Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Der auch als Sezessionskrieg bezeichnete amerikanische Bürgerkrieg (12.04.1861 bis 09.04.1865) gilt weitgehend als der erste »neuzeitliche« Krieg. Dies bezieht sich sowohl auf die verwendete Technologie wie auf die Einsatztaktik und betrifft im hohen Maße auch den maritimen Teil des Krieges. Dieser war durch den Einsatz von Dampfschiffen mit Schraubenantrieb, Schiffsartillerie mit gezogenem Lauf, Explosivgeschossen, Seeminen und Panzerschiffen verschiedenen Typs geprägt.
Schlacht von Mobile Bay 1862 (Archiv Autor) Click to enlarge |
Obwohl der wesentlichste Teil der Kampfhandlungen des Sezessionskrieges an Land geführt wurde, leisteten die Seestreitkräfte einen erheblichen Beitrag zum Konfliktverlauf. Dies gilt vor allem für die Marine der auch als Union bezeichneten Nordstaaten (United States Navy – USN) und im geringeren Umfang für die Marine der als Konföderation bezeichneten Südstaaten (Confederate States Navy – CSN). Der Einsatz der Seestreitkräfte lässt sich im Wesentlichen in vier Aufgabenbereiche unterteilen: Blockadekrieg, Kaperkrieg, Beschuss von Küstenbefestigungen und Kampfeinsätze auf Flüssen. Diese Verwendungen hatten sowohl strategische wie taktische Ziele.
Blockade- und Kaperkrieg
Der Norden besaß von Anfang an den strategischen Vorteil einer wesentlich stärkeren industriellen Infrastruktur und einer größeren Bevölkerung. Auch zur See hatte die Union zu Beginn des Krieges im April 1861 die Überhand. Die US-Navy verfügte über 90 Schiffe, die Marine der Südstaaten über lediglich zehn Einheiten (darunter ein einziges reguläres Kriegsschiff). Rund ein Viertel der USN Schiffe waren weniger als zehn Jahre alt und auf dem neuesten technologischen Stand.
Sofort nach Kriegsbeginn ordnete Präsident Lincoln den massiven Ausbau der Navy an. Mehr als 400 zivile Schiffe wurden gekauft und bewaffnet; Bauaufträge für weitere 300 Kriegsschiffe und Kanonenboote wurden erteilt (Washington profitierte dabei von der Tatsache, dass beinahe die gesamte US-Schiffsbauindustrie im Nordosten ansässig war). Der Personalbestand der USN wuchs von 7.500 auf 52.000 Mann.
Diese exponentielle Ausweitung war nötig, um die von Washington verhängte Blockade der 3.500 Meilen langen Küste der Konföderation durchzusetzen. Mit dieser So genannten »Anaconda Strategie« wollte Präsident Lincoln die exportabhängige Wirtschaft der Südstaaten zerstören und die Einfuhr europäischen Kriegsgerätes verhindern. Ein weiteres Ziel der Blockade war die politische Isolierung der Konföderation. In der frühen Kriegsphase bestand die Gefahr, dass Großbritannien und Frankreich die Konföderation anerkennen würden – weniger aus Sympathie mit deren Politik als aus Gründen der Staatsräson und der Wirtschaftsinteressen. Erstens wären zwei rivalisierende amerikanische Republiken für die europäischen Mächte leichter politisch handhabbar; zweitens war der Import von Baumwolle aus den Südstaaten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die europäische Textilindustrie.
Die Blockade war ein voller Erfolg. Mehr als 1.500 Handelsschiffe wurden beim Versuch, südliche Häfen anzulaufen oder zu verlassen, aufgebracht. Zwar gelang es Blockadebrechern immer wieder, die US-Navy Linien zu durchdringen und dabei auch Waffen und Rohstoffe für die Munitionsproduktion einzuführen, aber die Baumwollausfuhr fiel auf zwei Prozent des Vorkriegsniveaus. Die wichtigste Grundlage der Südstaatenwirtschaft war erschüttert. Die europäischen Mächte erklärten angesichts der effektiven Blockade unter anderem ihre Neutralität im Krieg und schlossen ihre Häfen (auch in der Karibik) für Kaperprisen. Frankreich und England verweigerten der CSN auch den Verkauf von Kriegsschiffen.
Dennoch gelang es konföderierten Agenten über Mittelsmänner, einige europäische Schiffe zu erwerben. Diese wurden primär für den Kaperkrieg gegen die Handelsschifffahrt der Union eingesetzt, allerdings ohne die Wirtschaft der Nordstaaten im nennenswerten Umfang zu schädigen.
