Rohstoffe am Meeresboden – deutsche Interessen: Finden wir den Anschluss!

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

Während des zurück­liegen­den Som­mer­lochs nahm man sich gerne abgele­gen­er The­men wie dem Tief­see­berg­bau an. Bei näher­er Sicht erweist sich dies als ein kom­plex­es aber hochin­ter­es­santes The­ma, das nicht nur Umwelt- und Rechts­fra­gen aufwirft. Zur Ergänzung des Bildes gehört die Bedeu­tung der strate­gis­chen Rohstoff­sicherung, die Rolle der Meeres­bo­den­be­hörde und des Seerechts sowie die zen­trale Frage, ob und wie deutsche Fir­men den Anschluss an diese Entwick­lung find­en können. 

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Tief­seeforschungs­gerät ROV Vic­tor 6000 (Foto: IFM-GEOMAR)

Rohstoffe am Meeres­bo­den gibt es bekan­ntlich in Hülle und Fülle, d. h. in guter Qual­ität und Menge. Die Fes­t­land­sock­el enthal­ten neben den Kohlen­wasser­stof­fen wie Öl, Gas und Gashy­drat­en sehr viele Hydrother­malquellen und Bergkup­pen (seamounts) mit ihren Lager­stät­ten an poly­met­allis­chen Mas­siv­sul­fi­den PMS (seafloor mas­sive sul­phides) und Met­allerzkrusten. Die bish­er bekan­nten Mas­siv­sul­fid­vorkom­men liegen je zur Hälfte inner­halb und außer­halb der 200 sm Zonen. Die Masse der Man­gan­knol­len­felder befind­et sich dage­gen außer­halb der Gren­zen nationaler Zuständigkeit auf den Meeres­bö­den der inter­na­tionalen Tief­see. Während die Off­shore-Öl- und Gas­gewin­nung rund ein Drit­tel des Weltver­brauchs liefert, gibt es an der Abbaubarkeit min­er­alis­ch­er Rohstoffe vom Meeres­bo­den keine Zweifel mehr. Konkrete Entwick­lun­gen weisen auf den baldigen Beginn des Meeres­berg­baus auf Met­alle hin: 

  • Die Bun­de­sanstalt für Geowis­senschaften und Rohstoffe (BGR) in Han­nover erwarb im Auf­trage des BMWi 2006 bei der Inter­na­tionalen Meeres­bo­den­be­hörde IMB einen Rohstof­f­claim für Man­gan­knollen im Paz­i­fik, der seit­dem erforscht wird. Sieben Antrag­steller aus Chi­na, Japan, Rus­s­land, dem früheren Ost­block, Frankre­ich, Indi­en und Süd­ko­rea erhiel­ten bere­its ab 1987 Explo­rationslizen­zen im inter­na­tionalen Gebiet.
  • Mit der rus­sis­chen Flagge am Nord­pol begann 2007 der Wet­t­lauf um die Rohstoffe der Arktis.
  • Im Feb­ru­ar 2011 ver­gab der Staat Papua Neuguinea die erste echte Abbaulizenz für Gold und Kupfer in sein­er 200 sm Zone an die kanadis­che Fir­ma Nau­tilus. Deutsche Reed­er und Werften sind im Gespräch für Bau und Betrieb des Abbauschiffes.
  • Im März 2011 präzisierte der Inter­na­tionale Seegericht­shof in Ham­burg die Qual­itäts- und Haf­tungs­stan­dards für den Meeresbergbau.
  • Die UN-Meeres­bo­den­be­hörde erhöhte im Juli 2011mit vier neuen Vorhaben aus Ton­ga, Nau­ru, Chi­na und Rus­s­land die Zahl der Explo­rations­ge­bi­ete auf 12. Erst­mals sind nun zwei Entwick­lungslän­der dabei. In diesem Sta­di­um neu entste­hen­der Indus­trien bietet sich die bilat­erale Zusam­me­nar­beit bei der Erforschung, Gewin­nung und Auf­bere­itung mit Staat­en an, zu denen häu­fig fre­und­schaftliche Beziehun­gen beste­hen. Die Instru­mente dieser Zusam­me­nar­beit sind die Grün­dung von Joint Ven­tures, der Erwerb von Lizen­zen sowie Hil­fe bei der Aus­bil­dung und Finanzierung.

