit verbindet und somit den betriebs- und einsatzwichtigen Informationsaustausch sicherstellt. Diese ermöglicht erst den hohen Automatisierungsgrad ohne Informationsverlust. Neben der technischen Herausforderung, diese Systemwelt aktuell und einsatzbereit zu halten, ist dies eine reizvolle Aufgabe des Dienstes für die junge und zukünftige Generation.
Diese Automation ermöglicht es auch schon heute, die Korvetten im Heimathafen durch eine zentrale Betriebsüberwachung mit geringem Personalaufwand technisch „von Ferne“ zu überwachen und für auch im Hafenbetrieb notwendige Anlagen Schaltungen durchzuführen. Dies ist signifikant geworden, seit mit Einführung der Soldatenarbeitszeitverordnung im Januar 2016 die Arbeitszeit des Soldaten ein wertvolles Gut ist, um die Einsatzfähigkeit für die Aufgaben der Marine zu ermöglichen.
Allein die Server an Bord könnten eine mittlere deutsche Stadt rund um die Uhr mit Internet und E‑Mail versorgen. Auf den knapp 90 Metern der Korvette sichern sie ein herausragendes internes und externes Lagebild, die automatische Bekämpfung von See‑, Land- und Luftzielen sowie eine extrem hohe Reaktionsgeschwindigkeit. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Korvette weltweit von der Hohen See kommend in das Küstenvorfeld und an Land wirken kann. Dafür ist sie unter anderem mit dem in der Marine einzigartigen Flugkörper RBS15 Mk3 ausgerüstet, der sowohl See- als auch Landziele bekämpfen kann. Im Rahmen der Einsatzprüfungen hat der Flugkörper in einem herausfordernden Szenario bewiesen, dass er sich im taktischen Einsatz auch durchsetzen kann. Die seit Langem bestehende Fähigkeitslücke zur Wirkung von See an Land, als Beitrag zum streitkräftegemeinsamen Arbeiten der Bundeswehr bzw. mit den internationalen Partnern, konnte endlich technisch geschlossen werden.
Für welche Einsätze/Szenarien sind die Korvetten besonders geeignet?
Die Korvette ist für den weltweiten Einsatz ausgelegt, mit Ausnahme der ständigen Eisregionen an den Polkappen. Sie kann daher grundsätzlich einen Beitrag zu jedem Einsatz der Marine liefern. Sie ist auch für den Kampf in höchster Intensität ausgelegt. Sie ist also eskalationsfähig und kann so zum Beispiel auch einen wichtigen Beitrag zum Schutz anderer Einheiten in Einsatzverbänden liefern. Mit diesem Fähigkeitsprofil übernehmen die Korvetten auch Aufgaben und Fähigkeiten, die in der Vergangenheit durch Schnellboote erledigt wurden, die zur Zeit des Kalten Krieges auf die Randmeerkriegsführung in Nord- und Ostsee optimiert waren, sich aber seit zwanzig Jahren u.a. auch bei UNIFIL bewährt hatten. Die Korvetten sind jedoch keine „Ablösung“ für Schnellboote, deren hundertjährige Wirkungszeit in deutschen Marinen Ende 2016 durch Außerdienststellung der letzten vier Einheiten abgeschlossen wird.
Ihr Flugdeck nebst Betankungsmöglichkeit für Hubschrauber ermöglicht insbesondere im Zusammenspiel mit anderen Einheiten mannigfaltige Optionen. Das Schiff besitzt ein stabiles Seeverhalten, hohe Mobilität, ausreichende Seeausdauer durch Querab-Nachversorgungsmöglichkeit in See (RAS), gute Aufklärungs- und Kommunikationsfähigkeit und vor allem Durchhaltefähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit unter Bedrohungen. Die äußeren Abmessungen der K130 mit einer Länge von 88,80 m, einer Breite von 12,20 m und einer Verdrängung von 1.840 t erfüllen die Stabilitätskriterien, um weltweit verlegen zu können und entsprechend eingesetzt zu werden. Dies konnte schon zwischen Polarmeer, Horn von Afrika und Südamerika unter Beweis gestellt werden. Die K130 kann bis zu sieben Tage ohne Nachversorgung in See stehen, bzw. im Einsatzgebiet operieren. Bei Nachversorgung, z.B. durch EGV oder Tanker, erhöht sich die Seeausdauer auf bis zu 21 Tage. Wie jede andere Klasse auch, ist sie für manchen Einsatz besonders geeignet und für andere weniger.
Gibt es Unterschiede zwischen den Korvetten?
Im Grundsatz sind sie alle baugleich, obwohl sie von drei Werften abgeliefert wurden. Ein Bordfremder würde nicht sofort Unterschiede bemerken. Im Detail findet man kleine Einzelheiten, die unterschiedlich sind, aber keine Auswirkungen auf die Fähigkeiten oder den Einsatzbetrieb an Bord haben, sondern auch in den unterschiedlichen technischen Weiterentwicklungsständen der Korvetten begründet liegen. Schließlich kommt es darauf an, dass das Personal sozusagen über Nacht ohne Reibungsverluste von einer Plattform auf die andere wechseln kann, wenn es seine Ausbildungsabschnitte in der Heimat absolviert hat und anschließend auf ein Boot im Einsatzgebiet geht.