Flusskrieg
Nach der Isolierung des Gegners konnte die USN zum nächsten strategischen Schritt übergehen: die Spaltung des Gebietes der Konföderation. Hierzu musste die Union die Kontrolle über den Mississippi und dessen Nebenflüsse gewinnen. Vom Golf von Mexiko her drang im April 1862 eine aus Korvetten, Kanonenbooten und Mörserfahrzeugen zusammengestellte Flottille unter US-Navy Commodore David Farragut durch die feindlichen Absperrungen an der Mississippi-Mündung und nahm am 1. Mai New Orleans ein. Vom Oberlauf des Mississippis drangen weitere Flusskampfverbände nach Süden.
Gepanzertes Flusskampfboot MANASSAS (US National Archives) Click to enlarge |
Koordinierte Einsätze mit der Army, in deren Verlauf die Schiffsartillerie feindliche Befestigungen zerstörte und Gefechte gegen Flusskampfverbände der CSN führte, ermöglichten die systematische Eroberung der konföderierten Forts und Flusshäfen. Bis Juli 1863 standen der gesamte Mississippi und dessen wichtigsten Nebenarme unter Kontrolle der Nordstaaten. Hierdurch war wiederum die Unionsarmee ab 1863 in der Lage, mehrere Großoffensiven gegen westliche Gebiete der Konföderation durchzuführen und auch eine zweite Front gegen die im Osten kämpfenden Feinde zu öffnen.
Panzerschiffe
Sowohl auf den Flüssen wie an den Küsten spielten gepanzerte Einheiten eine wichtige Rolle. Zwar stellten die französische und die britische Marine unmittelbar vor Ausbruch des Sezessionskrieges durch Eisenpanzerung geschützte Kriegsschiffe in Dienst, doch war der inneramerikanische Konflikt der erste neuzeitliche Krieg, der durch serienmäßige Einführung von Panzerschiffen gekennzeichnet war (die wenigen, kaum manövrierfähigen schwimmenden Batterien des Krimkrieges ausgenommen). Während die europäischen Panzerschiffe eine konventionelle Form hatten, erprobten beide amerikanische Kriegsparteien verschiedene experimentelle Konzepte.
Die Initiative zur Einführung der Panzerschiffe ging von der CSN aus. In Anerkennung der numerischen Unterlegenheit beschloss die Marineführung der Südstaaten eine »asymmetrische« Seekriegsführung. Wenige fast unverwüstliche Panzerschiffe sollten die durch hölzerne Kriegsschiffe aufrecht gehaltene USN-Blockade sprengen.
Die Konföderation hatte am 21. April 1861 die Marineanlagen des Gosport Navy Yard in Norfolk, Virginia besetzt. Die USN hatte bei der Evakuierung des Stützpunkts mehrere im Trockendock liegende Schiffe in Brand gesetzt. Dabei wurde die Fregatte USS MERRIMACK – eines der modernsten Einheiten der USN – nur unvollständig zerstört. Die CSN entfernte die Oberdecks und baute die MERRIMACK zu dem durch zwei Zoll dicke Eisenplatten geschützten Kasemattenschiff CSS VIRGINIA um. (Spätere Kasemattenschiffe hatten im Durchschnitt 4–6 Zoll dicke Eisenpanzerung.)
Schlacht von Hampton Roads (US Navy Art Collection) Click to enlarge |
Am 8. März 1862 lief das mit zehn Geschützen und einem Rammsporn bewaffnete Schiff zum ersten Einsatz aus und versenkte zwei hölzerne Unionskriegsschiffe in der als Hampton Roads bezeichneten Wasserstraße an der Mündung des James River. Über Stunden hinweg überstand die VIRGINIA Breitseiten mehrerer Schiffe sowie Artillerie der Unionsfestung Fort Monroe. Der einzige nennenswerte Schaden entstand an zwei Geschützläufen, die durch die offenen Geschützluken getroffen wurden. Nur die nahende Dunkelheit zwang die VIRGINIA abzubrechen und verhinderte die Versenkung weiterer Schiffe. Doch auch die Union hatte ein revolutionäres neues Konzeptschiff gebaut: USS MONITOR. Dieses mit einem Geschützturm versehene Panzerschiff lief am Morgen des 9. März 1862 in Hampton Roads ein. Im Verlauf des anschließenden Gefechts mit der VIRGINIA konnte kein Schiff dem anderen nennenswerten Schaden zufügen.
Dieses Gefecht von Hampton Roads gilt als die bedeutendste Seeschlacht des Bürgerkrieges. Sie hatte zwei Folgen: Erstens war der konföderierte Plan eines asymmetrischen Seekrieges durch den Gleichzug der Union neutralisiert worden, die Blockade konnte aufrecht gehalten werden. Zweitens erkannten beide Seiten (und die Welt), dass hölzerne Kriegsschiffe nicht gegen Panzerschiffe bestehen konnten. Eine neue Ära der Marinerüstung wurde eingeleitet. Unmittelbar für den Sezessionskrieg bedeutete dies die Einführung von 70 Monitor- Panzerschiffen durch die Union (19 davon für den Flusskrieg, ergänzt durch Kasemattenflussboote) und von 32 Kasemattenschiffe durch die CSN.