Diese Texte und Doku­mente sind auf den Web­sites für das UN-Seerecht­sübereinkom­men (www.un.org/Depts/los/) und der UN Meeres­bo­den­be­hörde (www.isa. org.jm) abrufbar. 

Es geht um Basis­met­alle wie Kupfer, Nick­el, Zink, Zinn, Kobalt, Eisen und Man­gan aber auch um sel­tene Met­alle wie Gold, Sil­ber, Platin, Titan und ins­beson­dere um Sel­tene Erden wie Yttri­um, Indi­um, Ger­ma­ni­um, Lithi­um sowie Selen. Die Let­zt­ge­nan­nten sind für Elek­tron­ik, Elek­troau­tos, Brennstof­fzellen, Medi­z­in­tech­nik und andere Zukun­ft­stech­nolo­gien ein­schließlich der Rüs­tungsin­dus­trie unent­behrlich. Deutsch­land ist hin­sichtlich dieser Rohstoffe zu 100 Prozent vom Import abhängig, der derzeit einen Preis von jährlich 30 Mrd. € hat. Als Beispiel sei daran erin­nert, dass sich in einem Auto deutsch­er Pro­duk­tion durch­schnit­tlich 45 ver­schiedene importierte Mate­ri­alien befinden. 

Der Recht­srah­men für den Meeres­berg­bau beste­ht seit 1994 auf der Grund­lage des UN-Seerecht­sübereinkom­mens (SRÜ), dem 162 Staat­en beige­treten sind. Meeres­berg­bau ist unter zwei ver­schiede­nen räum­lich abgrenzbaren Reg­i­men zulässig: 

  • Inner­halb der Gren­zen hoheitlich­er Zonen, also den Auss­chließlichen Wirtschaft­szo­nen (AWZ 200 Seemeilen) bzw. den (äußeren) Fes­t­land­sock­eln gilt das Recht des jew­eili­gen Küsten­staates in Verbindung mit dem Seerecht­sübereinkom­men. Hier gibt es die Beson­der­heit, dass Küsten­staat­en auch Fes­t­land­sock­el­rechte seewärts der 200 sm Gren­zen unter den Bedin­gun­gen des Art. 76 SRÜ beanspruchen kön­nen, wenn sie den wis­senschaftlichen Nach­weis der Exis­tenz »äußer­er Fes­t­land­sock­el« erbrin­gen. Derzeit prüft die Fes­t­land­sock­el­gren­zkom­mis­sion in New York mehr als 50 Anträge von Staat­en, die ihren rohstoff­poli­tis­chen Zuständigkeits­bere­ich aus­dehnen möcht­en, was nicht nur in der Ark­tis für Aufre­gung sorgt. Nationale Zugangsrechte für »äußere Fes­t­land­sock­el « bis zu 350 Seemeilen vor der Küste ste­hen kurz vor der Verteilung.
  • Außer­halb dieser Gren­zen nationaler Zuständigkeit gilt Teil XI des SRÜ »Das Gebiet/The Area« mit der Zuständigkeit der Inter­na­tionalen Meeres­bo­den­be­hörde IMB in Jamai­ka und ihrem inter-nationalen Berg­bau­recht. Es ste­ht Antrag­stellern aus allen Staat­en offen. Das Antragsver­fahren und die rechtlichen Vorschriften ein­schließlich des Umweltschutzes richt­en sich nach Teil XI des SRÜ und des Durch­führungsrecht­es. Ergänzend gel­ten drei sogen. »min­ing codes«, die die IMB für Man­gan­knollen und Mas­siv­sul­fide bere­its erlassen hat, während der code für poly­met­allis­che Krusten kurz vor der Beschlussfas­sung ste­ht. Antrag­steller erhal­ten die Lizenz zur Erforschung (Explo­ration) in der Rechts­form eines Ver­trages mit der IMB für max. 15 Jahre, mit dem Anspruch auf einen späteren Ver­trag zur Ausbeutung/Gewinnung (Exploita­tion). Erste Abbau­verträge der IMB sind ab 2016 zu erwarten.

