Ein prä-emptiver (israelischer) Angriff auf die iranischen Atomanlagen wird zwar weiterhin nicht ausgeschlossen, aber ungeachtet aller unverändert scharfen Rhetorik bleibt die tatsächliche Durchführung doch sehr fraglich.
Die damit verbundenen — nicht nur politischen — Risiken wären unkalkulierbar, und zugleich bestünde wohl auch keine Garantie, wirklich sämtliche etwa 40 mit dem vermuteten Atomwaffenprojekt in Verbindung gebrachten, vielfach unterirdisch verbunkerten Einzelanlagen zu zerstören und das vermutete iranische Atomwaffenprogramm in einem einzigen, kurzen „First Strike“ nachhaltig zu beenden.
Deutlich wahrscheinlicher ist dagegen eine graduelle Eskalation wegen der gegen den Iran verhängten internationalen Sanktionen. Das von der EU erklärte Ölembargo tritt zwar erst zum 1. Juli in Kraft, aber die bereits gegen das iranische Finanzsystem verhängten Sanktionen zeigen schon jetzt deutliche Wirkung. So hat die dänische Großreederei A.P. Moeller-Maersk sämtliche Geschäftsbeziehungen zu Iran eingefroren und alle nach dem 23. Januar geschlossenen Kontrakte storniert. Zwar gibt es für den Iran keinerlei Beschränkungen, z.B. Lebensmittel auf dem Weltmarkt zu erwerben – aber die bisher übliche Bezahlung solcher Lieferungen über staatseigene bzw. mit diesen assoziierte Banken ist ihm verwehrt. In der Folge kommt es im Iran angeblich bereits zu ersten Versorgungsengpässen; Preise für Lebensmittel und Bedarfsgüter des täglichen Lebens steigen rapide; die Landeswährung verfällt. Entlastung sollen Gerüchten zufolge Tauschgeschäfte bringen. So berichten Medien über iranische Angebote, Lieferungen abseits der Nutzung von Banken mit im Ausland lagernden Goldvorräten oder Tankerladungen Öl zu bezahlen.
All diese Maßnahmen könnten — zumal wenn dann auch noch das Ölembargo in Kraft tritt — den Iran durchaus so in die Enge treiben, dass allein schon aus innenpolitischen Gründen kein Weg mehr an zumindest der verbalen Erklärung einer Sperre der Straße von Hormuz vorbei führt. Dies wiederum könnte durchaus eine Eskalation in einen militärischen Konflikt begründen, in dessen Verlauf dann wohl auch (nun nicht mehr „prä-emptiv“) iranische Atomanlagen ins Visier genommen würden. Ein solches Szenario steht aber sicher nicht unmittelbar bevor, und man kann wohl davon ausgehen, dass der Iran ungeachtet aller Rhetorik hinter den Kulissen und abseits der Öffentlichkeit nach politischen Lösungsmöglichkeiten sucht.
Bei internationalen Seestreitkräften sind derzeit noch keine Aktivitäten zu erkennen, die eindeutig als Vorbereitung für einen militärischen Konflikt – oder gar einen Angriff auf den Iran – zu interpretieren sind. Die in der abgelaufenen Woche an der US Ostküste durchgeführte amphibische Großübung „Bold Alligator“ war sicherlich keine „Generalprobe für eine Invasion des Iran“, auch wenn einige Medien dies so wissen wollten. Gleichwohl sind aber auch lange geplante Übungen und Routinevorhaben geeignet, Optionen für den Fall eines Konfliktes mit dem Iran zu schaffen. Dazu gehört natürlich auch schon die bloße Präsenz von Carrier Strike Groups (z.Zt operiert der Flugzeugträger ABRAHAM LINCOLN im Persischen Golf nahe Bahrain, der Flugzeugträger CARL VINSON im Arabischen Meer, die ENTERPRISE soll im März verlegen) und Amphibious Ready Groups (derzeit MAKIN ISLAND) der US Navy.
Gleiches gilt für das zum Cruise Missile-Träger (mehr als 150 Tomahawk) umgebaute U‑Boot GEORGIA der OHIO-mod-Klasse, das einigen Medien zufolge derzeit im „nördlichen Indik“ operiert. Das U‑Boot befindet sich seit Monaten auf einer einjährigen Routine-Einsatzfahrt und hat wohl gerade in Diego Garcia einen geplanten Besatzungswechsel durchgeführt.
GEORGIA (Foto: US Navy) |
Der britische Zerstörer DARING verlegt derweil nach einem Besuch im jordanischen Aqaba im Roten Meer südwärts. Vor Toulon setzt der französische Flugzeugträger CHARLES DE GAULLE seine (einige Wochen früher als eigentlich erwartet) begonnene Ausbildung von Piloten fort – wie es heißt zur „Vorbereitung für eine Einsatzfahrt“, ohne dass hier allerdings Auslaufdaten oder gar Fahrtziel genannt werden.
GHADIR (Foto: MEHR) |
Im Iran beschwören religiöse, politische und militärische Führung unisono bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Fähigkeit und den „unerschütterlichen Willen“, jeder Aggression die Stirn zu bieten. So wurden in der vergangenen Woche sehr öffentlichkeitswirksam zwei weitere Klein-U-Boote der GHADIR-Klasse in Dienst gestellt. Insgesamt verfügt die iranische Marine nun über etwa 19 dieser kleinen 100-ts U‑Boote, die sowohl Torpedos schießen als auch Minen legen können. Sie wären sicher das am besten geeignete Einsatzmittel für eine Sperrung der Straße von Hormuz. Das bereits für Ende Januar „in der Nähe der Straße von Hormuz“ angekündigte Großmanöver „Heiliger Prophet 7“ der Marine der Revolutionsgarden hat nach wie vor nicht begonnen – und es finden sich in iranischen Medien zur Zeit auch keinerlei Hinweise, dass es noch auf der Agenda der kommenden Tage oder Wochen steht. Dies darf man durchaus auch als Signal einer gewissen Besonnenheit interpretieren.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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