Wie geht es weiter mit K130?
Die Kernbotschaft vorweg: Ja, alle bekannten Anfangsschwierigkeiten sind behoben, das Konzept des „kompakten Kriegers“ hat sich bewährt. Und nicht nur das, die Korvetten unterliegen bereits seit Jahren regelmäßigen technischen Anpassungen zur Wahrung der Modernität und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit in Operationen. So wurden Anpassungen der Schiffsbetriebsanlagen aus den Erfahrungen in den Einsatzgebieten vorgenommen, als auch die Kommunikationsgeräteausstattung neuen Anforderungen angepasst. Beginnend mit der Korvette „Magdeburg“ wird ein neues SHF SATCOM System sowie ein spezielles Netzwerk zur personenbezogenen Informationsversorgung (Betreuungsnetzwerk) der Besatzungen eingebaut. Außerdem wurden Fitnessgeräte eingerüstet, um die körperliche Leistungsfähigkeit der Besatzungen auch bei längeren Abwesenheiten erhalten zu können. Durch die Ausrüstung mit schweren Maschinengewehren konnte die Wirkungsfähigkeit in Szenarien gegen asymmetrische Kräfte gestärkt werden.
Zum anderen wurde die vergangene Zeit dafür genutzt, auch andere Bereiche noch einmal durch technische Anpassungen und Ergänzungen zu optimieren. Bei der Ausrüstung mit einem Querstrahlruder im Bugwulst konnte die gute Manövrierfähigkeit der Korvetten nochmals gesteigert und die Unabhängigkeit z.B. für Evakuierungsoperationen unterstützt werden. Es wurde in einer doch vergleichsweise kurzen Zeit ein komplett einsatzfähiges, hochmodernes neues Waffensystem geschaffen, das in vielem einen Quantensprung der Technik darstellt und wesentliche Beiträge zur Erfüllung der Einsatzverpflichtungen der Deutschen Marine erbringt.
Die Ausrüstung mit einem unbemannten fliegenden System zur Ziel- und Wirkungsaufklärung im Einsatzgebiet wird derzeit im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) durch Erarbeitung technischer Lösungsvorschläge vorangetrieben. Der spezifische Termin, wann die erste Korvette mit diesem UAS (unmanned aerial system) in den Einsatz gehen wird, ist sehr stark abhängig vom Zertifizierungsprozess für diese fliegende Komponente. Dies genießt auch für die Rechtssicherheit unserer Besatzungen im Einsatz eine hohe Priorität.
Der Erhalt der Einsatzreife des Materials und die technische Aktualität wird in enger Abstimmung mit dem zuständigen Projektleiter der Abteilung See des BAAINBw betrieben. Die Marine steuert dabei ihre Betriebserfahrungen bei und beschreibt den Bedarf zur Anpassung des Waffensystems an aktuelle und zu erwartende Operationen. So hat sich die geringe Kojenkapazität als Nadelöhr in der Flexibilität zur Teilnahme an unterschiedlichen Missionen herausgestellt. Darüber hinaus gilt es, die Ausstattung mit einem aktualisierten Fast Rescue Boat in Angriff zu nehmen, um stets mit modernen Rettungsmitteln in die Sicherheit der Besatzungen zu investieren. Langfristig wird auch die Ausrüstung der Flotte mit modernen, skalierbaren Effektoren, z.B. Laser untersucht. Hier soll die Klasse K130 als Versuchsträger in der kommenden Dekade neue Maßstäbe setzen.
Wegen Engpässen in der Verfügbarkeit von Fregatten durch technische Umrüstungen wird die K130 auch in den kommenden Jahren vermehrt zu Operationen herangezogen werden, die bisher nicht in Betracht gezogen wurden. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass der Durchhaltefähigkeit allein durch die Größe der Plattform gewisse Grenzen gesetzt sind.
Die Korvette „Erfurt“ kehrte am Tag der Bundeswehr am 11. Juni dieses Jahres aus einer siebzehnmonatigen Einsatzabwesenheit in unterschiedlichen Missionen und mit drei unterschiedlichen Besatzungen in ihren Heimathafen Warnemünde zurück. Dies ist die bisher längste Abwesenheit einer Plattform der Deutschen Marine. Die bisher gesammelten Erfahrungen zeigen, dass durch diesen Einsatz keine erkennbar erhöhten Abnutzungserscheinungen oder technische Ausfälle aufgetreten sind. Dies ist noch im Detail zu betrachten.
Mit einer geplanten Instandhaltungsperiode über Weihnachten 2015 in Dubai konnten notwendige Wartungen und kleine Umrüstungen durch Einsatz der Besatzung, der Systemunterstützungsgruppe und Industrieunterstützung erfolgreich und zeitgerecht abgeschlossen werden.
Dies hat gezeigt, dass durch innovative Konzepte und die nimmermüde Einsatzbereitschaft der Besatzungen der Marine ein hochmodernes und attraktives Waffensystem auch über langanhaltende Zeiträume verfügbargemacht werden kann. Mit der geplanten Intensivnutzung der Klasse F125 muss sich dann zeigen, ob dies auch mit deutlich größeren Einheiten möglich sein wird.