Zwei von somalischen Piraten entführte Schiffe und ihre Besatzungen kamen in der abgelaufenen Woche nach Zahlung von jeweils mehreren Millionen US-Dollar Lösegeld wieder frei.
FAIRCHEM BOGEY (Quelle: EUNavFor) |
Zunächst wurde am 8. Januar der schon im September 2010 im Golf von Aden gekaperte maltesische Tanker OLIB G entlassen; 15 georgische Besatzungsmitglieder wurden inzwischen in die Heimat zurück geflogen.
Am 13. Januar durfte dann auch der Produktentanker FAIRCHEM BOGEY seinen Ankerplatz vor der somalischen Küste verlassen und Kurs auf einen sicheren Hafen nehmen. Das Schiff hatte im August 2011 Schlagzeilen gemacht, als es direkt vor dem omanischen Hafen Salalah auf Reede liegend gekapert worden war.
Unklar ist, ob die Verbrecher in den letzten Tagen neue Beute machen konnten. Eine einzelne Medienmeldung, nach der somalische Piraten am 10. Januar im Golf von Aden einen mit 30.000 t petrochemischen Produkten beladenen iranischen Tanker entführten, wird aus anderen Quellen (noch) nicht bestätigt. Ganz auszuschließen ist die Kaperung allerdings nicht. Die iranische Führung ist vor allem bemüht, über die staatlichen Medien den „durchschlagenden Erfolg“ des Anti-Piraterieeinsatzes der iranischen Marine herauszustellen; gelungene Kaperungen passen hier sicher nicht ins Bild. Möglich ist überdies, dass sich derzeit überhaupt keine iranischen Kriegsschiffe im Einsatz befinden. Die 16. Einsatzgruppe war am 18. Dezember nach Bandar Abbas zurück gekehrt; zu einer möglichen Ablösung gibt es bisher keine Informationen. So könnte der Staatsführung in Teheran durchaus daran gelegen sein, die „peinliche“ Entführung eines Schiffes ausgerechnet während einer Einsatzpause der Marine (nach zwei Jahren erfolgreicher fast Dauerpräsenz) aus den Medien heraus zu halten – und ein iranischer Reeder wird sich hier sicher nicht kontraproduktiv verhalten.
Ansonsten wird aber der Gegenwind für die somalischen Piraten zusehends stärker. Immer häufiger werden ihre Mutterschiffe nach gemeldeten Angriffen gezielt gesucht und „neutralisiert“ oder auch schon kurz nach dem Ablegen vom Strand vor den Lagern an der somalischen Küste abgefangen. Zu einer solchen „Neutralisierung“ hatten wir vor einer Woche an dieser Stelle berichtet; nun liegen dazu auch Details vor. Demnach hat das dänische Mehrzweckschiff ABSALON (NATO) am 6. Januar im Golf von Aden die kurz zuvor als Mutterschiff bei einem Angriff gemeldete Dhau AL-QASHMI abgefangen. Die von einer pakistanisch-iranischen Crew gefahrene Fracht-Dhau war einige Wochen zuvor gekapert und anschließend als Mutterschiff für weitere Raubzüge genutzt worden. 25 mutmaßliche somalische Piraten wurden an Bord der ABSALON interniert, ihre Ausrüstung konfisziert. Ob (und wo) ihnen der Prozess gemacht werden kann, ist allerdings fraglich. Wie fast immer in solchen Fällen müssen sie wahrscheinlich schon bald wieder an der somalischen Küste abgesetzt werden.
Royal Marines stoppen Piraten-Dhau (Foto: Royal Navy) |
Eine weitere Piraten-Dhau wurde am 7. Januar von einem NATO-Kriegsschiff direkt nach dem Verlassen der somalischen Küste südlich der Piratenhochburg Hobyo abgefangen. Auch der Versuch somalischer Piraten, den im Oktober gekaperten Produktentanker LIQUID VELVET als Mutterschiff zu nutzen, hatte keinen Erfolg. Knapp 100 sm vor der somalischen Küste fing der britische Flottenversorger FORT VICTORIA (NATO) das Schiff ab. Zwar verbot sich wegen der an Bord gehaltenen Geiseln ein gewaltsames Stoppen und Boarding. Allein die enge Begleitung durch die FORT VICTORIA mit gezielter Warnung aller auch nur in die Nähe kommenden Handelsschiffe genügte aber schon. Frustriert beendeten die Piraten ihre geplante Kaperfahrt und kehrten mit dem Tanker an die somalische Küste zurück.
Im Osteingang des Golfs von Aden, südöstlich von Salalah (Oman), fand eine weitere Kaperfahrt ihr vorzeitiges Ende. Nachdem am 12. Januar ein Handelsschiff gleich zwei versuchte Kaperungen durch zwei Skiffs gemeldet hatte, machten sich der britische Versorger FORT VICTORIA und der US-Zerstörer CARNEY (beide NATO) auf die Suche nach der Piratengruppe – und wurden schnell fündig. Eine verdächtige Dhau reagierte nicht auf Funkanrufe, setzte auch nach Warnschüssen eines britischen Bordhubschraubers unbeirrt ihre Fahrt fort. Der Einsatz von Speedbooten mit einem Einsatzkommando der Royal Marines setzte der Flucht ein Ende.