Natür­lich erfordert Meeres­berg­bau eine umwelt­fre­undliche Arbeitsweise, die das einzi­gar­tige Leben der Tief­see und am Meeres­bo­den schützt. Dabei geht es darum, Fehler und Umwelt­sün­den, die bei der Rohstof­fgewin­nung an Land began­gen wer­den, auf See zu ver­mei­den. Die IMB entwick­elt eine Rei­he von Umweltschutzregelun­gen, darunter Leitlin­ien für Ver­tragsnehmer. Wichtiger noch sind die in der Beratung befind­lichen Umwelt­man­age­ment­pläne, die Bestandteil der Abbau­verträge wer­den sollen. Die IMB bere­it­et außer­dem die Ausweisung von neun Schutzge­bi­eten vor, mit Ein­griffsver­bot in der Größe von 400 mal 400 km zwis­chen den Lizen­zge­bi­eten im Paz­i­fik. Andere schon beste­hende Schutzge­bi­ete konzen­tri­eren sich auf aktive (lebende) Ther­malquellen, unter­seeis­che Berge und Korallenriffe. 

Im Umweltschutz steck­en sowohl Kon­flik­t­poten­zial als auch Chan­cen. Ein­er­seits beste­ht die unab­weis­bare und all­ge­mein anerkan­nte Forderung nach Umweltverträglichkeit und Rück­sicht­nahme auf Arten- und Kli­maschutz. Ander­er­seits dürfte dies eine lös­bare Her­aus­forderung für Inge­nieure sein. Vom Land­berg­bau ler­nend kön­nen Fehler und Unzulänglichkeit­en ver­mieden wer­den. Für die Berg­bau­un­ternehmen beste­ht die Chance, deut­lich zu machen, dass die marine Rohstof­fgewin­nung mit weniger Flächen­ver­brauch und weniger Energieein­satz auskom­men kann. Die skan­dalösen Zustände des Berg­baus in abgele­ge­nen Teilen Afrikas und Asiens, wo ohne Rechts­grund­la­gen krim­inelle Unternehmen wertvolle Met­alle und sel­tene Erden gewin­nen und Land­schaften dauer­haft zer­stören, lassen sich mit dem Seerecht ver­hin­dern und kon­trol­lieren. Erforder­lich sind schließlich umfassende Haf­tungsansprüche gegenüber den Unternehmen und den befür­wor­tenden Heimat­staat­en, was Ver­sicherungspflicht­en nach sich zieht. Sämtliche Ser­vice- und Trans­portauf­gaben erfol­gen umwelt­fre­undlich auf Schiffen. 

Die berechtigten hohen Umweltschutzan­forderun­gen bieten ger­ade der deutschen Indus­trie Per­spek­tiv­en in den Bere­ichen Forschung­stech­nik, Off­shore- und Unter­wassertech­nik, Berg­bautech­nik, Schiff­bau und Zulief­er­er. Damit sind Indus­trie, Dien­stleis­tun­gen und ange­wandte Forschung und Entwick­lung ange­sprochen. Eigene Stärken liegen zweifel­los in der Erforschung der Meeres­bö­den und in der Auf­suchung von mari­nen Lager­stät­ten. Die bekan­nten Forschung­sein­rich­tun­gen (IFM-GEOMAR, AWI, BGR, MARUM, HSVA) und die vorhan­de­nen und zukün­fti­gen Forschungss­chiffe (Neubau Sonne) sind eine gute Basis, eben­so wie hoch spezial­isierte mit­tel­ständis­che Fir­men der Unter­wass­er- Arbeitstechnik. 

