Syrien — Fortschreibung Stand 24.Juni 2012

Der Abschuss eines türkischen Kampf­flugzeuges am 22. Juni vor dem syrischen Hafen Latakia sorgt inter­na­tion­al für Aufre­gung, dürfte aber kaum in eine mil­itärische Eskala­tion mün­den. Nach let­ztem Infor­ma­tion­s­stand hat­te die F‑4 Phan­tom während eines Aufk­lärungs­fluges vom Mit­telmeer aus im Tief­flug direk­ten Kurs auf Syrien genom­men, wo sie von Flu­gab­wehrgeschützen (offen­bar Rohrwaf­fen kurz­er Reich­weite, keine Flugkör­p­er!) getrof­fen wurde und nach Abdrehen dann „13 Kilo­me­ter“ vor der Küste (also defin­i­tiv noch in syrischen Ter­ri­to­ri­al­gewässern) ins Meer stürzte. Als „syrische Aggres­sion“ lässt sich der Vor­fall sich­er nicht inter­pretieren, und damit wird trotz aller nationalen Emo­tio­nen eine mögliche türkische „Antwort“ auch nur sehr begren­zt aus­fall­en. Darauf deuten auch Mel­dun­gen, dass türkische und syrische Mari­neein­heit­en in ein­er gemein­samen SAR-Oper­a­tio­nen vor Latakia nach der ver­mis­sten Flugzeugbe­satzung suchen. 

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ALAED (Foto: FEMCO
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Für inter­na­tionale Schlagzeilen sorgte ein rus­sis­ch­er Frachter. Die von der fer­nöstlichen FEMCO (Wladi­wos­tok) betriebene, unter der Flagge von Cura­cao fahrende ALAED hat­te in Kalin­ingrad grundüber­holte syrische Kampfhub­schrauber Mi-25 Hind für den Rück­trans­port nach Syrien geladen. Da bis­lang kein inter­na­tion­al gel­tendes (von den Vere­in­ten Natio­nen ver­hängtes) Waf­fen­em­bar­go gegen Syrien beste­ht, wäre dieser Trans­port auch völ­lig legal gewesen. 

Den­noch bemühte sich die EU im Ein­klang mit ihrem ein­seit­ig erk­lärten Waf­fen­em­bar­go, den Trans­port zu stop­pen. Ein Auf­brin­gen des Schiffes wäre nach inter­na­tionalem Recht allerd­ings nur in Gewässern oder Häfen von EU-Staat­en möglich gewe­sen. So wurde auf eine andere Maß­nahme zurück gegrif­f­en, die aber sofort Effekt zeigte. Die britis­che Ver­sicherungs­ge­sellschaft Stan­dard P&I Club ent­zog sämtlichen bei ihr ver­sicherten Schif­f­en der FEMCO (auch der ALAED) die Deck­ung. Der zulet­zt bei den Hebri­den vor Schot­t­land gemeldete Frachter musste daraufhin seine Reise abbrechen; er nahm Kurs auf Mur­man­sk, wo er am 23. Juni ein­traf. Dort soll die ALAED nun umge­flag­gt wer­den. Unter rus­sis­ch­er Flagge (und mit nationaler Ver­sicherung?) sowie in Begleitung (!) soll sich das Schiff schon bald erneut auf den Weg nach Syrien machen. 

Nach wie vor hal­ten sich Gerüchte über eine geplante Ver­legung eines amphibis­chen Ver­ban­des der rus­sis­chen Schwarzmeer­flotte nach Tar­tus (Syrien). Die Lan­dungss­chiffe NIKOLAI FILCHENKOV (ALLI­GA­TOR-Klasse) und TSESAR KUNIKOV (ROP­UCHA-Klasse) sowie ein Hochsee­bergeschlep­per sollen in erhöhter Bere­itschaft für einen solchen Ein­satz ste­hen, der bish­er allerd­ings noch nicht begonnen hat. In den let­zten Tagen nahm die TSESAR KUNIKOV an ein­er kurzen Rou­tineübung nahe Sev­astopol teil, und die NIKOLAI FILCHENKOV führte einen Mate­ri­al­trans­port von Sev­astopol nach Novorossiysk durch. Das Schiff lief dort am 22. Juni ein und soll am 25. Juni nach Sev­astopol zurück kehren. 

Diverse Äußerun­gen hochrangiger rus­sis­ch­er Mil­itärs deuten darauf hin, dass die rus­sis­che Marine tat­säch­lich für einen Ein­satz in Syrien bere­it ste­ht. Dabei geht es allerd­ings wohl weniger um Waf­fen­liefer­un­gen oder gar die Ver­legung von Trup­pen zum Ein­greifen in den Kon­flikt. Primär­er Auf­trag dürfte vielmehr Schutz und Sicherung der rus­sis­chen Basis in Tar­tus (durch ein Kontin­gent Marine­in­fan­ter­is­ten), möglicher­weise sog­ar Evakuierung rus­sis­chen Per­son­als und Rück­führung von Mate­r­i­al sein. Offen­bar geht man in Rus­s­land von ein­er Lagev­er­schlechterung aus, die dies notwendig machen kön­nte. So sprach der Stel­lvertre­tende Luft­waf­fenchef am 17. Juni davon, dass seine Flugzeuge bere­it stün­den, eine „Evakuierung rus­sis­ch­er Bürg­er aus Syrien“ zu unter­stützen. Für Vor­sorge­pla­nung zu ein­er möglichen Evakuierung­sop­er­a­tion spricht auch die Bere­itschaft von gle­ich zwei größeren Lan­dungss­chif­f­en. Für den bloßen Trans­port eines kleinen Kontin­gents von Sicherungstrup­pen und die Nachver­sorgung der Basis Tar­tus wäre ein Schiff mehr als aus­re­ichend gewesen. 

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TSESAR KUNIKOV (Foto: flot-sevastopol.com)

Natür­lich wird diese Entwick­lung von in Nah-/Mit­telost üblichen, teils völ­lig abwegi­gen Gerücht­en begleit­et. So behauptete eine iranis­che Zeitung, die Ver­legung der Lan­dungss­chiffe stünde in Zusam­men­hang mit einem in Syrien geplanten gemein­samen Groß­manöver der Stre­itkräfte Syriens, des Iran, Rus­s­lands und Chi­nas. Mehr als 90.000 Sol­dat­en mit 900 Panz­ern und 400 Flugzeu­gen wür­den sich daran beteili­gen. Die iranis­che staatliche Nachricht­e­na­gen­tur FARS meldete am 19. Juni, auch rus­sis­che Atom-U-Boote seien auf dem Weg vor die syrische Küste. Last-but-not-least wurde schließlich kol­portiert, das Lan­dungss­chiff KALININGRAD der Baltischen Flotte werde seinen Besuch bei der Kiel­er Woche abbrechen und eben­falls nach Syrien ver­legen. All diese Gerüchte und Mel­dun­gen wer­den von rus­sis­chen Offiziellen demen­tiert – und dies trotz aller Vor­be­halte gegen übliche rus­sis­che „Wahrheit­en“ sich­er auch zu Recht. 

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