Durchsuchung der Dhau förderte Waffen und Piratenausrüstung zutage; alle 13 an Bord befindlichen mutmaßlichen Piraten wurden an Bord der FORT VICTORIA in Gewahrsam genommen. Ihr Raubzug ist damit beendet, aber auch bei ihnen dürfte die Beweislage für eine Strafverfolgung nicht ausreichen. Ihre baldige Freilassung steht zu erwarten.
Eindeutig sind dagegen aber die Beweise bei einer am 12. Januar direkt vor Mogadischu festgenommenen Gruppe von Piraten. Der spanische Versorger PATINO (Flaggschiff der EU NavFor) hatte gerade einen Frachter des World Food Program mit einer Hilfslieferung bis vor den Hafen der somalischen Hauptstadt begleitet. In der Morgendämmerung hielten Piraten das spanische Marineschiff offenbar für leichte Beute. Sie griffen mit einem Skiff an und beschossen den „zivilen Frachter“ auch bereits mit Handwaffen.
Piraten werden nach Angriff auf PATINO gestellt (Foto: EUNavFor) |
Als ihr Feuer erwidert wurde und auch noch ein Hubschrauber von der PATINO startete, erkannten sie schnell ihren Irrtum und gaben auf. Sechs Piraten (fünf davon mit Schusswunden) wurden festgenommen; ein siebter soll bei dem kurzen Gefecht getötet worden sein (über Bord gefallen). Die verhinderten Entführer werden sehr wahrscheinlich schon bald vor Gericht stehen.
Kurzmeldungen
- Zwölf am 5. Januar von der US Navy bei der Befreiung einer gekaperten und als Mutterschiff genutzten iranischen Fischer-Dhau festgesetzte somalische Piraten wurden nach Ausbleiben eines iranischen Auslieferungsersuchens im Jemen an Land gesetzt. Ebenfalls ohne Handhabe für eine Strafverfolgung schoben die dortigen Behörden die Männer über den Golf von Aden in die semi-autonome somalische Provinz Puntland ab. In ihrer dortigen Heimat wurden sie allerdings sofort festgenommen und warten nun in einem örtlichen Gefängnis auf ihren Prozess.
- Jemenitische Behörden haben sieben mutmaßliche somalische Piraten festgenommen. Die Männer — vier von ihnen mit Schusswunden — waren vor der jemenitischen Küste in ihrem treibenden Skiff von örtlichen Fischern gefunden worden. Angeblich waren sie beim Versuch ein Handelsschiff zu entern von einem auf diesem eingeschifften bewaffneten Sicherheitsteam unter Beschuss genommen worden.
- Vor Westafrika sind üblicherweise nur vor Anker liegende Schiffe Ziel von örtlichen Piraten, die es vor allem auf Ladung und Wertgegenstände abgesehen haben. Ein am 9. Januar gemeldeter Überfall passt allerdings nicht in dieses Schema. Im Golf von Guinea, etwa 90 sm südlich der nigerianischen Insel Bonny, griffen Piraten mit einem Skiff das norwegische Containerschiff SPAR RIGEL an, belegten dieses auch mit Gewehrfeuer. Zuvor war beobachtet worden, wie das Skiff von einem Fischtrawler ausgesetzt worden war. Während sich der Großteil der Besatzung des Frachters in einem Schutzraum verbarrikadierte, konnte das Brückenteam die Piraten ausmanövrieren.
- Der Ablauf des Überfalls ist für die Region völlig untypisch, gleicht vielmehr dem Vorgehen somalischer Piraten. So sehen einige Medien hier denn auch somalische Piraten am Werk. Sollte dies stimmen, sind in der Region in den kommenden Tagen weitere ähnliche Überfälle zu erwarten. Dies wäre dann auch ein Hinweis, dass vor ihrer eigenen Küste zunehmend unter Druck geratende somalische Piraten angesichts möglicher „Millionen-Renditen“ ihre Aktionen weiter überregional ausweiten. In diesem Fall dürften politische Vorstöße zu einer Bekämpfung der Piraten an ihrer Basis an Land in Somalia neues Gewicht bekommen.
ADMIRAL TRIBUTS (Foto: Deutsche Marine) |
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die 7. Einsatzgruppe der russischen Pazifikflotte — mit dem Zerstörer ADMIRAL TRIBUTS, dem Flottentanker PECHENGA und dem Hochseebergeschlepper SORUM MB-37 hat am 12. Januar den Golf von Aden erreicht und sich mit den Schiffen der 6. Einsatzgruppe getroffen.
Nach kurzer Übergabe und vielleicht einigen Tagen gemeinsamer Operationen wird die ADMIRAL TRIBUTS mit ihren beiden Hilfsschiffen dann mit Konvoi-Geleitfahrten beginnen – so wie sie es 2009 schon einmal getan hatte. Die seit September eingesetzte ADMIRAL PANTELEYEV wird sich gemeinsam mit dem zu ihrem Verband gehörenden Flottentanker BORIS BUTOMA und dem Bergeschlepper FOTIY KRYLOV auf den Rückweg in die Heimat machen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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