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Neubau des Forschungss­chiffes SONNE (Grafik: Unterweser-Reederei)SONNE

Einzelne Kom­po­nen­ten und Know-how kön­nen von den etablierten mar­iti­men Indus­trien wie der Off­shore-Windin­dus­trie über­nom­men wer­den. Schließlich sieht der deutsche Schiff­bau seine Auf­gabe bei aus­rüs­tungsstarken und inno­v­a­tiv­en Schiff­stypen. Der zuständi­ge Indus­trie­ver­band VSM (Ver­band für Schiff­bau und Meer­estech­nik) führt die ange­wandte Meer­estech­nik sog­ar in seinem Namen. 

Was in Deutsch­land jedoch fehlt, ist die Sys­tem­führerschaft für das Gesamt­sys­tem oder wenig­stens für wichtige Bausteine wie die Pro­duk­tion­splat­tform. Hier sind große Indus­triekon­sor­tien und die vie­len mit­tel­ständis­chen Spezial­fir­men aufge­fordert, alleine oder ggf. mit staatlichem »spon­sor­ing« alle Aktiv­itäten in ein­er geeigneten Form zu bün­deln. Ein drin­gend erforder­lich­er Ansatz zum Auf­bau der Sys­tem­fähigkeit wäre der Zusam­men­schluss der wichtig­sten deutschen Akteure aus Wirtschaft, Forschung und Ver­wal­tung, wie es sie in den 80er Jahren als »Arbeits­ge­mein­schaft meer­estech­nisch gewinnbar­er Rohstoffe« (AMR) unter Führung der Preussag und der Met­allge­sellschaft gab. Eine »neue AMR«, getra­gen von heuti­gen Akteuren, sollte ins­beson­dere die wirtschaftlichen und wis­senschaftlichen Inter­essen koor­dinieren und in allen rel­e­van­ten Gremien und Kon­sor­tien sowohl nation­al als auch in der EU und inter­na­tion­al aktiv vertreten. Ziel dieses Zusam­men­schlusses wäre es, kon­se­quent umweltverträgliche Tech­nolo­gie bere­itzustellen sowie mod­erne For­men der Zusam­me­nar­beit zu suchen und anzu­bi­eten. Klug wäre es überdies, unter ein­er Dachmarke »Ocean Min­ing Ger­many« die Sicht­barkeit und Ver­mark­tung zu stärken. 

Auf der 7. Mar­iti­men Kon­ferenz der Bun­desregierung im Mai 2011 in Wil­helmshaven wurde der Entwurf des »Nationalen Mas­ter­plans Mar­itime Tech­nolo­gien« (NMMT) vorgestellt. Als strate­gis­ches Instru­ment für die deutsche Meer­estech­nik enthält er konkrete Empfehlun­gen für Leit­the­men, FuE Pro­jek­te, neue Märk­te, Export­förderun­gen sowie Aus­bil­dung und Net­zw­erk­bil­dung. Der Mas­ter­plan nen­nt Meeres­berg­bau als eins sein­er vie­len The­men. Meeres­berg­bau ver­di­ent jedoch als strate­gis­ches The­ma einen Spitzen­platz, denn er verbindet Meer­estech­nik mit Rohstoff­sicher­heit und glob­aler Wirtschaft­spoli­tik. Ohne ein deut­lich­es und schnelles Engage­ment von Indus­trie, Forschung und Ver­wal­tung wird es nicht gehen. Also: abso­lut kein Füller für ein Sommerloch. 

Zum Autor
Prof. Dr. Uwe Jenisch ist im Walther-Schück­ing-Insti­tut für Inter­na­tionales Recht tätig 

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

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