Der Abschuss eines türkischen Kampfflugzeuges am 22. Juni vor dem syrischen Hafen Latakia sorgt international für Aufregung, dürfte aber kaum in eine militärische Eskalation münden. Nach letztem Informationsstand hatte die F‑4 Phantom während eines Aufklärungsfluges vom Mittelmeer aus im Tiefflug direkten Kurs auf Syrien genommen, wo sie von Flugabwehrgeschützen (offenbar Rohrwaffen kurzer Reichweite, keine Flugkörper!) getroffen wurde und nach Abdrehen dann „13 Kilometer“ vor der Küste (also definitiv noch in syrischen Territorialgewässern) ins Meer stürzte. Als „syrische Aggression“ lässt sich der Vorfall sicher nicht interpretieren, und damit wird trotz aller nationalen Emotionen eine mögliche türkische „Antwort“ auch nur sehr begrenzt ausfallen. Darauf deuten auch Meldungen, dass türkische und syrische Marineeinheiten in einer gemeinsamen SAR-Operationen vor Latakia nach der vermissten Flugzeugbesatzung suchen.
ALAED (Foto: FEMCO) |
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Für internationale Schlagzeilen sorgte ein russischer Frachter. Die von der fernöstlichen FEMCO (Wladiwostok) betriebene, unter der Flagge von Curacao fahrende ALAED hatte in Kaliningrad grundüberholte syrische Kampfhubschrauber Mi-25 Hind für den Rücktransport nach Syrien geladen. Da bislang kein international geltendes (von den Vereinten Nationen verhängtes) Waffenembargo gegen Syrien besteht, wäre dieser Transport auch völlig legal gewesen.
Dennoch bemühte sich die EU im Einklang mit ihrem einseitig erklärten Waffenembargo, den Transport zu stoppen. Ein Aufbringen des Schiffes wäre nach internationalem Recht allerdings nur in Gewässern oder Häfen von EU-Staaten möglich gewesen. So wurde auf eine andere Maßnahme zurück gegriffen, die aber sofort Effekt zeigte. Die britische Versicherungsgesellschaft Standard P&I Club entzog sämtlichen bei ihr versicherten Schiffen der FEMCO (auch der ALAED) die Deckung. Der zuletzt bei den Hebriden vor Schottland gemeldete Frachter musste daraufhin seine Reise abbrechen; er nahm Kurs auf Murmansk, wo er am 23. Juni eintraf. Dort soll die ALAED nun umgeflaggt werden. Unter russischer Flagge (und mit nationaler Versicherung?) sowie in Begleitung (!) soll sich das Schiff schon bald erneut auf den Weg nach Syrien machen.
Nach wie vor halten sich Gerüchte über eine geplante Verlegung eines amphibischen Verbandes der russischen Schwarzmeerflotte nach Tartus (Syrien). Die Landungsschiffe NIKOLAI FILCHENKOV (ALLIGATOR-Klasse) und TSESAR KUNIKOV (ROPUCHA-Klasse) sowie ein Hochseebergeschlepper sollen in erhöhter Bereitschaft für einen solchen Einsatz stehen, der bisher allerdings noch nicht begonnen hat. In den letzten Tagen nahm die TSESAR KUNIKOV an einer kurzen Routineübung nahe Sevastopol teil, und die NIKOLAI FILCHENKOV führte einen Materialtransport von Sevastopol nach Novorossiysk durch. Das Schiff lief dort am 22. Juni ein und soll am 25. Juni nach Sevastopol zurück kehren.
Diverse Äußerungen hochrangiger russischer Militärs deuten darauf hin, dass die russische Marine tatsächlich für einen Einsatz in Syrien bereit steht. Dabei geht es allerdings wohl weniger um Waffenlieferungen oder gar die Verlegung von Truppen zum Eingreifen in den Konflikt. Primärer Auftrag dürfte vielmehr Schutz und Sicherung der russischen Basis in Tartus (durch ein Kontingent Marineinfanteristen), möglicherweise sogar Evakuierung russischen Personals und Rückführung von Material sein. Offenbar geht man in Russland von einer Lageverschlechterung aus, die dies notwendig machen könnte. So sprach der Stellvertretende Luftwaffenchef am 17. Juni davon, dass seine Flugzeuge bereit stünden, eine „Evakuierung russischer Bürger aus Syrien“ zu unterstützen. Für Vorsorgeplanung zu einer möglichen Evakuierungsoperation spricht auch die Bereitschaft von gleich zwei größeren Landungsschiffen. Für den bloßen Transport eines kleinen Kontingents von Sicherungstruppen und die Nachversorgung der Basis Tartus wäre ein Schiff mehr als ausreichend gewesen.
TSESAR KUNIKOV (Foto: flot-sevastopol.com) |
Natürlich wird diese Entwicklung von in Nah-/Mittelost üblichen, teils völlig abwegigen Gerüchten begleitet. So behauptete eine iranische Zeitung, die Verlegung der Landungsschiffe stünde in Zusammenhang mit einem in Syrien geplanten gemeinsamen Großmanöver der Streitkräfte Syriens, des Iran, Russlands und Chinas. Mehr als 90.000 Soldaten mit 900 Panzern und 400 Flugzeugen würden sich daran beteiligen. Die iranische staatliche Nachrichtenagentur FARS meldete am 19. Juni, auch russische Atom-U-Boote seien auf dem Weg vor die syrische Küste. Last-but-not-least wurde schließlich kolportiert, das Landungsschiff KALININGRAD der Baltischen Flotte werde seinen Besuch bei der Kieler Woche abbrechen und ebenfalls nach Syrien verlegen. All diese Gerüchte und Meldungen werden von russischen Offiziellen dementiert – und dies trotz aller Vorbehalte gegen übliche russische „Wahrheiten“ sicher auch zu Recht.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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